Die EU-Kommission hat vergangenen Mittwoch ihre Strategie für ein digitales Europa vorgestellt und dabei ihre europäische Datenstrategie und politische Optionen für die Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) konkretisiert. „Ich will, dass dieses digitale Europa das Beste widerspiegelt, das Europa zu bieten hat – Offenheit, Fairness, Vielfalt, Demokratie und Vertrauen“, sagte Präsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel. Die Strategie decke alles von der Cybersicherheit über kritische Infrastrukturen, digitale Bildung und Kompetenzen bis hin zu Demokratie und Medien ab.
Das Weißbuch zur künstlichen Intelligenz steht nun bis zum 19. Mai 2020 zur öffentlichen Konsultation. Ebenso bittet die Kommission um Stellungnahmen zu ihrer Datenstrategie.
„Wir wollen, dass alle Bürger, alle Arbeitnehmer, alle Unternehmer eine faire Chance haben, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen“, sagte die Exekutiv-Vizepräsidentin für ein Europa für das digitale Zeitalter, Margrethe Vestager. „Egal, ob es darum geht, das Autofahren sicherer oder durch vernetzte Fahrzeuge weniger umweltschädlich zu machen, oder sogar darum, Leben mit KI-gestützten medizinischen Bildgebungsverfahren zu retten, die es Ärzten ermöglichen, Krankheiten früher denn je zu erkennen.“
Der für den Binnenmarkt zuständige EU-Kommissar Thierry Breton sagte: „Unsere Gesellschaft erzeugt massenweise industrielle und öffentliche Daten, die die Art und Weise, wie wir produzieren, verbrauchen und leben, verändern werden. Ich möchte, dass europäische Unternehmen und unsere vielen KMU auf diese Daten zugreifen und daraus einen Mehrwert für die Europäer schaffen können – auch durch die Entwicklung von Anwendungen der künstlichen Intelligenz. Europa verfügt über alles, was es braucht, um beim Rennen um „Big Data“ die Nase vorn zu haben und seine technologische Unabhängigkeit, seine führende Rolle in der Industrie und seine wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zum Nutzen der europäischen Verbraucher zu erhalten.“
Die Strategie soll Europa in die Lage versetzen, modernste digitale Technik einzuführen und seine Cybersicherheitskapazitäten zu stärken. Europa soll seine offene, demokratische und nachhaltige Gesellschaft bewahren – digitale Werkzeuge können diesen Grundsätzen dienen. Die Europäische Union wird demnach ihren eigenen Weg zu einer weltweit wettbewerbsfähigen, auf Werten beruhenden und inklusiven digitalen Wirtschaft und Gesellschaft finden, dabei aber ein offener, aber auf Regeln beruhender Markt bleiben und weiterhin eng mit seinen internationalen Partnern zusammenarbeiten.
Finanzierung der Vorschläge zu KI und Datenstrategie im neuen EU-Haushalt
Die erforderlichen Investitionen sollen aus dem Programm für das Digitale Europa, der Connecting Europe Facility 2 und dem Forschungsprogramm Horizon Europe im neuen EU-Haushalt bereitgestellt werden. Für Horizon Europe hat die Kommission vorgeschlagen, 15 Mrd. Euro in Digitales, Industrie und Raumfahrt zu investieren, wobei KI einer der wichtigsten zu fördernden Bereiche sein wird. Im Rahmen des Programms für das Digitale Europa will die Europäische Kommission rund 2,5 Mrd. Euro in die Einführung von Datenplattformen und KI-Anwendungen investieren. Davon könnten 2 Mrd. Euro in ein europäisches Projekt zu europäischen Datenräumen, einschließlich vertrauenswürdiger und energieeffizienter Datenaustausch- und Cloud-Infrastrukturen, investiert werden.
Digitalisierung und Green Deal – Server sollen bis 2030 klimaneutral werden
Digitale Technologien sind eine entscheidende Voraussetzung für den Green Deal, die neue Wachstumsstrategie der EU, die darauf abzielt, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent der Welt zu werden. So können sie beispielsweise die Energieeffizienz erhöhen, indem sie verfolgen, wann und wo Strom am meisten benötigt wird. Durch intelligentes Heizen könnten wir das Äquivalent von 6 Millionen Tonnen Öl einsparen, und die Landwirte können dank Daten und künstlicher Intelligenz weniger Pestizide und Düngemittel einsetzen. Damit die Digitalisierung jedoch ihre Vorteile entfalten kann, muss der IKT-Sektor seine eigene grüne Transformation durchlaufen. Rechenzentren und Telekommunikation müssen energieeffizienter werden, mehr erneuerbare Quellen nutzen und sollten bis 2030 klimaneutral werden.
