Vor zwei Jahren hatte die VK Südbayern mit einer Entscheidung zum elektronischen Absageschreiben gemäß § 134 Abs. 1 GWB bundesweit für Aufsehen gesorgt (Beschluss vom 29.03.2019 – Z3-3-3194-1-07-03/19 und Z3-3-3194-1-08-03/19). Danach sei es nicht ausreichend, das Absageschreiben lediglich im „Postfach“ der betroffenen Bieter auf der Vergabeplattform bereitzustellen, um den Lauf der Stillhalte- und Wartefrist des § 134 Abs. 2 GWB in Gang zu setzen. Das bloße Zugänglichmachen der Information nach § 134 Abs. 1 GWB auf der Vergabeplattform erfülle nicht die gesetzliche Anforderung der „Absendung“ an die Bieter. Notwendig sei hierfür vielmehr eine aktive „Versendung“ der Information aus der Vergabeplattform heraus mittels Fax oder einer herkömmlichen (externen) E-Mail. Die VK Saarland (Beschluss vom 22.03.2021 – 1 VK 06/2020) hat nun mit einer ausführlich begründeten Entscheidung die gegenteilige Ansicht vertreten.
Nach der Ansicht der VK Saarland genügt die Bereitstellung eines elektronischen Absageschreibens gemäß § 134 Abs. 1 GWB im „Postfach“ der betroffenen Bieter auf der Vergabeplattform sowohl den Anforderungen der Textform gemäß § 134 Abs. 1 GWB und § 126b BGB als auch den Anforderungen der „Absendung“ in § 134 Abs. 2 GWB. Das gilt jedenfalls dann, wenn das „Postfach“ der Bieter auf der Vergabeplattform mit einem sicheren Empfangsbereich vergleichbar ist, in dem die bereitgestellte Informationen für eine gewisse Dauer (z.B. die Dauer des Vergabeverfahrens) gespeichert und damit für den Empfänger (Bieter) jederzeit verfügbar ist und vom Absender (Vergabestelle) nicht mehr gelöscht, verändert, zurückgerufen oder manipuliert werden kann.
Die augenfällige Gegensätzlichkeit der beiden Entscheidungen lässt sich nicht damit erklären, dass die jeweils zugrunde liegenden Fälle voneinander abweichen würden. Der zu entscheidende Sachverhalt wurde von den Vergabekammern lediglich in unterschiedlicher Tiefe untersucht. Die maßgebenden Elemente sind allerdings identisch. Dabei mag es eine Rolle gespielt haben, dass die VK Südbayern seinerzeit keine Sachentscheidung mehr zu treffen hatte, weil die damalige Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag zurückgenommen hatte und somit nur noch über die Kosten zu entscheiden war. Vor diesem Hintergrund ist die jetzige Entscheidung der VK Saarland die erste Sachentscheidung zu dieser Frage.
Ein EU-weites Vergabeverfahren wurde von der Vergabestelle über eine elektronische Vergabeplattform abgewickelt. Auf dieser Vergabeplattform ist für registrierte Bieter ein persönlicher Nutzerbereich („Benutzerkonto“) mit einem Kommunikationsbereich für Nachrichten der Vergabestelle eingerichtet. Das Benutzerkonto ist mittels Zugangsdaten gesichert und nur für den jeweils berechtigten Bieter, der über das notwendige Passwort verfügt, über einen Internetbrowser zugänglich. Die im Kommunikationsbereich des Benutzerkontos eingestellten Nachrichten sind für den jeweiligen Bieter damit jederzeit einsehbar und können elektronisch gelesen, ausgedruckt oder herunter geladen und (lokal) gespeichert werden. Die Nachrichten werden von der Vergabeplattform revisionssicher gespeichert und mit einem Zeitstempel versehen. Sie sind damit, sobald sie im persönlichen Nutzerbereich der jeweiligen Bieter eingestellt wurden, dem Zugriff der Vergabestelle entzogen. Auf die Datenbank der Vergabeplattform hat die Vergabestelle systemseitig keinen Zugriff, sodass es ausgeschlossen erscheint, dass die Vergabestelle die im persönlichen Nutzerbereich einmal eingestellten Nachrichten anschließend noch in irgendeiner Form verändern, löschen, zurückrufen oder sonst manipulieren kann.
