Nicht immer ist Auftraggebern ein günstigster Angebotspreis wichtig. Oft genug reicht ihnen ein Angebot, das schlicht nicht überteuert ist, dafür aber eine ordentliche Leistung erwarten lässt. Wie eine aktuelle Entscheidung der Vergabekammer Sachsen zeigt, ist die so genannte Mittelwertmethode dabei aber nicht zu empfehlen!
GWB § 97 Abs. 1; VgV § 58 Abs. 3
Bei Verwendung der Mittelwertmethode werden im Kriterium Preis Aspekte berücksichtigt, die nichts mit dem Preis an sich, sondern der Qualität des Angebots zu tun haben. Damit fließen in die preisliche Wertung auch qualitative Kriterien mit ein und es kommt zu einer Vermischung von nicht preisbezogenen Kriterien mit der Preiswertung. Soweit ein Auftraggeber aufgrund der Besonderheiten der ausgeschriebenen Leistung qualitative Kriterien als wichtiger als den Preis erachtet, kann und sollte er dies im Wege der Gewichtung der Zuschlagskriterien sicherstellen.
Bei der Ausschreibung von Ingenieurleistungen bestimmte der Auftraggeber als Zuschlagskriterium u.a. das angebotene Pauschalhonorar für frei vereinbare Leistungen. Die beste Bewertung sollte in diesem Kriterium dabei dasjenige Angebot erhalten, welches am wenigsten vom Mittelwert aller angebotenen Pauschalhonorare abwich.
Das Bewertungssystem litt im Übrigen an vielen Fehlern, so dass der Nachprüfungsantrag eines unterlegenen Bieters schon aus anderen Gründen erfolgreich war. Die Vergabekammer Sachsen wies jedoch auch über die gerügten Mängel hinaus darauf hin, dass die vorgesehene Mittelwertmethode vergaberechtlich bedenklich sei. Sie könne nämlich dazu führen, dass ein sehr günstiges Angebot schlechter bewertet werde als ein leicht über dem Durchschnitt liegendes, teures Angebot. Insbesondere bei Planungsleistungen im Anwendungsbereich der HOAI sei aber der Preiswettbewerb ohnehin schon eingeschränkt. Durch ein solches Wertungssystem werde den Bietern faktisch der Anreiz zu einem möglichst preisgünstigen Angebot genommen.
Auch dürfe die Mittelwertmethode nicht dazu genutzt werden, Aspekte der Qualität in der Preiswertung unzulässig noch einmal zu berücksichtigen. Wenn dem Auftraggeber die Qualität besonders wichtig ist, könne er dieses Kriterium höher gewichten. Schließlich eigne sich die Methode auch nicht als Schutz vor Dumpingangeboten dazu sei eigens die Auskömmlichkeitsprüfung vorgesehen.
Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung einer Bewertungsmethode gilt: der Zuschlag muss gemäß § 127 Abs. 1 GWB auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden. Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich dabei aber nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Bewertung muss also darauf abzielen, dass der für die angebotene Leistung geforderte Preis möglichst gut ist, nicht möglichst durchschnittlich. Es geht darum, sich von konkurrierenden Angeboten möglichst positiv abzuheben, und nicht, ihnen möglichst zu entsprechen.
Nicht zu verwechseln ist die Mittelwertmethode dabei mit der erweiterten Richtwertmethode bzw Medianmethode nach UFAB (vgl. zur Zulässigkeit VK Baden-Württemberg vom 31.01.2017, Az. 1 VK 2/17).
Die Vergabekammer stützt sich unter anderem auch auf eine Entscheidung der EU- Kommission vom 30. Juni 2010. In einem vergaberechtlichen Leitfaden für ESF-geförderte Projekte aus dem Jahr 2015 bekräftigt die EU-Kommission ihre ablehnende Haltung zur Mittelwertmethode noch einmal und rechnet diese sogar zu den häufigen Fehlern in einem Vergabeverfahren (vgl. EU-Kommission, Öffentlichen Auftragsvergabe praktischer Leitfaden, 2015, Seite 76, abrufbar unter diesem Link.
Auch die Vergabekammer des Bundes bezweifelte bereits im Jahr 2013 die vergaberechtliche Zulässigkeit der so genannten Mittelwertmethode. Kurioserweise sollte dabei im damals entschiedenen Fall nicht einmal das durchschnittliche Honorarangebot die maximale Punktzahl erhalten. Vielmehr sollte das Honorar am besten bewertet werden, welches bei 90% des ermittelten Durchschnittspreises aus allen Angeboten lag diesen Durchschnittspreis also um 10% unterschritt. Insoweit gab es im damaligen Fall also schon einen Anreiz für einen wenn auch möglicherweise nur geringfügig – unterdurchschnittlichen Angebotspreis.
Spätestens nach dieser Entscheidung ist öffentlichen Auftraggebern von der Mittelwertmethode dringend abzuraten! Vor Dumpingpreisen schützt die Mittelwertmethode ohnehin gerade dort nicht, wo Billigangebote üblich sind und damit für einen (zu) niedrigen Durchschnittspreis sorgen. Hier gibt es andere, wirksamere Möglichkeiten, wie beispielsweise verbindliche Kalkulationsvorgaben (s. auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 08.09.2011 Verg 80/11, Härtere Zeiten für Dumping-Angebote? in Vergabeblog.de vom 06/12/2011, Nr. 11489). Insbesondere in Bereichen, in denen Honorar- und Gebührenordnungen den Preiswettbewerb begrenzen, ermöglicht es § 58 Abs. 2 Satz 3 VgV überdies nunmehr, einen Festpreis vorzugeben und das wirtschaftlichste Angebot allein anhand von qualitativen Merkmalen zu bestimmen (ebenso: § 16d EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A). Wem dies zu weit geht, der kann aber auch qualitative Zuschlagskriterien einfach besonders hoch gewichten.
Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.
Der Beitrag zitiert die Entscheidung nicht korrekt. Es handelt sich um den Beschluss der VK Sachsen vom 10.04.2017 mit selbem Az.
Außerdem sind Beitrag, aber auch schon die zugrundeliegende Entscheidung etwas irreführend. Die dort behandelte „Mittelwertmethode“ hat offensichtlich nichts mit der in der UfAB (IV) behandelten zu tun. Sie hat auch nichts mit Preis-in-Preispunkte-Umrechnungsmethoden zu tun, die auf den Mittelwert aller eingegangenen Angebote abstellen, dann teurere Angebote sanktionieren, aber eben auch günstigere belohnen. Dass hingegen ein Verfahren, welches Angebote mit Punktabzügen bestraft, weil sie günstiger sind als der Mittelwert, mit dem Wirtschaftlichkeitsprinzip in Widerspruch steht, liegt auf der Hand.
Die typischerweise als „Mittelwertmethode“ bezeichnete Bewertungsmethode aus der UfAB krankt insbesondere daran, dass die ermittelten Zuschlagszahlen anfällig sind für Ausreißerangebote, welche den Mittelwert der Leistungspunkte oder Preise und damit das Gesamtranking verzerren können. Darum rät die UfAB von dieser ab und empfiehlt die weniger anfällige Medianmethode.
P.S.: UfAB VI, nicht IV, war gemeint.
Vielen Dank für den Hinweis, wir haben den Tippfehler beim Entscheidungsdatum korrigiert.