Angebote ohne Hersteller- und Fabrikatsangaben sind keine zuschlagsfähigen Angebote und sie dürfen auch durch Nachforderungen nicht zuschlagsfähig gemacht werden.
Der Umgang mit vom Auftraggeber ordnungsgemäß in den Vergabeunterlagen geforderten Hersteller- und Fabrikatsangaben ist in der vergaberechtlichen Rechtsprechung umstritten. Einige Nachprüfungsinstanzen sehen in diesen Angaben wesentliche Vertragsbestandteile, deren Fehlen zwangsläufig zum Ausschluss eines Angebots wegen Änderung der Vergabeunterlagen führen müsse. Der Ausschluss könne auch nicht durch eine Nachforderung der Angaben umgangen werden, denn die Hersteller- und Fabrikatsangaben seien einer Nachforderung nicht zugänglich. Andere Nachprüfungsinstanzen sehen dies grundsätzlich anders und ermöglichen in solchen Fällen die Nachforderung. Ein Ausschluss befürworten sie nur, wenn auch nach einer Nachforderung die geforderten Angaben nicht gemacht werden. Ersterer Position schließt sich in der vorliegenden Entscheidung nunmehr auch die VK Westfalen an.
§ 56 Abs. 2 und 3 VgV, § 16a EU VOB/A, § 16a VOB/A
Im Rahmen einer IT-Hardware-Ausschreibung (Lieferung, Installation und Inbetriebnahme zweier Tape-Libraries) forderte der öffentliche Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung die Benennung der jeweiligen Hersteller der für die Auftragsausführung vorgesehenen Fabrikate. Anhand des Herstellers war für den der öffentliche Auftraggeber das genaue Fabrikat ersichtlich. Das Angebot der Antragstellerin enthielt keine diesbezüglichen Angaben. Auch in Ermangelung dieser Angaben konnte es sich im Wettbewerb mit den anderen Angeboten nicht durchsetzen. Der öffentliche Auftraggeber erteilte den Zuschlag an ein anderes Unternehmen.
Das Angebot des Antragstellers ist insbesondere wegen der fehlenden Hersteller-/Fabrikatsangaben zwingend wegen Änderung der Ausschreibungsunterlagen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV von der Wertung auszuschließen. Die Benennung des Herstellers/Fabrikats ist von elementarer Bedeutung für den abzuschließenden Vertrag. Nur durch diese Angaben wird der öffentliche Auftraggeber in die Lage versetzt zu prüfen, ob das Angebot den Vorgaben der Leistungsbeschreibung entspricht. Ohne diese Angaben bleibt offen, welche Leistungen angeboten werden, sodass das Angebot nahezu inhaltsleer ist. Im Ergebnis liegt ohne die erforderliche Angabe des Herstellers/Fabrikats gar kein zuschlagsfähiges Angebot vor.
Das Angebot kann auch nicht durch eine Nachforderung der Hersteller-/Fabrikatsangabe nach § 56 Abs. 2 S. 1, 2. HS VgV zuschlagsfähig gemacht werden. Die Nachforderung nach dieser Vorschrift ist ausgeschlossen. Diese Nachforderungsmöglichkeit gestattet nur die Nachforderung von solchen leistungsbezogenen Unterlagen, die den Inhalt der angebotenen Leistung nachträglich nachweisen und belegen. Die Vorschrift gestattet keine Nachforderung von Unterlagen, die die angebotene Leistung erstmalig festlegen. Die Nachforderung ist darüber hinaus auch aufgrund des § 56 Abs. 3 S. 1 VgV ausgeschlossen. Der Hersteller und das Modell des angebotenen Fabrikats haben auf die Wirtschaftlichkeitsbewertung des Angebots anhand der Zuschlagskriterien wesentlichen Einfluss. Eine Nachforderung solcher Angaben würde – in vergaberechtlich unzulässiger Weise – eine nachträgliche Änderung des Angebotsinhalts ermöglichen. Ein Angebot ohne die erforderliche Hersteller-/Fabrikatsangabe muss daher zwingend ausgeschlossen werden.
Die Entscheidung der VK Westfalen ist auf den ersten Blick streng formalistisch. Für sie spricht aber, dass der Leistungsgegenstand zivilrechtlich zu den „essentialia negotii“ des rechtsgeschäftlichen Vertrages gehört. Durch die genaue Benennung dieses Leistungsgegenstands anhand der Hersteller-/Fabrikatsangabe wird der Vertragsinhalt bestimmen und der Vertrag gegenüber anderen Verträgen in hinreichender Weise abgegrenzt. Die Hersteller-/Fabrikatsangabe ist somit von integraler Bedeutung für den Vertragsinhalt. Aus diesem Grund haben sich auch die VK Thüringen (VK Thüringen, Beschl. v. 12.04.2013 – 250-4002-2400/2013-E-008-SOK) und die VK Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23.12.2016 – 3 VK LSA 53/16 gegen eine Nachforderungsmöglichkeit dieser Angaben und für den zwingenden Ausschluss dieser Angebote entschieden.
Allerdings sollte diese zivilrechtliche Argumentation im Vergaberecht nicht überspannt werden. In Fällen, in denen der Hersteller bzw. das Fabrikat keinen oder keinen (wesentlichen) Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Angebotes hat und die fehlende Angabe sich in ihrer Auswirkung auf den Wettbewerb im jeweiligen Vergabeverfahren wie das Fehlen einer formellen Vorgabe der Vergabeunterlagen auswirkt, sollte die Nachforderung gestattet werden, vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 17.01.2014 – Verg 7/13. In solchen Fällen wäre ein Ausschluss, trotz eines im Übrigen ordnungsgemäßen und wirtschaftlichen Angebots, mit dem Verhältnismäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitsgrundsatz des § 97 Abs. 1 GWB schwer vereinbar. Bei der Frage des Ausschlusses und der Nachforderung sollte daher nicht schematisch, sondern einzelfallabhängig unter Beachtung des vergaberechtlich gebotenen Augenmaßes geurteilt werden.
Praxistipp
Gegenwärtig ist eine abschließende Klärung dieser Frage in der Rechtsprechung nicht ersichtlich.Vor dem Hintergrund der Risiken dieser divergierenden Rechtsprechung, müssen Bieter die Vergabeunterlagen genauestens studieren, erforderliche Herstellerangaben identifizieren und die geforderten Angaben eintragen. Taktische Überlegungen und eine Geheimhaltung der Hersteller und Fabrikate sind – zumindest in diesem Punkt – vergaberechtlich nicht ratsam.
Öffentliche Auftraggeber sollten mit der Rechtsprechung vertraut und bereit sein, die divergierenden Grundsätze in ihrem Beschaffungsvorhaben anzuwenden und eine vergaberechtlich vertretbare Lösung zu wählen. Hierbei sollten sie das gebotene Augenmaß berücksichtigen.
Anes Kafedžić ist Rechtsanwalt bei LANGWIESER RECHTSANWÄLTE Partnerschaft mbB. Das Tätigkeitsspektrum von Herrn Kafedžić umfasst die gesamte Bandbreite des Vergaberechts. Im Rahmen dessen berät er seine Mandanten bei der Vorbereitung und Durchführung von Ausschreibungen sowie bei der Erstellung von Angeboten. Darüber hinaus übernimmt er die Vertretung seiner Mandanten in vergaberechtlichen Rechtschutzverfahren sowie bei der Durchsetzung und Abwehr von Ansprüchen vergaberechtlichen Ursprungs, z.B. Schadensersatz- und Akteneinsichtsansprüche.
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