Über diese Vergabeplattform stellte die Vergabestelle einem Bieter, dessen Angebot nicht berücksichtigt werden sollte, ein elektronisches Absageschreiben gemäß § 134 Abs. 1 GWB zur Verfügung. Das Absageschreiben wurde in dem persönlichen Nutzerbereich des betroffenen Bieters eingestellt. Gleichzeitig setzte eine von der Vergabeplattform automatisch generierte Hinweis-E-Mail den betroffenen Bieter davon in Kenntnis, dass auf der Vergabeplattform eine Nachricht für ihn bereitgestellt worden sei. Nach Ablauf der 10tägigen Wartefrist erteilte die Vergabestelle den Zuschlag auf das Angebot eines Wettbewerbers. Noch am selben Tag, allerdings nach Zuschlagserteilung, reichte der betroffene Bieter einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer ein. Gegen die Zuschlagserteilung argumentierte er unter Verweis auf die o.g. Entscheidung der VK Südbayern, dass das elektronische Absageschreiben über die Vergabeplattform die (verkürzte) 10tägige Stillhalte- und Wartefrist des § 134 Abs. 2 GWB nicht ausgelöst habe. Der Zuschlag an den Wettbewerber sei deshalb gemäß § 135 Abs. 1 GWB unwirksam.
Ohne Erfolg! Nach der Entscheidung der VK Saarland hatte die Bereitstellung des elektronischen Absageschreibens gemäß § 134 Abs. 1 GWB im persönlichen Nutzerbereich des betroffenen Bieters auf der Vergabeplattform die (verkürzte) 10-tägige Stillhalte- und Wartefrist des § 134 Abs. 2 GWB in Gang gesetzt. Der Zuschlag konnte daher nach Ablauf von 10 Kalendertagen erteilt werden und war somit wirksam. In der Folge konnte er von der Vergabekammer nicht mehr aufgehoben werden (§ 168 Abs. 2 GWB).
Im Unterschied zur VK Südbayern legt die VK Saarland ihrer jetzigen Entscheidung ein abweichendes Grundverständnis von der Funktion und Zuordnung der Vergabeplattform zugrunde. Die VK Südbayern hatte die Vergabeplattform seinerzeit der alleinigen Sphäre der Vergabestelle zugeordnet und folglich bei der Beantwortung der Frage, wo der Machtbereich der Vergabestelle endet und ein etwaiger Machtbereich der Bieter beginnt, von vornherein ausgeklammert. Die VK Saarland folgt dagegen einer differenzierteren Betrachtung der Vergabeplattform als „Mittler“ zwischen den Beteiligten des Vergabeverfahrens. Sie beschäftigt sich hierzu mit der technischen Funktionsweise der Vergabeplattform und kommt zu dem Ergebnis, dass die Vergabeplattform letztlich nicht der Kontrolle der Vergabestelle unterliegt. Die Vergabeplattform und die darauf stattfindenden Kommunikationsvorgänge können daher nicht dem alleinigen Machtbereich der Vergabestelle zugeschrieben werden. Vielmehr erlaubt ihre Funktionsweise die Bewertung, dass auf der Vergabeplattform – zumindest auch – ein Machtbereich der Bieter existiert.
Einen solchen Machtbereich der Bieter erkennt die VK Saarland in dem persönlichen Nutzerbereich (Benutzerkonto) auf der Vergabeplattform. Dieser Bereich ist ausschließlich für den jeweiligen Bieter zugänglich, der über die Zugangsdaten verfügt. Der persönliche Nutzerbereich ist folglich mit einem Briefkasten oder einem elektronischen Postfach vergleichbar. Die Informationen in diesem Bereich sind revisionssicher gespeichert und mithin für den Bieter dauerhaft verfügbar. Gleichzeitig ist systemseitig gesichert, dass die Vergabestelle diese Informationen, insbesondere die von ihr in diesem Bereich eingestellten Nachrichten, nicht mehr verändern, löschen oder sonst manipulieren kann. Die Informationen im persönlichen Nutzerbereich des Bieters sind dem Machtbereich der Vergabestelle somit entäußert und befinden sich stattdessen im Machbereich des Bieters.
