Bei der Abgabe werthaltiger Abfälle sind die Grundsätze des tauschähnlichen Umsatzes zu beachten. Danach ist unzulässig, das Entgelt für die Entsorgungsdienstleistung mit dem für einen Wertstoff zu zahlenden Erlös zu verrechnen. Die Reichweite des tauchähnlichen Umsatzes ist durch ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen von Dezember 2012 konkretisiert worden. Inwieweit die Missachtung der Grundsätze des tauschähnlichen Umsatzes in einem Vergabeverfahren einen Verstoß darstellen, ist umstritten.
Die Grundsätze des tauschähnlichen Umsatzes sind bei Beauftragung eines Dritten mit der ordnungsgemäßen Entsorgung von werthaltigem Abfall dann anzuwenden, sofern der Entsorgung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Eine Entsorgungsleistung von eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung liegt vor, wenn Vereinbarungen über die Aufarbeitung oder Entsorgung der Abfälle getroffen wurden. Nicht ausreichend ist, dass sich der Entsorger allgemein zur Einhaltung abfallrechtlicher Normen (z.B. Einhaltung vorgeschriebener Verwertungsquoten) verpflichtet hat, oder ein Entsorgungsnachweis ausgestellt wird. Abzugrenzen ist die dem tauschähnlichen Umsatz unterliegende Entsorgungsleistung von der bloßen Abfalllieferung. Eine reine Abfalllieferung liegt vor allem dann vor, wenn die Abfälle einen positiven Marktwert haben und sie unmittelbar im Produktionsprozess eingesetzt werden. Dann steht im Falle ihrer Veräußerung nicht die Entsorgungsleistung im Vordergrund. Dies wird in der Regel dann der Fall sein, wenn die Stoffe ihre Abfalleigenschaft verloren haben. Gleiches gilt für bereits sortenrein gesammelte Produktionsabfälle. Beispiele hierfür sind sortiertes und gepresstes Papier, sortierte Kunststoffe etc.
In Ausschreibungsverfahren, z.B. im Bereich von Altpapier und Alttextilien, wird danach immer dann ein tauschähnlicher Umsatz vorliegen, wenn der Entsorger Abfallbehälter oder -container zu gestellen und/oder diese zu entleeren hat. Ebenso wird ein tauschähnlicher Umsatz auch im Rahmen der reinen „Vermarktung“ von beispielsweise Altpapier und Alttextilien vorliegen, sofern es sich um keine sortierte Sammelware handelt und das Altpapier bzw. die Alttextilien noch nicht ihre Abfalleigenschaft verloren haben. Bis zum Vorliegen einer Verordnung zum Abfallende muss nach dem OLG Düsseldorf davon ausgegangen werden, dass Altpapier seine Eigenschaft als Abfall erst dann verliert, wenn dieses in der Papierfabrik verarbeitet wird (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.10.2004 – Verg 41/04).
Bei Anwendbarkeit der Grundsätze des tauschähnlichen Umsatzes sind in Ausschreibungsunterlagen die Entsorgungsdienstleistungen (z.B. Containergestellung, Erfassung, Transport, Sortierung) gesondert von dem Erlös im Rahmen der Vermarktung der werthaltigen Abfälle zu bepreisen. Werden bei Preisabfrage die Grundsätze des tauschähnlichen Umsatzes nicht beachtet, liegt nach Auffassung der VK Südbayern ein Verstoß gegen das Vergaberecht vor. Den Bietern würde ein ungewöhnliches Wagnis bzw. nunmehr unzumutbare Bedingungen aufgebürdet; zudem würden hierdurch das Wettbewerbsgebot und das Gleichheitsgebot verletzt, weil die Verdingungsunterlagen so gefasst sind, dass keine vergleichbaren Preise ermittelt werden können (VK Südbayern, Beschluss vom 24.06.2010 – Z 3-3-3194-1-23-04/10).
Die VK Schleswig-Holstein lässt dahingestellt, ob darin ein Vergaberechtsverstoß vorliegen kann. Jedoch sei ein Verstoß gegen die Grundsätze des tauschähnlichen Umsatzes nicht bieterschützend, weil bei dem Entsorgungsunternehmen als Bieter die Umsatzsteuer ein durchlaufender Posten sei und der Umsatzsteuerbetrag sich lediglich bei dem kommunalen Auftraggeber auswirken könne (VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 08.03.2013 – VK-SH 39/12).
Zuzustimmen ist der Auffassung der VK Südbayern, wonach durch die Nichtbeachtung der Grundsätze des tauschähnlichen Umsatzes die Preisabfrage nicht eindeutig ist und die Gefahr besteht, dass nicht vergleichbare Angebote eingehen. Den Grundsätzen des tauschähnlichen Umsatzes kommt bieterschützende Wirkung zu. Dies gilt auch für den Fall, dass es sich bei dem Bieter um ein vorsteuerabzugsberechtigtes Unternehmen handelt. Grund hierfür ist, dass das Entsorgungsunternehmen im Falle der nachträglichen Beachtung der Grundsätze des tauschähnlichen Umsatzes mit erheblichen Säumniszuschlägen (6 % pro Jahr) rechnen muss und im Rahmen einer etwaigen Entsorgungskette auch dem Insolvenzrisiko der beteiligten Unternehmen ausgesetzt ist. Aus diesen Gründen ist öffentlichen Auftraggebern auch aus vergaberechtlichen Gründen anzuraten, eine Bepreisung unter Berücksichtigung der Grundsätze des tauschähnlichen Umsatzes vorzunehmen.
Der Autor Dr. Dominik R. Lück ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Köhler & Klett Rechtsanwälte in Köln. Dort ist er Leiter des vergaberechtlichen Fachbereichs und verfügt über langjährige Erfahrung im Vergaberecht und in den Bereichen des Umweltrechts, insbesondere des Abfallrechts. Mehr Informationen finden Sie im Autorenverzeichnis.
Thema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren.
Der Autor Dr. Dominik R. Lück ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Köhler & Klett Rechtsanwälte in Köln. Dort ist er Leiter des vergaberechtlichen Fachbereichs und verfügt über langjährige Erfahrung im Vergaberecht und in den Bereichen des Umweltrechts, insbesondere des Abfallrechts.
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