Ein Gastbeitrag von Wolfgang Bartsch
Auf dem Weg zur UfAB VI, die 2013 erscheinen soll, hat die UfAB Arbeitsgruppe im September 2012 ein zweites Sonderheft mit immerhin 71 Seiten vorgelegt. Dieses enthält eine Überarbeitung des Moduls „Bewertungsmethoden“ aus dem ersten Sonderheft zur UfAB V (September 2011) sowie zwei neue Module. Alle drei UfAB Module des neuen Sonderhefts sind der 4. Wertungsstufe, also der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots zuzurechnen.
Das überarbeitete Modul „Bewertungsmethoden“
Seit der UfAB III gibt es das Modul „Bewertungsmethoden“, welches die drei Zuschlagsmethoden „Vereinfachte Leistungs-/Preismethode“ sowie die „Einfache und Erweiterte Richtwertmethode“ beschreibt. Oftmals wurden diese Zuschlagsformeln allerdings als nicht ausreichend betrachtet und es wurde auch an die UfAB-Arbeitsgruppe vielfach der Wunsch heran getragen, eine Formel zur Verfügung zu stellen, die eine Gewichtung zwischen Leistung und Preis berücksichtigt. Mit dem ersten Sonderheft zur UfAB V veröffentlichte die UfAB Arbeitsgruppe im September 2011 dann die sogenannte „Gewichtete Richtwertmethode“ (Mittelwertmethode). Hier wird die Leistungswertung eines einzelnen Angebots in ein gewichtetes Verhältnis zum Durchschnitt (Mittelwert) sämtlicher wertungsfähiger Angebote gesetzt und analog der Preis des einzelnen Angebots in ein gewichtetes Verhältnis zum Preisdurchschnitt (Preismittelwert).
Der Flipping-Effekt
Untersuchungen des Autors dieses Blog-Beitrags offenbarten dann aber mathematische Schwächen dieser Mittelwertmethode, zum Beispiel den sogenannten Flipping-Effekt: hierbei können selbst weit abgeschlagene Angebote eines Bieters C die Reihenfolge der beiden führenden Bieter A und B beeinflussen, d.h. die Angebote von A und B können bei ansonsten unveränderten Werten Platz tauschen („Flipping“).
Daher entschied sich die UfAB Arbeitsgruppe, die bisherige Mittelwertmethode durch zwei neue Varianten (Medianmethode und Referenzwertmethode) zu ersetzen, die diesen Flipping-Effekt entweder in wesentlich geringerem Umfang (Medianmethode) oder sogar überhaupt nicht aufweisen (Referenzwertmethode).
Die Medianmethode
Bei der Medianmethode wird die Leistung des einzelnen Angebots nicht ins gewichtete Verhältnis zum Leistungsmittelwert gesetzt, sondern zum Leistungsmedian. Der Median teilt die Menge der wertungsfähigen Angebote genau in zwei Hälften: die Leistungwertungen der einen Hälfte der Angebote liegen unterhalb des Leistungsmedians, die Leistungwertungen der andere Hälfte liegen oberhalb. Der Median trennt also die leistungsstärkeren von leistungsschwächeren Angeboten genau in der Mitte.
Entsprechend wird der Preis des einzelnen Angebots ins gewichtete Verhältnis zum Preismedian gesetzt, der die teuren von den billigen Angeboten trennt. Im Gegensatz zu den Mittelwerten verhalten sich sowohl der Leistungs- als auch der Preismedian verhältnismäßig stabil gegenüber Veränderungen einzelner Angebote.
Für die Wahl der Medianmethode war für die UfAB-Arbeitsgruppe auch ausschlaggebend, dass es für die Bestimmung des Medianwerts dafür in den gängigen Tabellenkalkulationsprogrammen (Excel, Open Office Calc, …) eine eingebaute Funktion (MEDIAN) analog zur Mittelwertfunktion gibt.
Die Referenzwertmethode
Als Bezugswerte für die Referenzwertmethode werden vom Auftraggeber fest vorgegebene Referenzwerte für die Leistung und den Preis verwendet, zu denen die Leistungswertung bzw. der Preis des einzelnen Angebots ins gewichtete Verhältnis gesetzt werden. Hier kann kein Flipping-Effekt mehr auftreten, da die Bezugswerte ja unveränderlich vorgegeben sind. Allerdings muss die Vorabbestimmung der Referenzwerte für Leistung und Preis sorgfältig erfolgen.
Die Median- und Referenzwertmethode werden zur Familie der Gewichteten Richtwertmethoden zusammengefasst. Von der Verwendung der Mittelwertmethode rät die UfAB-Arbeitsgruppe mittlerweile ab, und auch die Verwendung der Median- oder Referenzwertmethode empfiehlt die UfAB-Arbeitsgruppe nur eingeschränkt. Erste Wahl bleiben die klassischen drei Zuschlagsmethoden „Vereinfachte Leistungs-/Preismethode“ sowie die „Einfache und Erweiterte Richtwertmethode“.
Wertigkeitsfaktoren
Da sich insbesondere bei der Mittelwert- und Medianmethode die tatsächliche Gewichtung von Leistung und Preis erst in der 4. Wertungsstufe bestimmen lässt, wird in den UfAB-Modulen nun nur noch von Wertigkeitsfaktoren, aber nicht mehr von Gewichtung gesprochen. Gemäß § 9 EG Nr. 2 VOL/A ist dann aber bei Veröffentlichungen von Ausschreibungen darauf zu achten, die Kriterien in absteigender Reihenfolge ihrer Bedeutung zu sortieren.
