„Studie über die Erfahrung der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Einbindung anderer politischer Überlegungen in Politik und Verfahren betreffend die öffentliche Auftragsvergabe“ – so der vollständige, recht sperrige Titel des Auftrags, den die EU-Kommission, Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen, vergeben hat (TED-Dokumenten-Nr. 219457-2010 vom 27.07.2010). Die durch die Studie ermittelten Ergebnisse sollen Eingang finden in eine breit angelegte Beurteilung der EU-Rechtsvorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe, die bis 2011 abgeschlossen sein soll. Ausweislich des grob umrissenen Studienauftrags ist man dabei offenbar bereit, kreativ zu sein.
Im ersten Teil der Studie sollen die allgemeinen politischen Leitlinien und Initiativen aufgeführt werden, die nationale und regionale öffentliche Auftraggeber entworfen und umgesetzt haben. So soll ein Überblick über diese “anderen politischen Möglichkeiten” und das Ausmaß ihrer Umsetzung in den Mitgliedssaaten gewonnen werden.
Im zweiten Teil der Studie soll sich dann eine detaillierte Analyse “dieser anderen politischen Möglichkeiten in der öffentlichen Auftragsvergabe” anschließen, im dritten Teil soll die Wirksamkeit dieser Möglichkeiten “bezüglich der Veränderung der Ergebnisse der Auftragsvergabe im Hinblick auf das Erreichen der erwünschten Ziele” gesammelt werden.
Aha.
Was “andere politischen Möglichkeiten” bei der öffentlichen Auftragsvergabe sein sollen, dürfte wirklich interessant zu erfahren sein, denn – vorausgesetzt, man hält sich an die europäischen Vergaberichtlinien – sind die dem öffentlichen Auftraggeber zur Verfügung stehenden Spielräume ja reichlich begrenzt.
Auftragnehmer der Studie ist übrigens die deutsche Adelphi Consult GmbH aus Berlin. Interessant auch: Erst im Juni hatte die Kommission an eine Beratungsgesellschaft einen Auftrag für “Vorbereitende Arbeiten für die Bewertung von Richtlinien: Weiterentwicklung der Bewertung des grenzüberschreitenden Beschaffungswesens” vergeben. Offenbar hat man einiges vor.
Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für Eviden tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.
Originell auch die Ausschreibung der EK selbst: Eine solche geistige Dienstleistung (Vergleich auch die Zuschlagskriterien) in einem offenen Verfahren, also ohne Verhandlungen vergeben?!