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Fördermittel (Zuwendungen) sind zu 100% zurückzufordern, wenn keine öffentliche Ausschreibung durchgeführt wird! Es besteht kein Ermessen! (VG Schleswig, Urt. v. 06.04.2017 – 12 A 136/16)

EntscheidungAllein die fehlerhafte Wahl des Vergabeverfahrens rechtfertigt als schwerer Vergabeverstoß bereits den Widerruf einer Zuwendung, ohne dass der Zuwendungsgeber verpflichtet ist, einen zusätzlichen Verstoß gegen das Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung zu belegen. Ein unzulässiges Vergabeverfahren (hier: die beschränkte Ausschreibung) kann nicht im Nachhinein damit gerechtfertigt werden, dass auch eine andere Vergabeart (hier: die freihändige Vergabe) zulässig gewesen wäre.

§ 3 VOL/A 2006 (§ 8 UVgO 2017); § 117a VwG-SH; § 48 Abs. 4 VwVfG

Sachverhalt

Die Klägerin, die eine freiwillige Feuerwehr unterhält, wendet sich gegen den Widerruf einer Zuwendung für die Beschaffung eines Feuerwehrlöschfahrzeuges. Der Beklagte bewilligte im November 2007 der Klägerin im Wege der Anteilsfinanzierung eine Zuweisung in Höhe von höchstens EUR 49.000 (35% der zuwendungsfähigen Gesamtkosten). Bestandteile des Bescheides waren u.a. die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften (ANBest-K) und die Richtlinien zur Förderung des Feuerwehrwesens. In dem Bescheid heißt es weiter, dass bei der Durchführung von Beschaffungen die Vorschriften des Vergaberechts einzuhalten sind.

Die Beschaffung des Feuerwehrfahrzeugs wurde sodann von der Klägerin beschränkt ausgeschrieben. Die Ausschreibung erfolgte in einzelnen Losen. Insgesamt wurden für das Feuerwehrfahrzeug der Klägerin fünf Unternehmen zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert. Der Beklagte widerrief im September 2015 gegenüber der Klägerin den Bewilligungsbescheid und forderte die Erstattung der Zuwendung zuzüglich Zinsen. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Die Klägerin habe eine mit dem Bewilligungsbescheid verbundene Auflage, nämlich die Einhaltung der Vorschriften des Vergaberechts, nicht erfüllt. Nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin gegen den Rückforderungsbescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchbescheides Klage beim hiesigen Verwaltungsgericht erhoben.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Mit dem Bewilligungsbescheid war eine Auflage nach § 107 Abs. 2 Nr. 4 LVwG verbunden, d.h. einer Bestimmung, durch die der Gemeinde ein Tun, nämlich die Einhaltung der Vorschriften des Vergaberechts, vorgeschrieben wurde.

Ob der Zuwendungsempfänger die Vorschriften des Vergaberechts eingehalten hat, lässt sich nur im Rahmen einer Überprüfung des Vergabeverfahrens feststellen.

Die Klägerin hat gegen Vorschriften des Vergaberechts verstoßen. Der Auftrag für die Beschaffung des Feuerlöschfahrzeugs hätte im Wege einer öffentlichen Ausschreibung vergeben werden müssen. Die Durchführung einer beschränkten Ausschreibung bzw. eine freihändige Vergabe waren unzulässig. Zwar kann eine beschränkte Ausschreibung stattfinden, wenn die Leistung nach ihrer Eigenart nur von einem beschränkten Kreis von Unternehmen in geeigneter Weise ausgeführt werden kann, besonders wenn außergewöhnliche Fachkunde oder Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit erforderlich sind. Dass nur zwei Unternehmen bei dem Fahrgestell und nur drei Firmen den beim Fahrzeugaufbau gewünschten technischen Standard erfüllen konnten, wie die Klägerin in ihrem nach der Ausschreibung erstellten Vermerk ausgeführt hat, ist nicht belegt. Insbesondere fehlt es an der grundsätzlich erforderlichen Erkundung des Bewerberkreises, die aktenkundig zu machen gewesen wäre. Die fehlende Dokumentation geht zu Lasten der Klägerin als Auftraggeberin. Die Dokumentation stellt eine wesentliche Verfahrenspflicht des öffentlichen Auftraggebers dar, ohne deren ordnungsgemäße Erfüllung weder eine effektive Kontrolle der im Vergabeverfahren getroffenen Entscheidungen noch der den Bietern gewährleistete Primärrechtsschutz sicherzustellen sind und zudem Manipulationen an der Ausschreibung und am Ergebnis ermöglicht werden.

Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe das Angebot im Wege der freihändigen Vergabe erteilen dürfen, muss sie sich auch entgegenhalten lassen, dass sie in ihrem Vergabevermerk angegeben hat, die Beschaffung des Fahrzeugs im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung vorgenommen zu haben. Von einer freihändigen Vergabe war dort mit keinem Wort die Rede. Ein unzulässiges Vergabeverfahren kann nicht im Nachhinein damit gerechtfertigt werden, dass auch eine andere Vergabeart zulässig gewesen wäre. Zumindest wäre auch insoweit zu verlangen gewesen, die Gründe für das Absehen von einer beschränkten Ausschreibung zugunsten einer freihändigen Vergabe aktenkundig zu machen, um Manipulationen am Vergabeverfahren zu verhindern. Daran fehlt es hier.

Dass hier die Voraussetzungen der eng auszulegenden Ausnahmebestimmungen zur Anwendung der beschränkten Ausschreibung bzw. der freihändigen Vergabe vorlagen, die im Übrigen vor der Vergabe hätten aktenkundig gemacht werden müssen, konnte die Klägerin nicht belegen, obwohl ihr dafür die Beweislast obliegt. Indem die Klägerin zwecks Beschaffung eines Feuerwehrlöschfahrzeugs statt der gebotenen öffentlichen Ausschreibung eine beschränkte Ausschreibung durchführte, verstieß sie somit gegen vergaberechtliche Vorschriften, zu deren Einhaltung sie verpflichtet war. Allein die fehlerhafte Wahl des Vergabeverfahrens rechtfertigt als schwerer Vergabeverstoß bereits im Regelfall den Widerruf einer Zuwendung, ohne dass der Zuwendungsgeber verpflichtet ist, einen zusätzlichen Verstoß gegen das Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung zu belegen, was im Übrigen praktisch auch kaum durchführbar wäre. Vielmehr indiziert die Missachtung des Vergaberechts, das auch die Wirtschaftlichkeit der Auftragsvergabe sicherstellen soll, die Unwirtschaftlichkeit!

Ist eine ermessenseinräumende Vorschrift dahin auszulegen, dass sie für den Regelfall von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne ausgeht (sog. gelenktes bzw. intendiertes Ermessen), so müssen besondere Gründe vorliegen, um eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst und bedarf keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung. Im Zuwendungsrecht ist anerkannt, dass die haushaltsrechtlichen Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei Vorliegen von Widerrufsgründen im Regelfall zum Widerruf einer Zuwendung zwingen, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen. Diese Haushaltsgrundsätze überwiegen im Allgemeinen das Interesse des Begünstigten, den Zuschuss behalten zu dürfen, und verbieten einen großzügigen Verzicht auf den Widerruf von Subventionen.

Ein nur teilweiser Widerruf der Zuwendung lässt sich auch nicht mit dem Hinweis auf die Leitlinien zur Festsetzung von Finanzkorrekturen, die bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auf von der EU im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung finanzierte Ausgaben anzuwenden sind, rechtfertigen. Wurde eine Auftragsbekanntmachung nicht veröffentlicht, beträgt der Berichtigungssatz auch nach den Leitlinien 100%.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schleswig Feuerwehrlöschfahrzeug II ist richtig und knüpft in ihrer Ausprägung an die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg Feuerwehrlöschfahrzeug I vom 23.02.2016 Az. 3 K 15.1070 [Vergabeblog.de vom 07/04/2016, Nr. 25371] nahtlos an:

Bei Verstößen gegen vergaberechtliche Bestimmungen droht im Zuwendungsverhältnis die Rückforderung von zugewandten Mitteln (bis zur Höhe von 100%) zuzüglich nicht unbeträchtlicher Zinsforderungen. Ein Ermessen des Zuwendungsgebers (auf die Rückforderung zu verzichten) besteht hier grundsätzlich nicht!

