Die Festlegung der im Rahmen eines Vergabeverfahrens geforderten Eignungsnachweise ist – neben der Bestimmung der Zuschlagskriterien – die wichtigste verfahrensleitende Entscheidung öffentlicher Auftraggeber. Der in der Praxis wichtigste Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit (Fachkunde) stellen die Referenzen der Bewerber oder Bieter dar. Die Vergabekammer Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 28. Oktober 2011 (Az.: 1 VK 54/11) die Anforderungen an Referenzen für die zu erbringenden Leistungen, insbesondere im Hinblick auf den ausfüllungsbedürftigen Begriff der „Vergleichbarkeit“ konkretisiert.
Ausgangspunkt: Rechtslage nach der VOL/A
Die VOL/A sieht in § 7 Abs. 3 vor, dass das Unternehmen je nach Art, Menge und Verwendungszweck der zu erbringenden Leistung seine Leistungsfähigkeit unter anderem folgendermaßen nachweisen kann:
„a) Durch eine Liste der wesentlichen in den letzten drei Jahren erbrachten Leistungen mit Angabe des Rechnungswerts, der Leistungszeit sowie der öffentlichen oder privaten Auftraggeber […]“.
Im Vergleich zur Regelung in § 6 Abs. 3 Nr. 2 lit. b) VOB/A fällt auf, dass keine Vergleichbarkeit der Referenzleistungen mit der ausgeschriebenen Leistung vorausgesetzt wird (§ 5 Abs. 5 lit. b) VOF fordert eine solche Vergleichbarkeit ebenfalls nicht).
Damit stellt sich die Frage, ob öffentliche Auftraggeber gleichwohl den Nachweis vergleichbarer Leistungen als Mindestbedingung stets fordern dürfen. Bei Beschaffungsvorhaben mit komplexem Auftragsgegenstand dürfte das Interesse des Auftraggebers am Nachweis von Erfahrungen mit bereits erbrachten vergleichbaren Leistungen durch den Auftragnehmer in der Regel berechtigt sein. Mit Blick auf die Mittelstandsfreundlichkeit des Vergaberechts dürfte die Forderung bereits vergleichbare Aufträge erbracht zu haben außerdem stets dann gerechtfertigt sein, wenn eine Zulassung unerfahrener Unternehmen zum Wettbewerb für den Auftraggeber mit unzumutbaren Risiken verbunden wäre.
Trotz der großen Bedeutung der Thematik für die Praxis hat sich die vergaberechtliche Rechtsprechung hierzu bislang nur spärlich geäußert (vgl. z.B. VK Südbayern, Beschluss vom 21.04.2009 – Z3-3-3194-1-09-02/09; VK Hessen, Beschluss vom 20.07.2006 – 69 d). Da die Praxis jedoch auch im Anwendungsbereich der VOL/A und der VOF regelmäßig den Nachweis bereits erbrachter vergleichbarer Leistungen von den Bietern fordert, liegt die Annahme nahe, dass entsprechende Forderungen der Auftraggeber in der Regel gerechtfertigt sein dürften.
Dieser Linie hat sich auch die Vergabekammer Baden-Württemberg angeschlossen:
„Die Forderung nach Benennung „vergleichbarer“ Leistungen steht nach Auffassung der Vergabekammer auch nicht im Widerspruch zu § 7 Abs. 3 lit. a) EG VOL/A, wonach die Leistungsfähigkeit durch eine Liste der „wesentlichen, in den letzten drei Jahren erbrachten Leistungen“ nachgewiesen werden kann. Was „wesentlich“ ist, kann immer nur bezogen auf die jeweilige Ausschreibung beurteilt werden.“
Anforderungen an „vergleichbare Referenzen“
Im Anschluss an die Feststellung, dass – jedenfalls bei einer gewissen Komplexität des Vergabeverfahrens – auch im Rahmen der VOL/A vergleichbare Referenzleistungen gefordert werden dürfen, gelangt die Vergabekammer im Anschluss zur zentralen rechtlichen Wertung ihres Beschlusses. Die Vergabekammer Baden-Württemberg konkretisiert den Begriff der „vergleichbaren Leistungen“ folgendermaßen:
„Nach Auffassung der Vergabekammer müssen vergleichbare Leistungen nicht identisch sein mit dem ausgeschriebenen Leistungsspektrum; sie müssen jedoch der ausgeschriebenen Leistung nahe kommen und dieser entsprechend ähneln. Die Leistungen müssen nicht gleicher Art und gleichen Umfangs sein; sie sollten jedoch einen in etwa gleich hohen Schwierigkeitsgrad aufweisen.“
Interessant an der Entscheidung ist, dass die erbrachten Referenzleistungen weder ein vergleichbares Volumen (gleicher Umfang) aufweisen müssen noch der konkret zu vergebenen Leistung besonders ähneln (gleicher Art) müssen. Entscheidend ist vielmehr, dass die vorgelegten Referenzen Auftragsgegenstände mit vergleichbarer Komplexität (etwa gleich hoher Schwierigkeitsgrad) zum Gegenstand hatten.
