Heute vor einer Woche, am 6. und 7. Oktober 2016, fand in Berlin der inzwischen 3. Deutsche Vergabetag des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) statt. Im abermals ausverkauften Presse- und Informationsamt der Bundesregierung gaben sich das “Who´s Who” der Vergabewelt vor über 400 Teilnehmern die Klinke in die Hand: Ob OLG-Richter, DStGB oder das Kompetenzzentrum Innovative Beschaffung (KOINNO), Alle waren mit dabei. Die Tagung stand dabei ganz im Zeichen der aktuellen Reformen.
Früh am Morgen des ersten Konferenztages blieben trotz restlos ausverkauftem Haus ein paar Plätze leer – Air Berlin hatte aufgrund des verabredeten kollektiven Krankenfalls gleich drei Flieger am Boden lassen müssen, deren Passagiere erst nach und nach den Weg in die Hauptstadt fanden. Wer rechtzeitig da war, erfuhr von Norbert Portz (Foto l.), Beigeordneter für das Vergaberecht beim Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB), in einem Parforceritt die Sicht der Kommunen auf das neue Vergaberecht: Bei einem grundsätzlich positiven Fazit stellte er fest, dass die Reform “nicht aus einem Guss” ist, und die “VOB/A mehr und mehr unter Rechtfertigungsdruck gerät”. Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) bewertet er als “Schritt in die falsche Richtung, die den vergaberechtlichen Flickenteppich vergrößern wird”. Man sollte vielmehr die Praxis erst einmal in Ruhe lassen.
“Die Akzeptanz des Vergaberechts leidet”
In der anschließenden Podiumsdiskussion mahnte denn auch Prof. Dr. Matthias Einmahl (Foto ganz oben, 3.v.l.) von der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, dass aufgrund Praxisuntauglichkeit des Vergaberechts dessen Akzeptanz leide. So werde fälschlicherweise, aber leider glaubhaft, dem Vergaberecht die Schuld gegeben für kosten- und zeitmäßig aus dem Ruder gelaufene Beschaffungsprojekte. Großen Applaus gab es für seine Forderung nach einem einheitlichen Vergabegesetzbuch. Von Prof. Dr. Ralf Leinemann (Foto oben, 2.v.l.), Rechtsanwalt und Partner bei Leinemann Partner Rechtsanwälte, ist man klare Worte gewöhnt, die er denn auch fand: Die Reform habe alles einfacher und flexibler machen sollen – “Nichts davon ist passiert!”. Vielmehr würden angesichts der weiteren Komplizierung des Verfahrens KMU aus öffentlichen Vergaben aussteigen. Aber auch die Beschaffer seien nicht begeistert, so sei nach Inkrafttreten des neuen Rechts ein Ausschreibungsstopp feststellbar gewesen. Auf die Frage nach einem pragmatischen Lösungsansatz stellte er seinen 5 Punkte-Plan vor: Nur Offene Verfahren durchführen – Wenige Eignungsnachweise – Wenige und einfache Wertungskriterien – Nebenangebote zulassen – Fehlende Unterlagen immer nachfordern! Er erinnerte, dass die neue UVgO nur für den Bund gelten wird und von den Ländern erst einmal umgesetzt werden müsse. Aus dem Kreis der teilnehmenden Ländervertreter war dann auch vereinzelnd zu vernehmen, dass diese bereits jetzt wissen, man werde nur teilweise umsetzen. Carsten Vogt (Foto oben, 4.v.l.), Legal Counsel bei der CLS Construction Legal Services GmbH / STRABAG SE, dem Marktführer im deutschen Verkehrswegebau, forderte mit Blick auf weitere Reformen ein “Abwarten”, insbesondere solle man die VOB jetzt nicht anpacken. Bei den Bietern führten die andauernden Reformen zu einer Art Schockstarre. Einigkeit herrschte unter den Diskutanten bei den Landesvergabegesetzen: Diese sollten abgeschafft werden.
OLG-Rechtsprechung
Im sich anschließenden Fachpanel Recht gaben sich gleich drei OLG-Richter die Ehre: Heinz-Peter Dicks vom OLG Düsseldorf, Hermann Summa vom OLG Koblenz sowie Jörg Wiedemann vom OLG Naumburg (Foto oben, v.l.n.r.).
