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Fallstricke beim Eignungsnachweis durch Präqualifizierung – Was müssen Bieter und Auftraggeber beachten? (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.06.2022 – VII Verg 19/22)

EntscheidungDie Präqualifizierung erleichtert den Nachweis der Eignung im Vergabeverfahren zugunsten der Bieter und der Auftraggeber. Bauunternehmen können ihren Aufwand für die Beteiligung an öffentlichen Vergabeverfahren verringern und Zeit und Kosten sparen. Auftraggeber werden entlastet, da sie sich grundsätzlich auf die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweise verlassen können. Ein Rund-Um-Sorglos-Paket kann auch die Präqualifizierung aber nicht bieten. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 8. Juni 2022 wirft ein Schlaglicht auf die Fallstricke, die bei Nutzung der Präqualifizierung zu beachten sind.

§ 6b Abs. 1 VOB/A-EU, § 16a Abs. 1 VOB/A-EU

Leitsätze (nicht amtlich)

1. Auch der präqualifizierte Bieter muss die im Vergabeverfahren aufgestellten Eignungsanforderungen erfüllen. Auch bei einem präqualifizierten Bieter prüft der Auftraggeber, ob die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweise die im konkreten Verfahren geforderten Eignungsangaben und Nachweise abdecken.

2. Soweit die im Präqualifikationsverzeichnis für den einschlägigen Leistungsbereich hinterlegten Nachweise inhaltlich unzureichend sind, ist regelmäßig keine Nachforderung eines den Eignungsanforderungen genügenden Nachweises zulässig.

Sachverhalt

Die Antragsgegnerin schreibt die Erneuerung der Fahrzeugrückhaltesysteme im Mittelstreifen und am äußeren Fahrbahnrand auf Bundesautobahnen im Offenen Verfahren aus. Es sind rund 9.000 m Stahlkonstruktionen und rund 12.000 m Betonrückhaltesysteme rückzubauen und neu zu errichten.

Hinsichtlich der Anforderungen an die technische und berufliche Leistungsfähigkeit enthält Abschnitt III.1.3 der EU-Bekanntmachung einen direkten Link auf eine „Eigenerklärung Eignung“. Unter der Überschrift „Verpflichtende Eignungsnachweise“ wird dort die Vorlage von mit der zu vergebenden Leistung vergleichbaren Referenzen über die Ausführung von Bauleistungen in den letzten 5 Kalenderjahren gefordert, wobei Angaben zu drei Referenzen einzutragen waren. Ferner heißt es in der Eigenerklärung: „Angaben sind immer vorzunehmen, soweit das Unternehmen nicht PQ-qualifiziert ist.“

In ihrem Angebot gibt die Antragstellerin ihre Präqualifizierungsnummer an. Das Präqualifikationsverzeichnis enthält für den einschlägigen Leistungsbereich „Ausstattung von Straßen“ drei Eintragungen für die Antragstellerin aus dem Bereich Fahrzeugrückhaltesysteme. Hierbei handelt es sich um Schutzplankenarbeiten an einer Bundesautobahn über 13.000 Meter mit einem Auftragsvolumen von EUR 1,5 Mio., Schutzplankenarbeiten an einer Bundesautobahn über 13.000 Meter mit einem Auftragsvolumen von EUR 1,23 Mio. und Schutzplankenarbeiten an einer Bundesautobahn über 611 Meter mit einem Auftragsvolumen von EUR 220.000.

Im Rahmen der Vorabinformation nach § 134 GWB unterrichtet die Antragsgegnerin die Antragstellerin, dass der Zuschlag nicht auf ihr Angebot erteilt würde. Es lägen keine drei vergleichbaren Referenzen vor. Zwar seien die beiden aus dem Präqualifikationsverzeichnis ersichtlichen Referenzen über jeweils 13.000 Meter Schutzplankenarbeiten vergleichbar. Die weitere Referenz über 611 Meter Schutzplankenarbeiten umfasse jedoch weniger als 10 Prozent der zu vergebenden Leistung und sei daher nicht vergleichbar.

Nach erfolgloser Rüge leitet die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren ein. Die Vergabekammer gibt dem Nachprüfungsantrag statt und gibt der Antragsgegnerin die Wiederholung des Vergabeverfahrens auf. Dass auch präqualifizierte Unternehmen gegebenenfalls Referenzen vorzulegen hätten, sei in der EU-Bekanntmachung nicht transparent gefordert gewesen.

Die Antragsgegnerin legt sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung ein und verbindet diese mit einem Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlags an die Beigeladene. Die ausgeschriebenen Leistungen seien dringlich. Sie seien Teil einer Gesamtbaumaßnahme zur Wiederherstellung des Autobahnabschnitts mit einer stark geschädigten Fahrbahndecke, die einen Unfallschwerpunkt bilde.

