Die vom Auftraggeber geforderten Eignungskriterien und die entsprechenden Nachweise müssen in der Auftragsbekanntmachung allen Bietern bekannt gegeben werden. Dies kann auch in einem elektronisch zugänglichen Bekanntmachungstext mittels eines Links geschehen. Allerdings müssen die Unterlagen dann mittels dieses Links direkt erreichbar sein.
§ 122 Abs. 4 GWB; § 12 Abs. 3 Nr. 2 EU VOB/A; § 16 b EU VOB/A;
Leitsatz
Sachverhalt
Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Bauleistungen zur Errichtung eines Klärwerks im Wege des offenen Verfahrens europaweit nach der EU VOB/A ausgeschrieben. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis.
Bieter A gab ein Angebot ab und war nach Wertung der Angebote als wirtschaftlichster Bieter an 1. Stelle. Der AG forderte darauf Unterlagen bei A nach, die A dem AG übermittelte. Mit Schreiben vom 02.01.2018 schloss der AG das Angebot des A aus, u.a. mit dem Hinweis, dass A seine Fachkunde nicht nachgewiesen habe. Alle Stahlbetonbauwerke seien wasserundurchlässig herzustellen. A habe dafür jedoch keine Referenzen nachweisen können. Dem widersprach A mit seiner Rüge. Es seien keine Referenzen nachgefordert worden. Zudem könne er ohne weiteres zahlreiche Referenzen für Bauwerke aus WU-Beton benennen. A beantragte darauf Nachprüfung bei der Vergabekammer (VK).
Die Entscheidung
Die VK gibt hier dem Bieter A Recht. Ein Ausschluss des Angebots der Antragstellerin wegen fehlender Referenzen ist vergaberechtswidrig. Die Forderung von Referenzen (Bauwerke aus WU-Beton) ist nicht ausreichend bekannt gemacht worden und kann somit keinen Ausschluss eines Angebots rechtfertigen.
Rechtliche Würdigung
Der Auftraggeber muss die Eignungskriterien und die geforderten Nachweise den potentiellen Bietern im Voraus bekannt geben, § 12 Abs. 3 Nr. 2 EU VOB/A i.V.m. Anhang V Teil C Nr. 11 Ziff. c) der Richtlinie 2014/24/EU. Bekannt geben heißt, die einzelnen Eignungskriterien und die Mittel zu deren Nachweis ausdrücklich zu bezeichnen. Das Mitteilungsmedium ist in der Regel die Auftragsbekanntmachung. Es genügt nicht, in der Bekanntmachung auf ein später in den Vergabeunterlagen zu findendes Formblatt hinzuweisen. Ausreichend ist es hierbei, wenn sich in einem online zugänglichen Bekanntmachungstext ein Link befindet, über den man ohne weiteres das Formblatt mit den geforderten Eignungskriterien und Nachweisen öffnen und ausdrucken kann. Nicht ausreichend ist es, wenn in der Bekanntmachung auf die Vergabeunterlagen verwiesen wird, die unmittelbar online zugänglich sind. Der Sinn und Zweck von Regelungen wie § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und § 12 Abs. 3 Nr. 2 EU VOB/A i.V.m. Anhang V Teil C Nr. 11 Ziff. c) der Richtlinie 2014/24/EU besteht darin, dass jedes in- und ausländische Unternehmen auf einen Blick erkennen kann, ob es als potentiell geeigneter Wettbewerbsteilnehmer in Betracht kommt oder ob es sich eine Befassung mit den Vergabeunterlagen von vornherein ersparen kann.
Hier hat der AG in seiner Bekanntmachung unter Ziffer III.1.2 auf die Ausschreibungsunterlagen und in diesen – unter 04 – auf die Leistungsbeschreibung verwiesen. Erst dort kommt man unter Anklicken der Ziffer 04 auf eine Datei, die u.a. das Formblatt 124 mit folgenden gedruckten Angaben an den Bieter enthält:
Ich erkläre, dass ich in den letzten 3 bzw. 5 Jahren vergleichbare Leistungen ausgeführt habe. Falls mein Angebot in die engere Wahl kommt, werde ich für 3 Referenzen je eine Referenzbescheinigung mit Angaben in Anlehnung an das Formblatt 444 (Link) vorlegen.
Es ist somit vorliegend gerade nicht gewährleistet, dass der Bieter über den Link aus dem Bekanntmachungstext ohne weiteres das Formblatt mit den geforderten Eignungskriterien und Nachweisen öffnen und ausdrucken kann. Der Bieter kann nicht auf einen Blick erkennen, ob er als potentiell geeigneter Wettbewerbsteilnehmer in Betracht kommt.
Nach § 16b EU VOB/A überprüft der Auftraggeber die Eignung der Bieter anhand der vorgelegten Nachweise. Hat der Auftraggeber dazu aber nichts festgelegt, fehlt auch die Grundlage für eine Eignungsprüfung. Mangels Festlegung der Eignungskriterien in der Bekanntmachung, scheidet ein Ausschluss des Angebots des A aufgrund fehlender Nachweise über die Referenzen aus. Die Referenzen sind nicht wirksam gefordert worden.
