Der Bundesrat hat in seiner 914. Sitzung am 20. September 2013 ein interessantes Thema aufgerufen: “Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Verringerung der Anbieterbindung – Aufbau offener IKT-Systeme durch bessere Verwendung von Standards bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.” Darin ruft die EU-Kommission die Mitgliedstaaten auf, durch einheitliche Normen und Standards die Anbieterbindung im Bereich der IKT-Ausstattung zu verringern. Der Bundesrat stimmt nur teilweise zu.
Die Mitteilung ist Teil des umfassenden Kommissions-Pakets zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung durch effizienteren Einsatz elektronischer Medien. Sie wird ergänzt von einem Leitfaden zur IKT-Beschaffung, der bislang allerdings nur in englischer Sprache vorliegt.
Durch die Vorgabe einheitlicher Normen und Standards im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe sollen auf lange Sicht eine effektivere Wettbewerbsfähigkeit hergestellt und gleiche Ausgangsbedingungen für alle IKT-Anbieter geschaffen werden. Damit könnte eine Grundlage für eine neue Generation offener, flexibler und kooperativer, auch grenzüberschreitender Behördendienste zum Nutzen der europäischen Bürger und Unternehmen geschaffen werden.
Die Kommission hat nach eigenen Angaben die Hauptschwierigkeiten ermittelt, vor denen Behörden bei der Vergabe von Aufträgen für IKT-Systeme stehen, und die besten Praktiken in Mitgliedstaaten zur Überwindung der Schwierigkeiten zusammengetragen. Diese bilden die Grundlage für den der Mitteilung beigefügten Leitfaden.
Aufruf
Die Europäische Kommission ruft alle Behörden in den Mitgliedstaaten auf, mit Hilfe des Leitfadens „die Anbieterbindung ihrer IKT-Systeme zu verringern, um dadurch den Wettbewerb in Europa zu beleben und die Entwicklung des digitalen Binnenmarkts in Europa zu fördern“, auch indem sie den Zugang zu öffentlichen Daten und Informationen verbessern und deren Nutzung erleichtern. Die Kommission wird ebenfalls auf den Leitfaden zurückgreifen, damit auch ihre eigenen IKT-Systeme dieser Vorgabe folgen, und ruft die anderen EU-Organe auf, es ihr gleich zu tun.
Vorkommerzielle Auftragsvergabe
Die Kommission stellt jedoch auch fest, dass diese Probleme „nicht durch einzelne Auftraggeber allein gelöst werden können, sondern Teil eines langfristigen Gesamtplans auf der jeweiligen sektoralen oder organisatorischen Ebene sind“. Als Instrument wird dazu auf die vorkommerzielle Auftragsvergabe hingewiesen, bei der Aufträge für Forschungs- und Entwicklungsleistungen (FuE) vergeben werden, bei denen sich der öffentliche Sektor die Risiken und Vorteile großer FuE-Vorhaben mit der Industrie teilt.
Der Bundesrat hat in seiner 914. Sitzung am 20. September 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Vorstellungen der Kommission, die Interoperabilität von IKT-Systemen durch Standards zu fördern.
2. Der Bundesrat stimmt der Einschätzung der Kommission nur begrenzt zu, dass es einfacher und effizienter wird, verschiedene öffentliche Systeme zum Zweck des Datenaustauschs miteinander zu integrieren, wenn Produkte und Dienste unterschiedlicher Anbieter durch Standards interoperabel gestaltet werden (vgl. Abschnitt 3.1. der Mitteilung); um Fehlinterpretationen zu vermeiden, sollte IT-technisch der Begriff „integrieren“ durch das Wort „verknüpfen“ ersetzt werden. Die Ursachen für die aktuelle Ausschreibungspraxis der öffentlichen Hand müssen näher untersucht und differenziert betrachtet werden. Gerade bei komplexen IT-Systemen beruht der eingeschränkte Wettbewerb in der Beschaffung oft nicht auf mangelnder Verwendung von Standards. Er ist auf eine begrenzte Anzahl an getesteten, vom Hersteller zertifizierten und freigegebenen Produkten anderer Hersteller zurückzuführen. Dies schließt zugunsten des sicheren und fehlerfreien Betriebs den Einsatz anderer Produkte in der Praxis aus.
3. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Frage, wie Interoperabilität hergestellt werden kann, differenzierter betrachtet werden muss. Proprietäre Produkte können Marktstandards sein und gleichermaßen standardisierte Schnittstellen benutzen und im Sinne einer offenen Struktur gerade wegen des Marktstandards kompatibler sein als von Behörden „verordnete“ Standards, die im Markt weder Akzeptanz noch Anwendung finden. Daneben sollte näher untersucht werden, auf welchen Ebenen die Standards ansetzen und wirken sollen (Schnittstellen, Programmiersprachen, Hardwarekomponenten und Betriebssysteme etc.).
4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich im weiteren Verfahren dafür einzusetzen, dass dem Anliegen des Bundesrates Rechnung getragen wird.
Die vollständige Mitteilung der EU-Kommission finden Sie im Mitgliederbereich des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW).
Schreibe einen Kommentar