Die Entscheidung

Das OLG Düsseldorf gibt dem Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlags statt. Bei der erforderlichen Gesamtabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags bei summarischer Prüfung gering seien. Eine der drei von der Antragstellerin im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Referenzen genüge nicht den Anforderungen. Das Angebot der Antragstellerin sei daher auszuschließen. Es könne daher im Interesse der Antragsgegnerin und der Allgemeinheit nicht hingenommen werden, dass der Baubeginn bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens hingeschoben wird.

Rechtliche Würdigung

Das OLG Düsseldorf stellt fest, dass die Teilnahme am Präqualifikationssystem nichts daran ändert, dass die Bieter die Erfüllung der Eignungskriterien nachweisen müssen. Das Präqualifikationssystem erleichtere die Beibringung der Eignungsnachweise, ersetze diese aber nicht. Eine Ersetzung der von den übrigen Bietern verlangten Eignungsnachweise durch die Eintragung im Präqualifikationsverzeichnis zu dem einschlägigen Leistungsbereich sei mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbar.

Durch die Eintragung im Präqualifikationsverzeichnis werde der Bieter nur privilegiert, als er die geforderten Eignungsnachweise insoweit nicht beibringen müsse und die inhaltliche Richtigkeit der hinterlegten Nachweise vermutet werde. Demgegenüber habe ein Auftraggeber auch bei einem präqualifizierten Bieter zu prüfen, ob die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweise die im konkreten Verfahren geforderten Eignungsangaben und Nachweise abdecken.

Auch unter Berücksichtigung der Vorgaben der Antragsgegnerin in der „Eigenerklärung Eignung“ habe jeder im Präqualifikationsverzeichnis eingetragenen Bieter davon ausgehen müssen, dass auch er drei mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbare Aufträge als Referenzen vorweisen muss. Die dritte von dem Bieter im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegte Referenz sei zwar von der Art her vergleichbar, mache im Umfang aber nur rund 3% der ausgeschriebenen Leistung aus. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin diese Referenz nicht für ausreichend erachtet hat.

Die Antragsgegnerin sei auch nicht gehalten gewesen, den Bieter nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 16 Nr. 4 VOB/A-EU zur Vorlage einer dritten vergleichbaren Referenz aufzufordern. Die Regelung zur Nachforderung umfasse nicht Fälle, in denen geforderte Erklärungen und Nachweise zwar eingereicht wurden, diese aber inhaltlich unzureichend sind.

Praxistipp

Die Eintragung im Präqualifikationsverzeichnis des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. (PQ-VOB) erleichtert Bietern die Nachweisführung im Rahmen der Eignungsprüfung für den konkreten präqualifizierten Leistungsbereich. Hinsichtlich der hinterlegten Nachweise ist der präqualifizierte Bieter insoweit privilegiert, als die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Angaben im Grundsatz nicht in Zweifel gezogen werden. Wie die Entscheidung des OLG Düsseldorf zeigt, heiße dies allerdings nicht, dass der Auftraggeber einen präqualifizierten Bieter einfach „durchwinken“ kann. Auch der präqualifizierte Bieter muss die im Vergabeverfahren aufgestellten Eignungsanforderungen erfüllen. Der Auftraggeber muss daher prüfen, ob die im Qualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweise seine Eignungsanforderungen inhaltlich erfüllen.

Der vom OLG Düsseldorf entschiedene Fall zeigt, dass es im eigenen Interesse des Bieters liegt, vor Abgabe des Teilnahmeantrags bzw. Angebots genau darauf zu achten, dass die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweise die konkreten Eignungsanforderungen erfüllen. Ein etwaiges Delta zwischen den im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweisen und den konkreten Eignungsanforderungen muss der Bieter ggf. durch individuell zusammengestellte Nachweise füllen, die er ergänzend zu den im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweise vorlegt. Hinsichtlich der Zulässigkeit von Nachforderungen und Nachreichungen von Unterlagen zur Eignung gelten für präqualifizierte Bieter keine Sonderregelungen. Genügt ein im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegter Nachweis inhaltlich nicht den Eignungsanforderungen, ist eine Nachforderung eines anderen Eignungsnachweises regelmäßig nicht zulässig.

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Über Dr. Tobias Schneider

Der Autor Dr. Tobias Schneider ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht im Berliner Büro der Kanzlei Dentons. Er berät Unternehmen und öffentliche Auftraggeber bei allen vergaberechtlichen Fragestellungen und vertritt deren Interessen in Vergabeverfahren und vor den Nachprüfungsinstanzen.

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