Öffentliche Auftraggeber sind nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Wenn sie ihren Postausgangsverkehr öffentlich ausschreiben, könnten sie erhebliche wirtschaftliche Vorteile erzielen, wenn das Porto für die Postsendungen ohne gesetzliche Umsatzsteuer abgerechnet würde. Postalische Grundversorgungsleistungen (Universaldienstleistungen) können gemäß den umsatzsteuergesetzlichen Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit werden. Ob und inwieweit das Porto für diese Dienstleistungen ohne Umsatzsteuer angeboten werden darf, war Gegenstand einer aktuellen Entscheidung der Vergabekammer des Bundes.
Sachverhalt
Ein Wettbewerbsunternehmen der Deutschen Post AG (privater Wettbewerber) unterbreitete in einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren einen Angebotspreis ohne gesetzliche Umsatzsteuer. Die Vergabeunterlagen ließen die Eintragung von Angebotspreisen ohne gesetzliche Umsatzsteuer zu. Der Wettbewerber ist im Besitz einer Bescheinigung des Bundeszentralamts für Steuern, die die Umsatzsteuerbefreiung des Unternehmers nach § 4 Nr. 11b Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) nachweist. Das umsatzsteuerfreie Angebot des Wettbewerbers wird für den Zuschlag ausgewählt. Dagegen wendet sich ein Wettbewerbsunternehmen und stellt einen Nachprüfungsantrag. Das Unternehmen ist der Auffassung, dass Mitbewerber der Deutschen Post AG keine umsatzsteuerfreien Angebote vorlegen dürften, da sie keine „Universaldienstleister“ seien und nur regional tätig würden.
Die Entscheidung
Der Nachprüfungsantrag hatte keinen Erfolg!
Die Vergabekammer entschied, dass die vorgelegte Bescheinigung des Bundeszentralamts für Steuern einen rechtsverbindlichen und ausreichenden Beleg dafür darstellt, dass der ausgewählte Bieter umsatzsteuerfreies Porto anbieten darf. Wenn diese Bescheinigung vorgelegt wird, muss der öffentliche Auftraggeber die Rechtmäßigkeit des Belegs nicht selbst (nochmals) materiell prüfen oder weiter hinterfragen. Die Bescheinigung hat Tatbestandswirkung.
Rechtliche Würdigung
Es handelt sich um die erste Entscheidung einer Vergabekammer zu diesem neuen und umstrittenen Komplex hinsichtlich der Zulässigkeit der Unterbreitung von Angeboten mit umsatzsteuerfreiem Porto. Sie steht im Einklang mit früheren, ähnlich gelagerten Entscheidungen der Vergabekammer (vgl. VK Bund, Beschl. v. 23.08.2021 – VK 1-84/21 m.w.N.). Für die Umsatzsteuerfreiheit kommt es nach der Regelung des § 4 Nr. 11b UStG nicht auf die postgesetzliche Regelung zum Universaldienst an, sondern darauf, ob ein Bieter postalische Universaldienstleistungen im Sinne der EU-Richtlinie (RL 97/67/EG) erbringt. Entscheidend für die Frage der Umsatzsteuerbefreiung sind die steuerrechtlichen Regelungen. Verfügt der Bieter (auch ein Wettbewerber der Deutschen Post AG) für diese Dienstleistungen über eine entsprechende Bescheinigung des Bundeszentralamts für Steuern, haben die Vergabestellen diese Steuerbefreiungsbescheinigung zu beachten, da Vergabestellen und Nachprüfungsinstanzen keinen Teil der Steuerverwaltung darstellen. Ihre Prüfungspflicht endet mit der Vorlage einer bestandskräftigen Bescheinigung (vgl. VK Bund, Beschl. v. 22.04.2025 – VK 1-24/25 zu verspätet und nicht vollständig vorgelegten Belegen).
Praxistipp
Auftraggeber werden diese Entscheidung berücksichtigen und bereits im laufenden Ausschreibungsverfahren regelmäßig mit entsprechenden Bieterfragen konfrontiert. Die (noch nicht bestandskräftige) Entscheidung bestätigt die Auffassung der Finanzverwaltung, wonach es für die Umsatzsteuerfreiheit von Entgelten für die Postbeförderung auf die Regelungen des Umsatzsteuergesetzes ankommt. Eine Besonderheit ergibt sich mit Blick auf sogenannte Teilleistungs- oder Konsolidierungsangebote (die nicht Gegenstand der Entscheidung waren). Ob und inwieweit die sogenannten Teilleistungen der Deutschen Post AG (die nur einen Teil des Universaldienstes abbilden) überhaupt einer Umsatzsteuerbefreiung zugänglich sind, ist umstritten. Gewichtige Argumente sprechen dafür, dass für solche verkürzten (Teil-)Leistungen, die auf Geschäftskunden ausgerichtet und für Privatkunden nicht zugänglich sind, keine Umsatzsteuerbefreiung in Betracht kommen darf (vgl. dazu von Ulmenstein: Zulässigkeit einer Umsatzsteuerbefreiung von Umsätzen mit Postdienstleistungen, MwStR 2024, 588).

Dr. Christian von Ulmenstein
Rechtsanwalt Dr. Christian v. Ulmenstein ist seit Juli 2023 Partner der Kanzlei LEINEMANN PARTNER Rechtsanwälte, Berlin. Er betreut und berät als Fachanwalt für Vergaberecht Vergabestellen und Bieter in komplexen öffentlichen Ausschreibungsverfahren (Bau- und Dienstleistungsvergaben). Seit der Öffnung des Postsektors gehört zu seinen Leistungen seit vielen Jahren auch die Beratung von Unternehmen und Vergabestellen bei der öffentlichen Beschaffung von Postdienstleistungen.
Schreibe einen Kommentar