Vor dem Hintergrund der laufenden Konsultation der EU-Kommission zur Evaluierung der EU-Vergaberichtlinien haben sich die deutschen und österreichischen kommunalen Spitzenverbände sowie der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) positioniert. In einem gemeinsamen Beitrag zur Reform des Vergaberechts fordern sie eine Vereinfachung und Entbürokratisierung der Vergabeverfahren sowie eine stärkere Berücksichtigung der kommunalen Selbstverwaltung.
Die kommunalen Spitzenverbände betonen in Ihrem Positionspapier, dass die EU weder direkt noch indirekt auf die gewachsenen organisatorischen Strukturen der Kommunen sowie der Kommunalwirtschaft einwirken sollte. Sie widersprechen insbesondere der im sogenannten Letta-Bericht (April 2024) geäußerten Einschätzung, dass eine fragmentierte Wasserwirtschaft die Infrastrukturentwicklung behindere. Statt zentralisierte Strukturen zu erzwingen, sollten interkommunale Kooperationen erleichtert werden.
Forderung nach höheren Schwellenwerten
Ein zentrales Anliegen der kommunalen Verbände ist die Erhöhung der EU-weiten Schwellenwerte für öffentliche Ausschreibungen. Angesichts gestiegener Baukosten und inflationsbedingter Preisentwicklungen fordern sie unter anderem:
- eine Anhebung des Schwellenwerts für öffentliche Bauvergaben von derzeit 5,54 Millionen Euro auf mindestens 10 Millionen Euro,
- eine Erhöhung der Schwellenwerte für Liefer- und Dienstleistungen von 221.000 Euro auf mindestens 750.000 Euro,
- eine Anhebung des Schwellenwerts für soziale und andere besondere Dienstleistungen von 750.000 Euro auf 1,5 Millionen Euro.
Darüber hinaus fordern sie, dass die EU-Kommission in Verhandlungen mit der Welthandelsorganisation (WTO) einen Mechanismus zur Berücksichtigung der Inflation bei der Anpassung der Schwellenwerte einführt.
Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit
Die Spitzenverbände sprechen sich zudem dafür aus, die Zusammenarbeit zwischen Kommunen zu erleichtern. Insbesondere im Bereich der IT-Dienstleistungen, der Energieversorgung und des Klimaschutzes seien gemeinsame Projekte notwendig. Das EU-Vergaberecht dürfe diese Kooperationen nicht durch bürokratische Hürden behindern.
Position zur Nachhaltigkeit im Vergaberecht
Während die Verbände die Bedeutung nachhaltiger und sozialer Kriterien anerkennen, lehnen sie verbindliche Vorgaben auf EU-Ebene ab. Kommunen sollten selbst entscheiden können, in welchem Umfang sie Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) in Vergabeverfahren anwenden. Die Einführung verpflichtender ESG-Kriterien könne die Wettbewerbsfähigkeit kommunaler Unternehmen gegenüber privaten Anbietern einschränken und Vergabeverfahren unnötig verkomplizieren.
Regelmäßiger Austausch gefordert
Die kommunalen Spitzenverbände betonen die Notwendigkeit eines regelmäßigen Austauschs mit den EU-Organen zur Weiterentwicklung des Vergaberechts. Ihr Positionspapier stellt einen ersten Beitrag zur laufenden Konsultation dar und soll im weiteren Reformprozess weiterentwickelt werden.
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