Das neue Modul „Preisgestaltung“
Dieses Modul befasst sich mit Fragen der Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers zur Preisgestaltung sowie mit dem Vorgehen der Ermittlung der Preise. Hierbei unterscheidet die UfAB drei Aktivitäten, nämlich die Preisgestaltung, die Preisbildung und die Preisfeststellung.
Im Rahmen der Preisgestaltung legt der Auftraggeber fest, welche Preisangaben vom Bieter gefordert werden (Angebotspreise) und wie hieraus der Wertungspreis ermittelt wird. Diese Zweiteilung in einen Angebots- und einen Wertungspreis ist ein wichtiges Konzept, denn es ermöglicht, bei der Zuschlagswertung auch Lebenszklus-, Neben- und Folgekosten, z.B. für Verbrauchs- und Verschleißmaterial oder für Schulungen zu berücksichtigen.
Im neuen Modul „Preisgestaltung“ werden verschiedene Szenarios wie Festpreise, Aufwandspreise, Stück- und Einzelpreise, Staffelpreise, Preise für Optionen, Berücksichtigung von Skonti oder die Handhabung von Reisekosten betrachtet und konkrete Beispiele zur Ausgestaltung von Preisblättern gegeben.
Die Preisbildung bezeichnet die Aktivität des Bieters, der zu seinem Leistungsangebot Preise bildet und in die Preisblätter einträgt.
Die Preisfeststellung ist schließlich die Ermittlung des Wertungspreises aus den Angebotspreisen, also der Preisangabe, die in die Zuschlagswertung eingeht (siehe hierzu auch das Modul „Bewertungsmethoden“), ggf. unter Berücksichtigung von Lebenszklus-, Neben- und Folgekosten. Gerade bei Rahmenvereinbarungen können zur Preisfeststellung entweder verbindliche (fest vereinbarte) Abnahmemengen oder auch nur fiktive Mengengerüste, welche ausschließlich zu Ermittlung des Wertungspreises dienen, zu Grunde gelegt werden.
Abgerundet wird das UfAB-Modul „Preisgestaltung“ durch Beispiele für die Regelung zu dynamischen Preisen über die Vertragslaufzeit, also beispielsweise Preisvorbehalte, Preisfindungs- und Preisanpassungsklauseln oder die Auswirkung einer Änderung des Umsatzsteuersatzes.
Das Spezialthema des Preisrechts nach der Verordnung PR Nr. 30/53 wird ebenfalls kurz gestreift.
Das neue Modul „Verhandlungsverfahren in der Praxis“
Trotz – oder wegen – ihrer hohen Freizügigkeit sind Verhandlungsverfahren nach VOL/A-EG oder VOF oft komplex und aufwändig. Andererseits gewinnt diese Verfahrensart zunehmend an Bedeutung – umso mehr als eines der Standardvergabeverfahren gemäß der neuen VSVgV.
Das neue UfAB-Modul „Verhandlungsverfahren in der Praxis“ ergänzt die bisherigen UfAB-Module Nr. 4.34 und 4.35 (Verhandlungsverfahren mit/ohne Teilnahmewettbewerb). Es ist das auf 21 Seiten eingedampfte Kondensat der (neudeutsch:) „Best-Practice“ Erfahrungen aus zahlreichen Vergabeverfahren, insbesondere in der Konstellation der gleichzeitigen Verhandlung mit mehreren Bietern. Behandelt werden Vergabestrategien wie paralleles oder sequenzielles Verhandeln, Abschichten der Bieter oder indikative Angebote.
Ein besonderer Schwerpunkt wird auf die Abläufe von Verhandlungsrunden gelegt, beginnend bei der Vorbereitung einer Verhandlungsrunde über die Durchführung bis zur Nachbereitung von Verhandlungen.
Besondere Problemfelder wie die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, mögliche Transparenzdefizite oder die Vermeidung der Verletzung des Geheimwettbewerbs werden genauso angesprochen wie die Möglichkeiten und Grenzen der Änderung von Leistungsbeschreibungen, Wertungskriterien oder Vertragsbedingungen, die Verbindlichkeit von Zwischendokumenten (einzelne Verhandlungsergebnisse) oder die Gültigkeit von Angeboten während der Verhandlungsphase.
Mit dem neuen Sonderheft hat die UfAB, die nach einer aktuellen Umfrage von ca. 80% der IT-Beschaffer genutzt wird, drei wichtige Themen aufgegriffen und gute und praktikable Handlungsvorschläge beschrieben. Die Module aus dem vorliegenden Sonderheft werden Eingang finden in die folgende Version UfAB VI, die für nächstes Jahr erwartet wird. Das Sonderheft ist auf den Seiten des Beschaffungsamts des Bundesministeriums des Innern unter http://bescha.bund.de sowie später auch unter http://cio.bund.de abrufbar.
Der Autor Wolfgang Bartsch ist Diplom-Informatiker (univ.) und langjähriger IABG-Berater von öffentlichen Auftraggebern und Bietern bei Vergabeverfahren, insbesondere bei Ausschreibungen von komplexen und technisch anspruchsvollen IT-Lösungen. Nach Stationen bei CompuServe und später AOL als Verantwortlicher für den IT-Infrastrukturbetrieb sowie einigen Jahren als Berater von Start-up Unternehmen wechselte der er 2004 zur IABG in den Bereich Beschaffungs- und Projektmanagement. Hier war er unter anderem am Vergabeprojekt HERKULES beteiligt und agiert als Projektcontroller für die Open Source Migration LiMux der Landeshauptstadt München.
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