Öffentlichen Auftraggebern steht nach Überzeugung der Vergabekammer bei der Ausfüllung des Begriffs der „Vergleichbarkeit“ ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, der
„von den Nachprüfungsinstanzen nur darauf hin überprüft werden kann, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, ob der Auftraggeber die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet hat, der zugrunde gelegte Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt worden sind und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist.“
„Vergleichbare Referenzleistungen“ im entschiedenen Fall
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um Leistungen des Einsammelns und Beförderns sowie der Verwertung von Altpapier. Das Leistungsspektrum wurde hierbei zu einem erheblichen Teil von Leistungen der Abfuhr von Altpapier aus blauen Tonnen bestimmt. In diesem Zusammenhang war von den Bietern gefordert, Referenzen über Leistungen, die mit der zu vergebenen Leistung vergleichbar sind abzugeben.
Der Nachprüfungsantrag wurde von der Vergabekammer als unbegründet zurückgewiesen, weil die Antragsstellerin ausschließlich Referenzen über Leistungen der Containerleerung an Recyclinghöfen und der Leerung von Depot-Containern vorliegen konnte. Die Vergabekammer teilte die Einschätzung der Antragsgegnerin (Vergabestelle), dass es sich insoweit nicht um vergleichbare Leistungen handelte:
„Die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass die bislang von der Antragstellerin erbrachten Leistungen mit der ausgeschriebenen Leistung der flächendeckenden Behälterabfuhr in einer Stadt mit über 120.000 Einwohnern und näheren Stadtteilen in keiner Weise vergleichbar ist, hält sich an Auffassung der Vergabekammer im Rahmen des dem öffentlichen Auftraggeber zustehenden Beurteilungsspielraums. Aus der Sicht der Antragsgegnerin fehle eine wichtige Teilleistung, nämlich die schwierig zu organisierende behältergestützte flächendeckende Einsammlung des Altpapiers in einer größeren Stadt mit mehreren Stadtteilen.“
VK Bund entscheidet in ähnlicher Weise
Die Vergabekammer des Bundes hat mit Beschluss vom 14. Dezember 2011 die rechtlichen Wertungen der Vergabekammer Baden-Württemberg im Wesentlichen bestätigt (Az.: VK 1 – 153/11). Vergleichbar ist eine Leistung
„bereits dann, wenn sie nach den Vergleichbarkeitskriterien des öffentlichen Auftraggebers der ausgeschriebenen Leistung nahe kommt“.
Anders als die Vergabekammer Baden-Württemberg fordert die Vergabekammer des Bundes allerdings, dass öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Vergabeunterlagen den Bietern bestimmte Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Referenzleistungen vorgeben.
Die Entscheidung knüpft an eine Entscheidung des OLG Frankfurt an (Beschluss vom 24.10.2006 – Az.: 11 Verg 8/06), das im Jahre 2006 zu fehlenden Vorgaben für die Vergleichbarkeit von Referenzen inhaltlich in derselben Weise Stellung genommen hatte wie jetzt die Vergabekammer des Bundes.