Im Übrigen hat der Auftraggeber auch in den Vergabeunterlagen nicht explizit Referenzen für Leistungen mit wasserundurchlässigem Beton gefordert. In der mündlichen Verhandlung trägt er vor, dass es genüge, vergleichbare Referenzen von den Bietern zu fordern. Vergleichbar seien vorliegend nur Referenzen, die sich auf Bauwerke mit wasserundurchlässigem Beton beziehen. Ob der Auftraggeber tatsächlich nur Referenzleistungen mit wasserundurchlässigem Beton werten darf, obwohl er dies nicht explizit gefordert hat, ist vorliegend mangels ausreichender Bekanntmachung der Referenzanforderung aber nicht mehr entscheidungserheblich.
Praxistipp
Wie die Entscheidung u.a. zeigt, ist nach wie vor umstritten, wie die Kriterien und Nachweise zur Eignungsprüfung ordnungsgemäß bekanntgegeben werden.
§ 122 Abs. 4, Satz 2 GWB bestimmt dazu eindeutig, dass die Eignungskriterien (ausschließlich) in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen sind.
In der vergaberechtlichen Rechtsprechung wird dagegen teilweise eine Verlinkung in der Bekanntmachung auf die Auftragsunterlagen, welche die Eignungskriterien enthalten, als ausreichend angesehen (z.B. VK Südbayern, B. v. 16.10.2017 Z3-3-3194-1-30-06/17). Begründet wird dies damit, dass das EU- Standardformular Auftragsbekanntmachung ausdrücklich einen Verweis auf die Auftragsunterlagen vorsieht. Folgt man dieser Ansicht, ist jedoch zwingend zu beachten, dass mit Anklicken des Links in der Bekanntmachung tatsächlich alle Eignungskriterien sowie die Informationen zum Nachweis der Eignung uneingeschränkt, vollständig und direkt abrufbar sein müssen. Ein dort aufzufindender weiterer Verweis auf Formblätter etc. ist daher unzulässig.
Aber auch zu dieser Verlinkung gibt es Gegenmeinungen, die fordern, dass die Eignungskriterien einschließlich der Mindestanforderungen ausschließlich und abschließend in der Bekanntmachung angegeben werden müssen (z.B. VK Bund, B. v.18.09.2017 VK 2-96/17). Vor diesem Hintergrund ist Auftraggebern daher eher zur Vorsicht und zur strikten Beachtung des § 122 Abs. 4 GWB zu raten.
Michael Werner ist Rechtsanwalt und bei der DEGES GmbH in Berlin tätig. Herr Werner ist Experte im deutschen und europäischen Vergaberecht sowie im Bauvertragsrecht. Vor seiner anwaltlichen Tätigkeit war Herr Werner langjähriger Leiter der Rechtsabteilung des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie e.V. und Mitglied im Deutschen Vergabe - und Vertragsausschuss des Bundes (DVA).
Die Forderung in § 122 Abs. 4 GWB („Eignungskriterien […] sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen.“) ist insofern nicht in allen Verfahren erfüllbar, als Eignungskriterien manchmal die Zeichengrenze des TED-Formulars sprengen. Dies ist Resultat der Entscheidungspraxis diverser Vergabenachprüfungsinstanzen, die aus Transparenzgründen teilweise genaue Definitionen verlangen.
Ob die Forderung, „dass die Eignungskriterien einschließlich der Mindestanforderungen ausschließlich und abschließend in der Bekanntmachung angegeben werden müssen.“ so sinnvoll ist, kann man anzweifeln. Es muss – gerade aus Transparenzgründen – möglich sein, umfangreichere Definitionen von Eignungskriterien in Dokumenten außerhalb der zeichenbegrenzten TED-Plattform bekanntzugeben. Ob man dafür nun ein oder zwei Klicks benötigt, kann kein Entscheidungskriterium sein.
Argument: Wenn lapidar „vergleichbare“ Referenzen gefordert werden (und dabei wie so oft die Parameter für die „Vergleichbarkeit“ nicht genau beschrieben werden) hat der gewissenhafte Bieter noch viel mehr Arbeit als bei einer Auslagerung der Kriterienbeschreibung über TED hinaus: Er muss schlussendlich einen erheblichen Teil der Vergabeunterlagen durchsehen, um überhaupt erkennen zu können, was mit welchen Rahmenbedingungen beschafft werden soll und was damit „vergleichbar“ ist.
Ein Formular ist ein Hilfsmittel zur Umsetzung des Recht und weder dazu gedacht noch geeignet, geltendes Recht zu ändern. Wenn Recht und Formular nicht zusammen passen, ist das Formular fehlerhaft und muss geändert werden.