Ausgeschlossene Bieter fahren nicht selten zweigleisig. Zum einen wenden sie sich natürlich gegen den Angebotsausschluss selbst. Insbesondere, wenn die Chancen hier nicht so gut stehen, greifen sie aber gern auch das Verfahren in allen anderen erdenklichen, grundsätzlichen Punkten an – in der Hoffnung auf eine Rückversetzung des Verfahrens und damit zumindest auf eine zweite Chance. Beliebt ist seit der jüngeren Schulnotenrechtsprechung des OLG Düsseldorf vor allem die Beanstandung eines angeblich intransparenten Wertungssystems. Das OLG Naumburg erteilt einer solchen Strategie in einer aktuellen Entscheidung eine klare Absage.
BGB §§ 133, 157; GWB a.F. § 97 Abs. 2, 7, §§ 100, 107 Abs. 2, 3, § 118 Abs. 2; VOL/A 2009 § 8 EG Abs. 1, § 16 EG Abs. 4, § 19 EG Abs. 3 d, § 21 EG Abs. 1 Nr. 2
Leitsatz (nicht amtlich)
Sachverhalt
Bei der Ausschreibung von Schülerbeförderungsleistungen im offenen Verfahren floss der angebotene Preis mit einem Gewicht von 70 % in die Gesamtwertung der Angebote ein. Der wertungsrelevante Gesamttagespreis für alle Touren errechnete sich dabei aus dem anzubietenden (und einzutragenden) Preis pro gefahrenem Kilometer sowie der ebenfalls anzugebenden Gesamtstrecke pro Tour. Dabei waren jeweils auch die Leerfahrten zum ersten Abholpunkt bzw. vom letzten Abholpunkt zum Ausgangspunkt zu berücksichtigen.
Der Auftraggeber schloss ein Angebot aus, das entgegen dieser Vorgabe offensichtlich lediglich die Besetztfahrten, also ab dem ersten bzw. bis zum letzten Abholpunkt, angab und kalkulativ berücksichtigte. Der Bieter griff seinen Ausschluss aus dem Verfahren mit einem Nachtprüfungsantrag an und beanstandete dabei auch die seines Erachtens vorliegende Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie die vermeintlich intransparente Bewertungsmatrix als vergaberechtswidrig.
Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Das OLG Naumburg kam zu dem Ergebnis, dass der Bieter die geforderte Formularerklärung bezüglich der Touren unzulässig verändert habe, indem er die Kilometer vom Stützpunkt zum ersten Abholpunkt sowie vom letzten Abholpunkt zum Stützpunkt nicht angegeben habe, sondern stattdessen lediglich eine 0 eingetragen habe. Es lag aus Sicht des Senats daher eine unzulässige Änderung der Vertragsunterlagen vor, die zwingend zum Ausschluss gemäß § 19 Abs. 3 lit. d) i.V.m. § 16 Abs. 4 VOL/A EG führen musste, ohne dass der Auftraggeber ein Ermessen hatte. Die Vorgabe, dass auch die Leerkilometer anzugeben waren, war aus Sicht des OLG Naumburg insoweit auch transparent in den Vergabeunterlagen geregelt, insbesondere hatte der Auftraggeber dies durch nachträgliche Erläuterungen und Hinweise hinreichend klargestellt. Unerheblich war hingegen, ob die zwingende Berücksichtigung von Leerfahrten sinnvoll oder üblich war.
Da der Bieter zwingend auszuschließen war, waren die weiteren Beanstandungen nicht mehr zu prüfen. Bei objektiver Betrachtung hatte das Angebot nämlich unabhängig von der Gestaltung der Zuschlagskriterien keine Chance auf Erhalt des Zuschlags. Selbst wenn die Zuschlagskriterien also intransparent gewesen wären, drohte dem Bieter dadurch kein Schaden im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB dies wäre jedoch für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB insoweit erforderlich.
Rechtliche Würdigung
Zutreffend lehnt das OLG Naumburg eine Prüfung von Vergaberechtverstößen, die sich auf die konkrete rechtliche Position eines Bieters nicht mehr auswirken können, da er ohnehin aus dem Verfahren auszuschließen wäre, ab. Das Gericht verweist insoweit auf eine Vielzahl älterer Entscheidungen anderer Vergabesenate (ebenso des Weiteren: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.03.2010, Az.: Verg 46/09). Es widerspräche letztlich auch dem Wettbewerbs- und dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn ein Bieter Vergaberechtsverstöße, die für seine eigenen Zuschlagschancen wegen seines zwingenden Ausschlusses ohne Bedeutung sind, dazu instrumentalisieren könnte, sich an den ursprünglichen Fristen und Verfahrensbedingungen „vorbei die Möglichkeit einer zweiten Angebotsabgabe zu verschaffen.
Praxistipp
Bieter sollten sich darüber im Klaren sein, dass bei einem rechtmäßigen Ausschluss aus dem Verfahren ein Nachprüfungsantrag, der auf allgemeine Verfahrensmängel abzielt, wenig Aussicht auf Erfolg hat. Vergabestellen und Auftraggebern ist natürlich dennoch eine transparente Verfahrensgestaltung unbedingt zu empfehlen. Dies liegt schon in ihrem eigenen Interesse, vergleichbare und passgenaue Angebote zu erhalten.
Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.
Man kann in dem vergaberechtlichen Regelungswerk so lange suchen wie man will, man wird den Ausschlussgrund „Änderung der Vergabeunterlagen“ nicht finden.