In einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel warnt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), vor einem deutlichen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Er fordert eine umfassende Investitionsoffensive und eine Neuausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik, um strukturelle Defizite zu beheben und die Transformation der Wirtschaft voranzutreiben.
Deutschland hat nach Einschätzungen des DIW Präsidenten Marcel Fratzscher deutlich an Wirtschaftskraft verloren. Um das zu Überwinden haben die Expertinnen und Experten seines Instituts eine Investitionsoffensive mit fünf zentralen Elementen erarbeitet. Nach Ihren Einschätzungen bedarf es einen Kurswechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik Deutschlands.
100 Milliarden Euro innerhalb der nächsten vier Jahre
Fratzscher plädiert in seinem Beitrag für eine staatliche Investitionsoffensive in Höhe von 100 Milliarden Euro über vier Jahre. Berechnungen des DIW Berlin zeigen, dass solche Investitionen das Bruttoinlandsprodukt um 1,5 Prozent steigern könnten. Dies würde nicht nur Arbeitsplätze schaffen, sondern auch zu höheren Steuereinnahmen führen, sodass sich die Investitionen langfristig selbst finanzieren.
Fratzscher: Schuldenbremse muss reformiert werden!
Ein zentraler Punkt ist zudem die Reform der Schuldenbremse. Die bisherigen Regelungen setzen enge Grenzen für staatliche Ausgaben und erschweren dringend notwendige Investitionen. Fratzscher schlägt eine „generationengerechte Schuldenbremse“ vor, die zwischen laufenden Ausgaben und Investitionen unterscheidet. Dies soll es ermöglichen, gezielt in zukunftsweisende Projekte zu investieren, ohne die finanzielle Stabilität des Staates zu gefährden.
Weitere Reformbereiche: Sozialsysteme, Energiewende und Fachkräftemangel
Neben der Finanzpolitik sieht Fratzscher weiteren Reformbedarf in den Sozialsystemen, der Energiewende und der Zuwanderungspolitik. Die Finanzierung der Rente und Pflegeversicherung müsse grundlegend überdacht werden, um jüngere Generationen nicht unverhältnismäßig zu belasten. Eine stärkere Umverteilung von hohen zu niedrigeren Einkommen könne zur Stabilität der Sozialsysteme beitragen. Gleichzeitig sei eine beschleunigte Energiewende notwendig, um Klimaziele zu erreichen und langfristige wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Investitionen in erneuerbare Energien, E-Mobilität und nachhaltige Infrastruktur spielten hierbei eine zentrale Rolle. Zudem müsse der zunehmende Fachkräftemangel durch eine gezielte Migrationspolitik entschärft werden. Ohne verstärkte Zuwanderung drohe eine wirtschaftliche Stagnation. Fratzscher fordert daher, in den kommenden vier Jahren 1,6 Millionen Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Kurswechsel erforderlich
Die wirtschaftlichen Herausforderungen Deutschlands sind tiefgreifend, doch Lösungen liegen auf der Hand, so Fratzscher. Er betont die Notwendigkeit eines klaren politischen Kurswechsels. Die neue Bundesregierung stehe vor der Aufgabe, eine umfassende Investitionsstrategie umzusetzen und strukturelle Reformen anzustoßen. Nur so könne Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern und wirtschaftlichen Wohlstand erhalten.
Kommt die Reform der Schuldenbremse noch im März?
Zumindest im Bereich der Schuldenbremse könnte es schon in sehr naher Zukunft zu Änderungen kommen: SPD, Grüne und Union führen derzeit Gespräche über die Verabschiedung einer Gesetzesänderung zur Reform der Schuldenbremse mit den Mehrheiten aus dem alten Bundestag. Derzeit kommen SPD, Grüne und Union zusammen auf eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Nach der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments, die die spätestens am 25. März stattfindet, ist diese – für Gesetzesänderungen unumgängliche- Mehrheit nur noch gemeinsam mit der AfD oder den Linken erreichbar. Letztere zeigen sich zwar offen für die Zusammenarbeit – die CDU lehnt diese Option mit Blick auf ihren Unvereinbarkeitsbeschluss jedoch ab.
Quellen: Tagesspiegel, MDR, DIW Berlin
Schreibe einen Kommentar