In den Arbeitspapieren der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD haben sich die Verhandlungsparteien auf Eckpunkte für mögliche Änderungen im Vergaberecht verständigt. Das Dokument mit dem Fokus auf Vergaberecht stammt aus der Arbeitsgruppe „Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung, Moderne Justiz“ und wurde unter Beteiligung der AG „Wirtschaft“ erarbeitet.
Dem Entwurf zufolge ist vorgesehen, das Vergaberecht auf nationaler wie europäischer Ebene zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu digitalisieren. Ziel sei eine mittelstandsfreundliche Ausgestaltung, verbunden mit einer stärkeren Ausrichtung an wirtschaftlichen, diskriminierungsfreien und korruptionsfreien Beschaffungsprozessen.
Reduzierung vergabefremder Kriterien noch Streitpunkt
Einige Formulierungen innerhalb des Papiers sind bislang nicht abschließend konsentiert. So ist etwa die Passage zur maximalen Reduzierung sogenannter „vergabefremder Kriterien“ – etwa Tarifbindungen, Umweltauflagen und Sozialvorgaben – noch nicht mit Zustimmung der Unionsparteien versehen.
Höhere Schwellenwerte bei Direkt- und freihändigen Vergaben
Eine von der SPD eingebrachte und bislang noch nicht final abgestimmte Formulierung betrifft den Teil der geplanten Anhebung von Wertgrenzen. Die Sozialdemokraten bestehen hier auf das Adjektiv „maßvoll“. Einigen konnte man sich darauf, auf Bundesebene die Schwelle für Direktvergaben von Liefer- und Dienstleistungen auf 100.000 Euro anzuheben. Auch auf europäischer Ebene wird eine maßvolle Erhöhung der Schwellenwerte sowie eine getrennte Betrachtung von Planungsleistungen angestrebt.
Sektorale Befreiungen und strategisches Beschaffungsmanagement
Darüber hinaus enthält das Papier Vorschläge für sektorale Befreiungen vom Vergaberecht, etwa im Bereich der nationalen Sicherheit oder für emissionsarme Leitmärkte der Grundstoffindustrie – mit einem Pilotprojekt bei der Deutschen Bahn. Zudem soll das strategische Beschaffungsmanagement gestärkt, bestehende Plattformen konsolidiert und der IT-Einkauf zentraler gesteuert werden. Das „Kaufhaus des Bundes“ soll perspektivisch als digitaler Marktplatz für Bund, Länder und Kommunen fungieren.
Verfahrensrechtliche Änderungen und digitale Nachweise
Zur Verfahrensbeschleunigung ist vorgesehen, die aufschiebende Wirkung von Nachprüfungsverfahren bei Anrufung der Oberlandesgerichte zu streichen. Eignungsnachweise sollen künftig digital, bürokratiearm und mittelstandsfreundlich gestaltet werden.
Reform der militärischen Beschaffung
Für den militärischen Bereich sind ebenfalls einige Reformmaßnahmen vorgesehen. Für bestimmte Großprojekte oder technologische Zukunftsbereiche, die sich nicht mit klassischen Verfahren abbilden lassen, sollen neue Beschaffungswege geschaffen werden. Einzelne Vorhaben könnten aus dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr herausgelöst und in eigene Agenturen überführt werden.
In kritischen Bereichen wie der Munitionsversorgung ist geplant, stärker mit Vorhalteverträgen und Abnahmegarantien zu arbeiten. Bestehende Zertifizierungen aus Partnerstaaten sollen anerkannt und Doppelprüfungen vermieden werden. Zudem soll das Parlamentsbeteiligungsverfahren bei Beschaffungsvorlagen beschleunigt und der Schwellenwert hierfür deutlich erhöht werden. Die Nutzung von Artikel 346 AEUV – der nationalen Sicherheitsinteressen im EU-Binnenmarkt besondere Ausnahmen einräumt – soll intensiviert werden.
Forschung und Verwaltung: Weitere relevante Vorhaben
Im Rahmen eines geplanten „Innovationsfreiheitsgesetzes“ sollen Forschungsprojekte von kleinteiliger Förderbürokratie entlastet und etwa im Umsatzsteuergesetz oder Vergaberecht mit Bereichsausnahmen versehen werden. Antragslogiken und Nachweispflichten sollen entschlackt, Projektmittel flexibler bewirtschaftet und Entscheidungsprozesse beschleunigt werden.
Zudem ist geplant, standardisierbare Aufgaben wie Personal, IT, Datenschutz, Vergabe und Beschaffung, Compliance und Kommunikation in gebündelten Serviceeinheiten zu organisieren. Personaldienstleistungen wie Personalgewinnung, Planung und Entwicklung sollen in einer zentralen Bundespersonalagentur zusammengeführt werden.
Wie es weitergeht
Nach Abschluss der inhaltlichen Arbeit in 16 Facharbeitsgruppen mit 256 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gehen die Koalitionsverhandlungen nun in die nächste Phase: Eine Verhandlungsgruppe aus 19 Unterhändlerinnen und Unterhändler wird unter Einbeziehung der Parteivorsitzenden Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU), Lars Klingbeil und Saskia Esken (beide SPD) die offenen Punkte beraten. Ziel bleibt, die Verhandlungen bis Ostern abzuschließen. Eine Vereidigung des neuen Kabinetts könnte dann Anfang Mai im Bundestag erfolgen.
Quelle: FragDenStaat – Ergebnisse der KoaAG 9, FragDenStaat – Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen Übersicht, Tagesschau
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