Praxisworkshops
Ein Kernbestandteil des Kongresses bildeten wie bereits in den Vorjahren die insgesamt 12 Praxisworkshops. Ein Novum waren die beiden Innovationsforen, ausgerichtet vom Kompetenzzentrum für innovative Beschaffung (KOINNO) im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums: Hier standen die landläufig noch wenig bekannten Instrumente der Vorkommerziellen Auftragsvergabe und die korrekte Bewertung der Lebenszykluskosten im Fokus (Foto links: Unterstützer des 3. Deutschen Vergabetages).
Ein- und Ausblicke
…in das aktuelle und das kommende Vergaberecht bot auch der zweite Konferenztag: Andreas Rüger aus dem Referat Öffentliche Aufträge des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) führte durch die kommende Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) und erläuterte die Beweggründe verschiedener Regelungen. Erwartungsgemäß bekam kein Vortrag mehr Rückfragen aus dem Publikum. Bernhard Fett, Fachbereichsleiter Vergabestelle, Verträge, Lizenzen beim zentralen IT-Dienstleister des Freistaates Sachsen stellte “die neuen Anforderungen an die Transparenz und Dokumentation von Vergabeverfahren” vor. Aus den Reihen der Zuhörer konnte man Stimmen vernehmen, nach dem man diesen nur durch eine Aufstockung an Personal nachkommen könne. Ingeborg Diemon-Wies von der Vergabekammer Westfalen referierte schließlich zum Dauerbrenner Eignungsprüfung nach der Vergaberechtsreform und sah sich trotz zeitlich letztem Vortragsslot am Freitag immer noch einem vollen Saal gegenüber.
Abendgala
Ein Highlight der Veranstaltung war wie immer die festliche Abendgala nahe des Potsdamer Platzes: Angesichts der seit Jahren wachsenden Anforderungen an öffentliche Beschaffer stand diese unter der Fragestellung “Tausendsassa Beschaffer – Berufliche Qualifikationen zwischen Wirtschaftlichkeit, Rechtskonformität und politisch-strategischen Zielsetzungen”. Die ebenso kritische wie mitunter kurzweilige Podiumsdiskussion machte den Spagat zwischen notwendiger Qualifikation und gebotener Qualifizierung deutlich – nicht zuletzt angesichts der Bezahlung im öffentlichen Dienst (Foto unten v.l.n.r.: Roland Blank, Einkaufsleiter, Servicestelle Beschaffung der Stadt Solingen, Anja Theurer, Sprecherin der Ständigen Konferenz der Auftragsberatungsstellen, Prof. Dr. Michael Eßig, Forschungszentrum für Recht und Management öffentlicher Beschaffung, Universität der Bundeswehr, Dr. Oliver Wittig, Direktor Öffentliches Wirtschaftsrecht, Ernst & Young Law GmbH). Durch den Tag und Abend führte wie bereits im Vorjahr ebenso kompetent wie charmant RAin Dr. Nicola Ohrtmann (ganz rechts), AULINGER Rechtsanwälte und Notare, die am zweiten Tag unterstützt wurde durch Dr. Tobias Traupel, Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr NRW, ehemals bei der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und bei der Europäischen Union.
Fazit
Über 400 Teilnehmer, 57 Referenten und 30 ausstellende Unternehmen – damit war der 3. Deutsche Vergabetag 2016 des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) wohl erneut die größte vergaberechtliche Fachtagung in Deutschland. Bitte merken Sie sich jetzt schon den 4. Deutschen Vergabetag 2017, abermals im Oktober, vor!
Es war wieder eine rundum gelungene Veranstaltung!
Dank an Herrn Junk, Herrn Mündlein, die Aussteller und natürlich die Referenten.
Bis nächstes Jahr
Vielen Dank für die auch in diesem Jahr hervorragende Veranstaltung – top Referenten, hochaktuelle Themen, ein interessiertes Fachpublikum und eine reibungslose Organisation. Danke dafür auch an Frau Schmidt!