Vorliegend veranschaulicht der seitens des Gerichts dargestellte Sachverhalt sehr eindrücklich mit welchem argumentativen Aufwand die Klägerin versucht hat, ihr Vorgehen nachträglich vergaberechtlich zu rechtfertigen. Dabei lassen sich einige der vorgebrachten Erwägungen, welche bei dieser Entscheidungsbesprechung nicht thematisiert werden können, durchaus hören. In der Sache überzeugten die Ausführungen allerdings weder den Zuwendungsgeber, noch das Gericht. Zu Recht!

Der Vorrang der öffentlichen Ausschreibung vor allen anderen Vergabearten ohne öffentliche Bekanntmachung verfolgt den Zweck, einen möglichst breiten und transparenten Wettbewerb zu schaffen und damit sicherzustellen, dass der im Sinne der Ausschreibung günstigste Anbieter den Zuschlag erhält. Zuwendungen der öffentlichen Hand werden regelmäßig mit einer Verpflichtung des Zuwendungsempfängers zur Einhaltung dieser Bestimmung verbunden, weil (nur) auf diesem Wege gewährleistet werden kann, dass bei der Verwendung der Zuwendungen das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eingehalten wird. Ausgehend davon liegt es nahe, einen Verstoß gegen die Bestimmungen über die Vergabeart wegen der damit regelmäßig verbundenen Gefährdung der genannten Haushaltsgrundsätze im Regelfall als schwerwiegend einzuordnen.

Da es vorliegend darüber hinaus an einer hinreichenden Markterkundung fehlte, wäre es nach Ansicht des Gerichts durchaus denkbar gewesen, dass auch andere im Vergabevermerk nicht genannte Unternehmen den gewünschten Fahrzeugaufbau zu einem besonders günstigen Preis hätten anbieten können. Da eine Markterkundung nur in ganz besonderen Fällen eine Produktvorgabe rechtfertigen kann [siehe Vergabeblog.de vom 25/06/2015, Nr. 22831 zur Entscheidung der VK Bund vom 10.06.2015 Az. VK 1-40/15], taugt diese auch nur in ganz bestimmten Einzelfällen zur Rechtfertigung eines Verfahrens ohne öffentliche Bekanntmachung. Des Weiteren setzt dies voraus, dass die Dokumentation der Entscheidung im Vorfeld der Vergabe erfolgt. Ob die erforderliche Dokumentation nachgeholt werden kann, wie die Klägerin im Verfahren meinte, konnte das Gericht dahinstehen lassen, da bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens keine solche Nachholung in ausreichendem Maße erfolgte.

Praxistipp

Das Augenmerk und die Bedeutung des Vergaberechts im Zuwendungsverhältnis nimmt stetig zu. Es kann nicht überbetont werden. Jeder Zuwendungsempfänger ist gezwungen, der Einhaltung der vergaberechtlichen Anforderungen bei der Mittelverwendung höchste Priorität beizumessen. Dies gilt auch dann, wenn er selbst öffentlicher Auftraggeber ist. Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) wird in Zukunft daran nichts ändern. Ganz im Gegenteil: Die Pflichten des Zuwendungsempfängers, mithin des Auftraggebers im Vergabeverhältnis, werden dadurch noch zunehmen!

Die im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung anstehende objektive Rechtmäßigkeitskontrolle kann nur erfolgreich, mithin ohne Rückforderung, bestanden werden, wenn die Grundregeln (öffentliche Bekanntmachung, Aufteilung in Lose, Verzicht auf Produktvergabe, Ausschluss von fehlerhaften Angeboten etc.) eingehalten oder aber Ausnahmen hierzu sehr gut (!) anhand der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls (!) rechtzeitig im Vorfeld der Vergabe dokumentiert (!) werden. Den Zuwendungsempfänger trifft insofern eine Holschuld. Etwaige vergaberechtliche Problemstellungen und Unklarheiten muss er durch Beiziehung externen Sachverstands und/ oder durch Nachfrage beim Zuwendungsgeber aufklären [Vergabeblog.de vom 07/04/2016, Nr. 25371].

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Über Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG

Der Autor Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG, ist Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Wirtschaftskanzlei LEXTON Rechtsanwälte in Berlin. Er berät seit über 20 Jahren öffentliche Auftraggeber und Bieterunternehmen umfassend bei allen vergabe-, zuwendungs-, haushalts- und preisrechtlichen Fragestellungen. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit veröffentlicht er regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.

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