Mit diesem Grundverständnis im Gepäck dekliniert die VK Saarland die einschlägigen Rechtsnormen durch. Sie stellt zunächst fest, dass § 134 GWB für die elektronische Übermittlung der Vorabinformation kein bestimmtes Medium vorschreibt. Der Normtext in § 134 Abs. 2 Satz 2 GWB ist vielmehr technikoffen formuliert und beschränkt sich nicht auf ein Fax oder eine „herkömmliche“ E-Mail. Stattdessen soll jede Art bzw. jedes Medium der Übermittlung „auf elektronischem Weg“ zulässig sein, also auch die elektronische Bereitstellung auf einer Vergabeplattform. Entscheidend ist vielmehr der in § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB genannte Begriff der Textform.
Zu den Anforderungen der Textform gemäß § 126b BGB orientiert sich die VK Saarland an der Rechtsprechung des BGH (Urt.v. 15.05.2014 – III ZR 368/13). Danach setzt die Textform voraus, dass die Information dergestalt gespeichert ist, dass sie für den Empfänger ungehindert zugänglich ist, ihr Inhalt während einer angemessenen Dauer nicht verändert werden kann und dem Empfänger hierdurch die Möglichkeit ihrer originalgetreuen Wiedergabe gegeben ist. Weder die Art noch der Ort des Speichermediums sind danach relevant. Entscheidend sind vielmehr die Dauerhaftigkeit der Speicherung, die Zugänglichkeit für den Empfänger und die Unveränderbarkeit für den Absender. Diese Anforderungen werden nach Auffassung der VK Saarland durch eine Nachrichtenübermittlung im persönlichen Nutzerbereich (Benutzerkonto) auf der Vergabeplattform erfüllt. Die Nachrichten, die über den Kommunikationsbereich der Vergabeplattform an den Bieter gelangen, sind für diesen als Erklärungen lesbar, druckfähig und elektronisch speicherbar. Die eingestellten Nachrichten werden revisionssicher gespeichert und mit einem Zeitstempel versehen. Sie bleiben mindestens für die Dauer des Vergabeverfahrens im persönlichen Nutzerbereich des Bieters erhalten und abrufbar und sind für den Bieter somit während einer angemessenen Dauer verfügbar. Gleichzeitig ist es nach der Ausgestaltung der Software ausgeschlossen, dass die Vergabestelle die Nachrichten nach ihrer Einstellung in irgendeiner Form verändern, löschen, zurückrufen oder sonst manipulieren kann. Die Anforderungen der Textform gemäß § 126b BGB werden durch die Einstellung und Speicherung der Nachrichten im persönlichen Nutzerbereich (Benutzerkonto) der Bieter auf der Vergabeplattform somit erfüllt.
Schließlich wendet sich die VK Saarland dem Tatbestandsmerkmal des „Versendens“ bzw. „Absendens“ in § 134 Abs. 2 Satz 2 und 3 GWB zu und verweist auch hierzu auf die Rechtsprechung des BGH (B.v. 09.02.2004 – X ZB 44/03). Danach war schon bisher das „Absenden“ eines schriftlichen Dokuments oder Faxschreibens dahin zu verstehen, dass sich der Absender der Information entäußert, sie also aus seinem Herrschaftsbereich so herausgibt, dass sie bei bestimmungsgemäßem weiteren Verlauf der Dinge den Empfänger erreicht. Das elektronische „Absenden“ oder „Versenden“ besteht dabei nicht in einem physischen Vorgang, sondern in einem elektronischen „Auf-den-Weg-bringen“ in Textform. Erforderlich und ausreichend ist demnach ein schlichter Übergang des Machtbereichs. Die Information muss den Machtbereich des Absenders einerseits so verlassen, dass sie von ihm nicht mehr einseitig verändert, gelöscht oder zurückgerufen werden kann. Andererseits muss zu erwarten sein, dass die Information bei regelgerechtem Verlauf so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass er darauf jederzeit und ohne Zutun des Absenders zugreifen kann. Diese Anforderungen des „Absendens“ sind beim Einstellen einer Nachricht der Vergabestelle in den Nutzerbereich der Bieter auf der Vergabeplattform gegeben.