Auch im Rahmen der VOL/A dürfen öffentliche Auftraggeber jedenfalls bei einer gewissen Komplexität des Auftragsgegenstands vergleichbare Referenzleistungen als Eignungsnachweis von den Bietern fordern. Dasselbe dürfte im Rahmen der VOF gelten. Die Vergabekammer hat mit Blick auf die Vergleichbarkeit den Begriff dahin konkretisiert, dass entscheidend auf einen „in etwa gleich hohen Schwierigkeitsgrad“ abzustellen ist. In dieser Hinsicht ist durchaus ein strenger Maßstab anzulegen. Öffentlichen Auftraggebern kommt bei der Frage, ob erbrachte Leistungen vergleichbar sind oder nicht, ein Beurteilungsspielraum zu. Die rechtliche Zulässigkeit der Forderung nach bereits erbrachten vergleichbaren Leistungen muss gleichwohl in jedem Einzelfall ebenso vorgenommen werden wie die Prüfung im Rahmen der Angebotswertung, ob solche tatsächlich vorliegen, weil nach der Rechtsprechung eine Einzelfallbetrachtung erfolgen muss. Darüber hinaus empfiehlt es sich, in den Vergabeunterlagen nicht lediglich auf „vergleichbare“ Referenzen abzustellen, sondern konkrete Vorgaben für die Vergleichbarkeit zu formulieren.
Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Dort berät und vertritt er insbesondere öffentliche Auftraggeber, aber auch Unternehmen, in allen Fragen des Vergaberechts, ein Schwerpunkt liegt hierbei im Dienstleistungsbereich. Mehr Informationen finden Sie in unserem Autorenverzeichnis.
Thema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren.
Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Herr Dr. Ott berät und vertritt bundesweit in erster Linie öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsvorhaben. Auf der Basis weit gefächerter Branchenkenntnis liegt ein zentraler Schwerpunkt in der Gestaltung effizienter und flexibler Vergabeverfahren. Daneben vertritt Herr Dr. Ott die Interessen der öffentlichen Hand in Nachprüfungsverfahren. Er unterrichtet das Vergaberecht an der DHBW und der VWA in Stuttgart, tritt als Referent in Seminaren auf und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichen. Er ist einer der Vorsitzenden der Regionalgruppe Stuttgart des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW).
Lieber Herr Kollege Dr. Ott,
ich erlaube mir an dieser Stelle ein lobendes Wort für Ihren sehr praxisrelevanten Blogbeitrag. Er trifft zur „Vergleichbarkeit“ von Referenzen, über die wir uns auch schon in einigen Fällen die Köpfe zerbrochen haben, ins Schwarze.
Ich darf augenzwinkernd noch eine weitere Frage zu den in diesem Kontext wahrhaft „ekeligen Problemen“ hinzufügen:
Wie verhält es sich eigentlich mit den präqualifizierten Bietern? Sind diese Bieter mit ihren in der PQ-Liste hinterlegten Referenzen automatisch leistungsfähig oder muss, wie in Blatt 124 VHB, die Vergleichbarkeit auch ihrer Referenzen noch geprüft werden?
Die Rechtsprechung und die Kommentarliteratur dazu sind wenig ergiebig.
Ansätze dazu, dass der Eintrag in die PQ-Liste die Leistungsfähigkeit per se nachweist, ergeben sich aus der Rechtsprechung der 2. VK Bund (Beschluss vom 30.11.2009 – Az.: VK 2 – 195/09) und aus der Rechtsprechung der 1. VK Sachsen (Beschluss vom 19.05.2010 – Az.: 1/SVK/011-10).
Ich finde dagegen die Kommentierung Summas überzeugend, der sich – meine ich – als Einziger Kommentator dazu geäußert hat:
„Präqualifizierte Unternehmen sind nicht automatisch als geeignet anzusehen. Zum einen kann der Auftraggeber das Anforderungsprofil erweitern (§ 6 Abs. 3 Nr. 3 VOB/A). Zum anderen besagt z.B. der Umstand, dass ein Unternehmen seine Umsätze einer Präqualifizierungsstelle gemeldet und nachgewiesen hat, noch nichts darüber, ob es den Mindestanforderungen des Auftraggebers an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im konkreten Einzelfall genügt.
Um dies festzustellen, muss der Auftraggeber die Unterlagen einsehen, die der „Verein für die Präqualifikation von Bauunternehmen“ Zugangsberechtigten online zur Verfügung stellt.“
aus: juris-Praxiskommentar VergabeR, 3. Aufl., 2011, § 6 VOB/A
Ich meine daher vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung, dass die Vergabestelle in die Vergleichbarkeitsprüfung der Referenzen auch die Referenzen einzustellen hat, die sie bei dem PQ-Verein einsehen muss. Diese sind also nicht automatisch „gesetzt“.