Europa als Vorreiter für eine vertrauenswürdige künstliche Intelligenz
In ihrem heute vorgelegten Weißbuch Künstliche Intelligenz stellt die Kommission ihren Vorschlag für einen Rahmen für vertrauenswürdige künstliche Intelligenz zur Diskussion, der auf Exzellenz und Vertrauen beruht. Der private und der öffentliche Sektor sollen gemeinsam Ressourcen entlang der gesamten Wertschöpfungskette mobilisieren und die richtigen Anreize schaffen, damit auch kleine und mittlere Unternehmen KI-Lösungen schneller nutzen.
Dies schließt auch die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der Forschungsgemeinschaft ein, um Talente zu gewinnen und zu binden.
Da KI-Systeme in bestimmten Zusammenhängen komplex sein und erhebliche Risiken bergen können, ist es von entscheidender Bedeutung, Vertrauen aufzubauen. KI-Systeme mit hohem Risiko benötigen klare Vorschriften, ohne dass dadurch weniger riskante Systeme übermäßig belastet werden.
Die strengen Vorschriften der EU für den Verbraucherschutz, die sich gegen unlautere Geschäftspraktiken richten und dem Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre dienen, gelten nach wie vor.
In Fällen mit hohem Risiko, z. B. in den Bereichen Gesundheit, Polizei oder Verkehr, sollten KI-Systeme transparent und rückverfolgbar sein. Die Aufsicht durch den Menschen muss stets gewährleistet sein. Behörden sollten die von Algorithmen genutzten Daten ebenso prüfen und zertifizieren können, wie sie es bei Kosmetika, Autos und Spielzeug tun. Damit mit hohen Risiken behaftete Systeme ordnungsgemäß funktionieren können und die Achtung der Grundrechte, insbesondere Nichtdiskriminierung, gewährleistet bleibt, werden unverfälschte, neutrale Daten gebraucht.
Derzeit ist die Verwendung der Gesichtserkennung für die biometrische Fernidentifizierung generell verboten und darf nur in hinreichend begründeten und verhältnismäßigen Ausnahmefällen unter Schutzvorkehrungen und auf der Grundlage des EU-Rechts oder des nationalen Rechts genutzt werden. Die Kommission möchte nun eine breit angelegte Debatte darüber einleiten, welche Umstände in Zukunft möglicherweise Ausnahmen rechtfertigen könnten.
Für KI-Anwendungen mit geringerem Risiko sieht die Kommission ein freiwilliges Kennzeichnungssystem vor, wenn solche Anwendungen höhere Standards erfüllen.
Alle KI-Anwendungen sind auf dem europäischen Markt willkommen, solange sie den EU-Vorschriften entsprechen.
Europa als Vorreiter in der Datenwirtschaft
Die Menge der von Unternehmen und öffentlichen Stellen erzeugten Daten nimmt stetig zu. Die nächste Welle von Daten der Industrie wird die Art und Weise verändern, wie wir produzieren, verbrauchen und leben. Ihr Potenzial ist jedoch größtenteils noch nicht ausgeschöpft. Europa verfügt über alles, was es braucht, um in dieser neuen Datenwirtschaft eine Führungsrolle zu übernehmen, nämlich die stärkste industrielle Basis der Welt, wobei KMU ein wesentlicher Bestandteil des industriellen Gefüges sind, die Technologien, die Kompetenzen und jetzt auch eine klare Zielsetzung.
Mit der europäischen Datenstrategie soll die EU zu einem Vorbild werden und eine Führungsrolle in einer durch Daten gestärkten Gesellschaft einnehmen. Dazu soll ein echter europäischer Datenraum, ein Binnenmarkt für Daten entstehen, um zum Nutzen von Unternehmen, Forschern und öffentlichen Verwaltungen ungenutzte Daten freizugeben und einen freien Datenverkehr innerhalb der Europäischen Union und über Sektoren hinweg zu ermöglichen. Den Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen und Organisationen sollten die nötigen Mittel an die Hand gegeben werden, damit sie auf der Grundlage von Erkenntnissen aus nicht personenbezogenen Daten bessere Entscheidungen treffen können. Solche Daten sollten allen zur Verfügung stehen, ob öffentlich oder privat, ob Start-up oder Gigant.
