Auftraggeber fordern in Vergabeverfahren zum Nachweis der beruflichen und fachlichen Eignung oft Referenzen. Die Erwartung: wer schon in der Vergangenheit vergleichbare Leistungen erbracht hat, wird voraussichtlich auch das gegenständliche Projekt gut abwickeln können. Bei geistig-schöpferischen Leistungen kommt es dabei vor allem auf die persönliche Erfahrung der eingesetzten Mitarbeiter an, sollte man meinen. Doch eine aktuelle Entscheidung der Vergabekammer des Bundes zeichnet ein differenzierteres Bild.
GWB § 122 Abs. 1; VgV § 42 Abs. 1, § 47
Leitsatz
- Bei der Eignungsprüfung trifft der öffentliche Auftraggeber die Prognoseentscheidung, ob der Bewerber in der Lage sein wird, den Auftrag ausschreibungskonform zu erbringen. Dabei steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu, der im Nachprüfungsverfahren nur eingeschränkt überprüft werden kann.
- Technische Planungsleistungen weisen eine personenbezogene Komponente auf, da deren erfolgreiche Ausführung von den Fähigkeiten der für die Planung eingesetzten Personen mitbestimmt wird.
- Bei komplexen Planungsleistungen ist es nicht beurteilungsfehlerhaft, wenn der Auftraggeber zu dem Ergebnis kommt, dass die Übernahme einzelner Personen (hier: der vorgesehenen Projektleiter), die für ein anderes Unternehmen an vergleichbaren Projekten mitgearbeitet haben, nicht hinreichend die Eignung des Bieters für die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags belegt. Denn damit können die betriebsorganisatorischen Fähigkeiten und Kapazitäten eines Unternehmens, die für die Erfüllung komplexer Planungsaufgaben ebenfalls und unabhängig von einzelnen Personen erforderlich sind, nicht gleichgesetzt werden.
Sachverhalt
Bei der Vergabe von Fachplanungsleistungen für einen Laborneubau forderte der Auftraggeber zum Nachweis der Eignung neben personenbezogenenen Referenzen zusätzlich auch die Angabe von zwei Referenzprojekten. Laut Bekanntmachung mussten diese Projekte dem/der Bewerbenden eindeutig zuzuordnen sein, Referenzprojekte eines Nachunternehmens waren ausdrücklich nicht zugelassen.
Ein Bewerber wurde ausgeschlossen, da er Referenzprojekte eines anderen Unternehmens angegeben hatte. Er war jedoch der Ansicht, dass ihm diese Fremdreferenzen zuzurechnen seien, denn:
- er habe von diesem Unternehmen mehrere Mitarbeiter übernommen und
- zwei dieser Mitarbeiter, die an zumindest einem der beiden Referenzaufträge mitgearbeitet oder dieses als Projektleiter betreut hätten, wolle er bei der Auftragsausführung als Projektleiter und stellvertretenden Projektleiter einsetzen.
Die Entscheidung
Die Vergabekammer des Bundes bestätigte den Ausschluss. Entscheidend war dabei, dass der Auftraggeber ausdrücklich nicht nur personen- sondern auch unternehmensbezogene Referenzen gefordert hatte. Die Projektreferenzen zielten der Vergabekammer zufolge erkennbar auf den Nachweis von unternehmensbezogenen Kapazitäten und Fähigkeiten ab. Insbesondere komme es aufgrund der Komplexität des Vorhabens nachvollziehbar auf Erfahrungen an, die jenseits der Erfahrung einzelner Mitarbeiter liegen, wie koordinierende Fähigkeiten, Qualitätssicherungsmaßnahmen und Betriebsstrukturen, die unabhängig von einzelnen Personen den Projekterfolg gewährleisten können. Zudem komme es auf den Einsatz technischer und sächlicher Betriebsmittel an.
Diese Fähigkeiten habe der Bewerber nicht für sich selbst nachgewiesen und sie waren aus Sicht der Vergabekammer auch über die Erfahrungen der eingesetzten Mitarbeiter als Einzelpersonen nicht nachweisbar.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung überrascht, denn bislang wies die Spruchpraxis eher in eine andere Richtung. Demnach war beispielsweise bei Projektsteuerungsleistungen anerkannt, dass Büroreferenzen eines Vorgängerunternehmens einem Bewerber zumindest unter bestimmten Voraussetzungen zugerechnet werden können (vgl. z.B. VK Südbayern, Beschluss vom 25.02.2021 – 3194.Z3-3_01-20-47; ähnlich Beschluss vom 17.03.2015 – Z3-3-3194-1-56-12/14; VK Sachsen, Beschluss vom 05.05.2014 – 1/SVK/010-14; OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.07.2010 – 11 Verg 5/10; offengelassen: OLG Koblenz, Beschluss vom 04.10.2010 – 1 Verg 9/10).
Fraglich ist zudem, ob der Auftraggeber durch das Verbot einer Nachunternehmerreferenz eine Eignungsleihe einfach so faktisch ausschließen durfte.
Praxistipp
Das letzte Wort ist in dieser Sache zwar noch nicht gesprochen, denn das Büro hat sofortige Beschwerde eingereicht. Dennoch sollten Bewerber zukünftig bis auf weiteres genauer hinsehen: welche konkreten Erfahrungen und Kenntnisse sind nachzuweisen? Geht es eventuell speziell um eine unternehmensbezogene Eignung? In Zweifelsfällen ist eine Bewerberfrage immer besser als ein wackeliger Teilnahmeantrag.
Dr. Valeska Pfarr, MLE
Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.
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