Ob es für den bestimmungsgemäßen Verlauf der Dinge noch erforderlich ist, dass der empfangende Bieter durch eine von der Vergabeplattform automatisch erzeugte Hinweis-E-Mail über das Einstellen einer Nachricht in seinem persönlichen Nutzerbereich in Kenntnis gesetzt wird, ließ die VK Saarland offen, weil im konkreten Fall eine solche Hinweis-E-Mail erfolgt war. Letztlich verneint die VK Saarland diese Frage allerdings mit dem Hinweis darauf, dass es für das „Versenden“ nicht auf die Zufälligkeit ankommt, ob der empfangende Bieter sein Benutzerkonto auf der Vergabeplattform auch tatsächlich öffnet und die für ihn bestimmte Nachricht abruft. Dafür spricht auch, dass § 134 Abs. 2 Satz 3 GWB ausdrücklich festlegt, dass es für den Beginn der Stillhalte- und Wartefrist nicht auf den Zugang der Information beim betroffenen Bieter ankommt. Für die Entscheidung der VK Saarland war es daher auch nicht von Bedeutung, dass sich der betroffene Bieter im konkreten Fall sofort nach dem Erhalt der Hinweis-E-Mail auf der Vergabeplattform eingeloggt und Kenntnis vom Inhalt des dort bereitgestellten Absageschreibens genommen hatte.
Die Entscheidung der VK Saarland verdient sowohl in rechtlicher als auch in praktischer Hinsicht Zuspruch. Sie betrachtet die Vergabeplattform als das, was sie – heutzutage üblicherweise – ist, als einen „elektronischen (Ver-)Mittler“ zwischen den Beteiligten des Vergabeverfahrens.
Das gilt jedenfalls in den Fällen, in denen die Vergabeplattform nicht von der Vergabestelle selbst betrieben wird und durch systemseitige Sicherungsmittel (z.B. Verschlüsselung, Zugangsdaten, Revisionssicherheit, Zeiterfassung usw.) dem tatsächlichen Zugriff und der Kontrolle der Vergabestelle entzogen ist. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Vergabestelle die Vergabeplattform (auf Programmebene) selbst betreibt oder im eigenen Auftrag betreiben lässt und keine Sicherungsmaßnahmen zur „Selbstentäußerung“ der Herrschaftsgewalt und Kontrolle über die Funktionen und Daten der Vergabeplattform ergriffen wurden. In solchen Fällen dürfte es dann allerdings schon an den Voraussetzungen für die Verwendbarkeit der (selbst betriebenen) Vergabeplattform im Sinne von § 11 Abs. 2 VgV und § 11a EU Abs. 2 VOB/A fehlen, wonach die elektronischen Mittel zur Kommunikation im Vergabeverfahren, die Unversehrtheit, Vertraulichkeit und Echtheit der Daten gewährleisten müssen.
Soweit die Vergabestelle dagegen (auf Funktionsebene) nur die Dienste und Funktionen einer den vergaberechtlichen Anforderungen genügenden Vergabeplattform in Anspruch nimmt, ist sie hingegen – genauso wie die Bieter – auch nur ein „Nutzer“ der Vergabeplattform. In der Folge ist die Vergabeplattform – jedenfalls für die hier maßgebliche Frage der Informationsübermittlung – wie ein Außenstehender zu betrachten, der als Intermediär zwischen den Sphären der am Vergabeverfahren Beteiligten steht und zwischen diesen vermittelt. In diesen Fällen ist es dann nur konsequent, auf der Vergabeplattform bzw. in deren verschiedenen Funktionen und Diensten (z.B. Auftraggeberbereich, Bieterbereich) unterschiedliche Macht- bzw. Herrschaftsbereiche zu erkennen und diese den jeweiligen Beteiligten zuzurechnen, die nach den konkret gegebenen Umständen (z.B. anhand von Zugangsdaten) die tatsächliche Herrschaft bzw. Kontrolle darüber ausüben.