Hierzu wird die Kommission zunächst vorschlagen, den richtigen Rechtsrahmen für die Daten-Governance, den Zugang zu Daten und deren Weiterverwendung zwischen Unternehmen, zwischen Unternehmen und Behörden sowie innerhalb der Verwaltungen zu schaffen. Dies beinhaltet die Schaffung von Anreizen für die gemeinsame Datennutzung und die Festlegung praktischer, fairer und klarer Regeln für den Datenzugang und die Datennutzung, die den europäischen Werten und Rechten wie dem Schutz personenbezogener Daten, dem Verbraucherschutz und dem Wettbewerbsrecht entsprechen. Außerdem bedeutet dies, dass die Daten des öffentlichen Sektors in größerem Umfang zugänglich gemacht werden, indem hochwertige Datensätze EU-weit geöffnet werden und darüber hinaus ihre Weiterverwendung für Innovationen ermöglicht wird.
Zweitens will die Kommission die Entwicklung technischer Systeme und Infrastrukturen der nächsten Generation unterstützen, die die EU und alle Akteure in die Lage versetzen werden, die Chancen der Datenwirtschaft zu ergreifen. Sie wird zu Investitionen in europäische High-Impact-Projekte für europäische Datenräume und vertrauenswürdige und energieeffiziente Cloud-Infrastrukturen beitragen.
Schließlich wird sie sektorspezifische Maßnahmen einleiten, um europäische Datenräume z. B. in den Bereichen industrielle Fertigung, Grüner Deal, Mobilität oder Gesundheit zu schaffen.
Darüber hinaus wird die Kommission daran arbeiten, die Kluft bei den digitalen Kompetenzen unter den Europäern weiter zu verringern, und wird prüfen, wie die Bürger besser bestimmen können, wer auf ihre maschinengenerierten Daten zugreifen kann.
Nächste Schritte
Wie in der heute vorgestellten Strategie dargelegt, wird die Kommission im Laufe dieses Jahres einen Rechtsakt über digitale Dienste (Digital Services Act) und einen europäischen Aktionsplan für Demokratie vorlegen. Dazu kommt eine Überarbeitung der eIDAS, der Verordnung der EU über die elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt. Die Cybersicherheit soll durch den Aufbau einer eigenständigen gemeinsamen Cyber-Dienststelle gestärkt werden. Gestützt auf seine Regulierungsbefugnisse, Kapazitätsaufbau, Diplomatie und Fördermittel wird Europa auch weiterhin Bündnisse mit globalen Partnern aufbauen und für das europäische Digitalisierungsmodell werben.
Das Weißbuch zur künstlichen Intelligenz steht nun bis zum 19. Mai 2020 zur öffentlichen Konsultation. Ebenso bittet die Kommission um Stellungnahmen zu ihrer Datenstrategie. Auf der Grundlage der eingehenden Beiträge wird die Kommission weitere Maßnahmen ergreifen, um die Entwicklung einer vertrauenswürdigen KI und die Datenwirtschaft zu unterstützen.
„EU Datathon“ – beste Ideen für Anwendungen mit offenen Daten der EU gesucht
Heute (Mittwoch) haben die Europäische Kommission und das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union zudem die vierte Ausgabe des „EU DatathonsDiesen Link in einer anderen Sprache aufrufen“ gestartet, ein Wettbewerb, der datenbegeisterte Menschen dazu einlädt, neue, innovative Anwendungen zu entwickeln, die die zahlreichen offenen Datensätze der EU sinnvoll nutzen. Das Bewerbungsverfahren ist ab heute bis zum 3. Mai 2020 offen. Die zwölf Finalistenteams werden eingeladen, ihre Ideen am 13. und 15. Oktober 2020 während der 18. Europäischen Woche der Regionen und Städte in Brüssel zu präsentieren.
Hintergrund
Seit 2014 hat die Kommission eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Entwicklung einer datenagilen Wirtschaft zu erleichtern, darunter die Verordnung über den freien Verkehr nicht-personenbezogener Daten, den Rechtsakt zur Cybersicherheit, die Richtlinie über offene Daten und die Datenschutz-Grundverordnung.
Im Jahr 2018 legte die Kommission erstmals eine KI-Strategie vor und einigte sich mit den Mitgliedstaaten auf einen koordinierten Plan. Der heute vorgestellte Rahmen für KI baut auch auf der Arbeit der hochrangigen Expertengruppe für künstliche Intelligenz auf, die im April 2019 ihre Ethik-Leitlinien für eine vertrauenswürdige KI veröffentlichte.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte in ihren politischen Leitlinien, dass Europa beim Übergang hin zu einem gesunden Planeten und auf dem Weg in eine neue digitale Welt die Führung übernehmen muss. In diesem Zusammenhang kündigte sie an, die Debatte über die menschlichen und ethischen Aspekte der künstlichen Intelligenz und die Nutzung von „Big Data“ zur Schaffung von Wohlstand für Gesellschaften und Unternehmen in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit anzustoßen.
Weitere Informationen:
Gestaltung der digitalen Zukunft Europas – Fragen und Antworten
Quelle: EU Kommission
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