Formale Anforderungen und eine Vielzahl von vorzulegenden Nachweisen schrecken immer wieder Unternehmen ab, überhaupt an öffentlichen Ausschreibungen teilzunehmen. Dass dies auch für Start ups und Newcomer zukünftig leichter sein wird, lässt eine aktuelle Entscheidung zur IT-Beschaffung der Vergabekammer des Bundes hoffen („Bundeslizenzen Virenschutz“, VK Bund, 03.06.2013 – VK 2-31/13).
§ 97 Abs.1 GWB, § 9 Abs. 4 EG VOL/A, § 16 Abs. 2 VSVgV
Sachverhalt
Die Vergabestelle schrieb EU-weit im nicht offenen Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb die Vergabe von Bundeslizenzen Virenschutz mit einem Rahmenvertrag für Supportdienstleistungen aus. Es sollte ein gesonderter Rahmenvertrages über Beratungs-, Schulungs- und Premium-Support-Leistungen in Bezug auf die Softwarelizenz abgeschlossen werden. In der Bekanntmachung war u.a. für die Beratungs- und Schulungsleistungen die Vorlage von drei vergleichbaren Referenzen gefordert. Eine abschließende Liste der von den Bewerbern vorzulegenden (Eignungs-)Nachweise enthielt das Begleitdokument zum Teilnahmewettbewerb nicht. Eine Bieterin reichte den Teilnahmeantrag bei der Vergabestelle unter Vorlage von drei Referenzen ein. Nach Ansicht der Vergebestelle konnte der Teilnahmeantrag keine Berücksichtigung finden, da die Bieterin nicht die Mindestanforderungen bei den Referenzen erfüllt habe, da die zum Nachweis ihrer Fachkunde herangezogenen Referenzen teilweise unzureichend die Erbringung von Beratungs- und Schulungsdienstleistungen belegten. Nach erfolgloser Rüge stellte die Bieterin Nachprüfungsantrag und hatte mit dem Hilfsantrag auf Aufhebung des Verfahrens Erfolg.
Die Entscheidung
Neben sehr interessanten Ausführungen der Vergabekammer zur Abgrenzung einer Ausschreibung nach VOL/A und nach VSVgV bei sicherheitsrelevanten Aufträgen (wobei der Anwendungsbereich der VSVgV bejaht wurde), begründet die Vergabekammer die Entscheidung mit zwei Vergabeverstößen:
Zu 1: In Fortführung der heiß diskutierten Rechtsprechung des OLG Düsseldorf Ende letzten Jahres (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. September 2012, VII-Verg 108/11) sieht die Vergabekammer in der Beschränkung auf drei Referenzen einen Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz nach § 97 Abs.1 GBW, der auch bei der VSVgV im Teilnahmewettbewerb Anwendung findet:
„Eine derartige Beschränkung auf drei Referenzen verletzt den Wettbewerbsgrundsatz. Zwar ist diese Entscheidung des Vergabesenats des OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. September 2012, VII-Verg 108/11) zu einem offenen Verfahren getroffen worden, während sich vorliegend ein Teilnahmewettbewerb für ein nicht offenes Verfahren in Streit befindet. Die tragenden Grundsätze der Entscheidung sind dennoch auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der Wortlaut der korrespondieren Normen (vgl. § 7 EG Abs. 3 lit. a) VOL/A und § 27 Abs. 1 S. 2 lit. a) und Nr. 2 lit. a) VSVgV) unterscheidet sich zunächst nur nach dem Betrachtungszeitraum (wesentliche erbrachte Leistungen der letzten drei Jahre im Rahmen der VOL/A bzw. fünf Jahre im Anwendungsbereich der VSVgV). Auch teleologisch gebietet sich vorliegend keine Einschränkung auf offene Verfahren. Der Bewerber kann in einem Teilnahmewettbewerb zwar aufgrund der graduellen Bewertung von Eignungsmerkmalen im Gegensatz zum offenen Verfahren ein Mehr an Eignung darlegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Ag die Tatsachengrundlage für ihre Fachkundeprüfung vergaberechtswidrig reduzieren darf, sei es durch eine von vornherein den Bewerbern auferlegte Referenzanzahlbegrenzung, sei es durch eine Nichtberücksichtigung dennoch vorgelegter Referenzen.“
Schon mit der vergaberechtswidrigen Referenzanzahlbeschränkung muss nach Ansicht der Vergabekammer das Vergabeverfahren bei fortbestehendem Beschaffungsbedarf (mindestens) in den Stand der Bekanntmachung zurückversetzt werden und die Bekanntmachung ist nach Überarbeitung der Referenzanforderungen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Kammer zu berichtigen.