Soweit ersichtlich dürfte Letzteres wohl für alle in Deutschland aktuell durch die verschiedenen Plattformbetreiber/-anbieter zur Verfügung gestellten Vergabeplattformen vermutet werden. Auf die eine oder andere Weise enthalten alle Vergabeplattformen einen gesicherten, nur für den jeweils registrierten Bieter zugänglichen Bereich. Hier gibt es stets ein „Postfach“ oder einen Bereich für „Nachrichten“ bzw. „Mitteilungen“, in dem die bereitgestellten Nachrichten gespeichert und vor einem einseitigen Zugriff der Vergabestelle geschützt sind. Die Plattformbetreiber haben dabei ein ureigenes wirtschaftliches Interesse daran, dass ihre jeweiligen Vergabeplattformen über jeden Zweifel erhaben sind, dass damit die vergaberechtlichen Anforderungen an die Unversehrtheit, Vertraulichkeit und Echtheit der Daten gemäß § 11 Abs. 2 VgV bzw. § 11a EU Abs. 2 VOB/A eingehalten werden. Andernfalls könnten Umsatzeinbußen und Haftungsfragen drohen. Der latente Vorwurf, den die Antragstellerin im hier von der VK Saarland entschiedenen Fall erhoben hatte, dass die Vergabestelle mit dem von ihr ausgewählten und beauftragten Plattformbetreiber „unter einer Decke stecken“ und die elektronischen Mittel zur Kommunikation im Vergabeverfahren manipulieren könnte, dürfte folglich nur dann gehört werden, wenn hierfür im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte bestehen. Dann stünde damit zugleich ein Verstoß gegen die vergaberechtlichen Anforderungen an die im Vergabeverfahren verwendeten elektronischen Mittel und somit eine Verletzung von Bieterrechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB im Raum, was gegebenenfalls gemäß § 160 Abs. 3 GWB hinreichend substantiiert gerügt werden müsste.
Bieter tun gut daran, sich bei der Registrierung auf einer Vergabeplattform zu vergegenwärtigen, dass sie damit einen eigenen Machtbereich eröffnen. Die Registrierung und der damit begründete Zugang zu einem persönlichen Benutzerkonto bzw. Nutzerbereich auf der Vergabeplattform wirkt wie das „Aufhängen“ eines zusätzlichen (elektronischen) Briefkastens, der fortan auf etwaige Posteingänge kontrolliert werden muss. Ungeachtet etwaiger Regelungen in den Nutzungsbedingungen der jeweiligen Vergabeplattform gelten Nachrichten, die in diesen (elektronischen) Briefkasten eingestellt werden, als den Bietern zugegangen. Das gilt jedenfalls dann und soweit, wie die Bieter mit einem solchen Zugang von Nachrichten rechnen müssen, mindestens also im Hinblick auf das Vergabeverfahren, für das sie sich registriert haben.
Rechtspolitisch kann man diesen Umstand durchaus kritisch betrachten. Weil die im Vergabeverfahren jeweils zu verwendende Vergabeplattform nicht von den Bietern, sondern stets von den verschiedenen Vergabestellen ausgewählt, beauftragt und den Bietern im Vergabeverfahren vorgegeben wird, entsteht für die Unternehmen die Notwendigkeit, über die ganze (elektronische) Bundesrepublik verstreut bei zahlreichen unterschiedlichen Vergabeplattformen zusätzliche eigene „Postfächer“ unterhalten und aufwendig überwachen zu müssen. Das kann insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen eine erhebliche Belastung darstellen. Das ist unbefriedigend, zumal das Problem von der Politik eigentlich längst erkannt worden war (vgl. zur einheitlichen Datenaustauschschnittstellte, XVergabe, BT-Drucksache 18/7318, Seite 154). An einer praktikablen Lösung fehlt es bisher allerdings.
John Richard Eydner ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei LANGWIESER | Rechtsanwälte Berlin | München. Er berät und begleitet bundesweit Auftraggeber bei der Konzeption und Durchführung von Vergabeverfahren ebenso wie Unternehmen bei der Teilnahme daran. Durch seine Erfahrungen auf „beiden Seiten“ steht Rechtsanwalt Eydner für problembewusste, konfliktvermeidende und störungsresistente Vergaben. Er ist Vorsitzender der DVNW-Regionalgruppe Berlin-Brandenburg
Die gesamte verfahrensrelevante Kommunikation spielt sich von vornherein auf den Portalen ab – insbesondere in Bezug auf die mindestens genau so bedeutsamen Fälle der Bieterinformationen oder der Nachforderung von Unterlagen. „Die Notwendigkeit, über die ganze (elektronische) Bundesrepublik verstreut bei zahlreichen unterschiedlichen Vergabeplattformen zusätzliche eigene „Postfächer“ unterhalten und aufwendig überwachen zu müssen“, ist daher doch keine Besonderheit der Vorabinformation, sondern eine wohl kaum unzumutbare Notwendigkeit, der sich das Unternehmen bereits mit unbeanstandeter Angebotsabgabe unterworfen hat und die ja in allen bisher entschiedenen Fällen obendrein noch dadurch abgemildert wird, dass die Portale im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem konkreten Kommunikationsfall an die vom Bieter hinterlegte E-Mail-Adresse Eingangsbenachrichtigungen pushen.