Zu 2: Lediglich ergänzend wird dann zu dem Thema der fehlenden Nachweisliste und zur Anwendbarkeit im Teilnahmewettbewerb Stellung genommen, wobei die Forderung nach einer übersichtlichen Darstellung für die Bieter in der VOL/A in § 9 Abs.4 EG VOL/A und wortgleich für den Bereich Verteidigung und Sicherheit in § 16 Abs. 2 VSVGV normiert ist. Im Hinblick auf die Besonderheiten der VSVgV führt die Vergabekammer zu § 16 Abs.2 VSVgV aus:
„§ 16 Abs.2 VSVgV ist auf Teilnahmewettbewerbe anwendbar. Eine Beschränkung der hierin angeordneten Zusammenstellungspflicht hinsichtlich der Eignungsnachweise auf (eher unübersichtliche) offene Verfahren wie sie die Ag postuliert scheidet im Rahmen der VSVgV schon deswegen aus, weil das offene Verfahren nicht zu den in § 11 Abs. 1 VSVgV genannten anwendbaren Verfahrensarten zählt. Das Regelverfahren ist das nicht offene Verfahren bzw. das Verhandlungsverfahren (jeweils) mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb (§ 11 Abs. 1 S. 1 VSVgV)… Da die Anforderung von Eignungsnachweisen im Anwendungsbereich der VSVgV somit im Regelfall im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs erfolgt, liegt auch der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 VSVgV dem Grunde nach gerade beim Teilnahmewettbewerb.“
Durch die nicht beigelegte Nachweisliste sei dann eben die „Checklistenfunktion“ nicht erfüllt. Auch dies muss die Vergabestelle bei der erneuten Bekanntmachung berücksichtigen.
Rechtliche Würdigung
Auch wenn die Entscheidung im Hinblick auf die Frage der Beschränkung der Referenzen im Hinblick auf die Anforderungen an die Überprüfung bei öffentlichen Beschaffer durchaus zu diskuitieren ist, ist sie im Hinblick auf die klaren Ausfürhungen zur Nachweisliste und zur Anwendung im Bereich der VSVgV zu begrüßen: Wenn der öffentliche Auftraggeber Nachweise verlangt, muss er diese sowohl im Rahmen der VOL/A als auch im Rahmen der VSVgV klar und übersichtlich für die Unternehmen in einer abschließenden Checkliste darstellen. Dies gilt sowohl für den (vorgelagerten) Teilnahmewettbewerb, bei dem geeignete Unternehmen erst einmal ausgesucht werden, als auch in der anschließenden Angebotsphase der ausgewählten Unternehmen. Fehlt diese Liste, darf ein Unternehmen nicht wegen eines fehlenden oder falschen Nachweises vom Wettbewerb ausgeschlossen werden. Ein erster Schritt zu mehr Übersichtlichkeit in den oft überzogenen Anforderungen bei Vergabeverfahren.
Für Beschaffer muss angesichts der Entscheidung klar sein: eine Beschränkung der Referenzen ist mit äußerster Vorsicht zu genießen, sowohl für den Teilnahmewettbewerb als auch für das Angebotsverfahren muss eine Nachweisliste beigelegt werden. Wenn diese fehlt, können die Bieter sich (noch) entspannt zurücklehnen: bisher bejaht die Rechtsprechung mangels Erkennbarkeit des Vergabeverstoßes weder für die Beschränkung der Referenzen noch für die fehlende Nachweisliste eine Rügeplicht: Das heißt für Bieter: erst mal abwarten was passiert!
Monika Prell ist Fachanwältin für Vergaberecht und Partnerin bei der Kanzlei SammlerUsinger in Berlin. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrung im Vergaberecht und berät sowohl öffentliche Auftraggeber bei der Vorbereitung, Konzeption und Gestaltung sowie der anschließenden Durchführung von Vergabeverfahren als auch Bieterunternehmen umfassend bei allen vergaberechtlichen Fragestellungen. Darüber hinaus vertritt Monika Prell ihre Mandanten vor den Vergabenachprüfungsinstanzen. Neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit ist sie als Kommentarautorin tätig, veröffentlicht regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.
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