§ 12 Abs. 1 der neuen VOL/A sieht vor, dass, sofern eine Ausschreibung im Internet bekanntgemacht wird, diese “auch zentral über die Suchfunktion des Internetportals www.bund.de” ermittelbar sein muss. Eine gute, weil vernünftige Regelung im Sinne der Bieter, die sich nicht auf unzähligen elektronischen Bekanntmachungsplattformen von Ländern, Städten und Gemeinden parallel informieren wollen und können.
Damit aber eine Ausschreibung auf bund.de überhaupt vernünftig gesucht und gefunden werden kann, muss sie zuvor entsprechend für die dortige Datenbank aufbereitet werden, z.B. nach Auftragsgegenstand, Ort der Leistungserbringung, etc. Diese Aufbereitung erledigen bislang private Ausschreibungsdienste und stellen die so recherchierbaren Ausschreibungen mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen interessierten Bietern zur Verfügung. Das die Neuregelung bei diesen auf Widerstand stößt, überrascht also wenig. Staatlich verordnete Wettbewerbsverzerrung oder Sturm im Wasserglas?
Sinn und Zweck
Aber der Reihe nach. Eine zentrale Veröffentlichung auf bund.de ist nicht nur sinnvoll, sondern aus Sicht der anbietenden Wirtschaft auch notwendig. Elektronische Ausschreibungs- und eVergabedienste erfreuen sich – berechtigt – wachsender Beliebtheit. Während Papier aber jederorts eben Papier blieb, müssen sich Bieter mit einer Vielzahl unterschiedlicher Plattformen, ggfs. Software und nicht zu letzt Internetadressen herumschlagen. Das ist zwar nicht zwangsläufig schlechter als die Situation mit verschiedenen gedruckten Ausschreibungsblättern. Die Vorteile, die moderne ITK-Infrastruktur bietet, bleiben jedoch ungenutzt.
Zudem: Eine führende Wirtschaftsnation wie Deutschland sollte im Jahr 2010 durchaus in der Lage sein, alle ihre öffentlichen Ausschreibungen – sofern sie denn ohnehin schon elektronisch bekanntgemacht sind (denn nur auf diese Ausschreibungen bezieht sich die neue Regelung) auch an zentraler Stelle zu bündeln. Daran ändert auch der Föderalismus nichts, im Gegenteil, er macht dies umso erforderlicher. So schafft es die europäische Ausschreibungsdatenbank TED (Tenders Europain Daily) schließlich seit Jahren erfolgreich, alle Ausschreibungen der Mitgliedsstaaten oberhalb der Schwellenwerte zu bündeln. Dem BMWi, aus dessen Feder die Neuregelung stammt, ist dafür ein großes Lob auszusprechen.
Das Kind mit dem Bade…
…ausschütten? § 12 Abs. 1 VOL/A mit letzter Konsequenz umsetzen, also nicht nur alle elektronisch verfügbaren Bekanntmachungen in bund.de aufzunehmen, sondern diese auch detailliert durchsuchbar zu machen und dann noch den Volltext der Bekanntmachung zur Verfügung zu stellen, würde zweifellos eine solche Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil der privaten Anbieter bedeuten. Dessen war man sich im für die Novelle der VOL/A zuständigen Ausschuss, dem DVAL, auch bewusst, weshalb man sich auf folgende recht weiche – aber eben auch interpretationsfähige Regelung – einigte:
Öffentliche Ausschreibungen, Beschränkte Ausschreibungen mit Teilnahmewettbewerb und Freihändige Vergaben mit Teilnahmewettbewerb sind in Tageszeitungen, amtlichen Veröffentlichungsblättern, Fachzeitschriften oder Internetportalen bekannt zu machen. Bekanntmachungen in Internetportalen müssen zentral über die Suchfunktion des Internetportals www.bund.de ermittelt werden können.
Was ausreicht, um eine Bekanntmachung über bund.de “ermitteln zu können”, darüber streiten sich seit dem die Gemüter.
Normadressat
§ 12 Abs. 1 VOL/A richtet sich nicht an Bieter und schon gar nicht an die privaten Ausschreibungsdienste. Er richtet allein an die ausschreibenden Stellen. Diese sind fortan verpflichtet, das ihrerseits Erforderliche zu tun, um die Suchbarkeit ihrer Bekanntmachung auch auf bund.de sicher zu stellen. Nun ist aber weder damit zu rechnen, dass man auf Seite der geschätzten 30.000 Beschaffungsstellen im Land entsprechende technische Schnittstellen schaffen wird, noch wird der Betreiber von bund.de, das Bundesverwaltungsamt, die Aufbereitung der Bekanntmachungen für die einzelnen Beschaffungsstellen übernehmen. Und damit sind – richtig – mittelbar wieder die privaten Ausschreibungsdienste in der Pflicht, denn die öffentlichen Auftraggeber werden wie bisher von diesen eine rechtskonforme Bekanntmachung ihrer Ausschreibung erwarten.
Ausschreibungsdienste beziehen Position
Die von den privaten Diensten aufbereiteten Bekanntmachungen in aller Detailtiefe sozusagen frei Haus an bund.de zu übermitteln, würde einem Ausverkauf der eigenen Wertschöpfung gleichkommen. Ohne eine entsprechende Aufbereitung und hinreichende Detailtiefe wird die Suchfunktion von bund.de – wenn denn wirklich einmal alle Bekanntmachungen im Pool enthalten sein sollen – aber keine hinreichende Treffgenauigkeit bieten können. Ort der Leistungserbringung, exakter Auftragsgegenstand, geschätztes Auftragsvolumen, Ende der Bewerbungsfrist, Ausführungszeitraum, etc. – Bleibt da noch genug Mehrwert auf Seite der privaten Ausschreibungsdienste übrig, der einen kostenpflichtigen Bezug für die Bieter rechtfertigt? Wo liegt die goldene Mitte?
Den haben zumindest einige der führenden privaten Dienste nun für sich proaktiv festgelegt: Anfang August stimmten drei unter den großen Ausschreibungsdiensten, Vergabe24, Subreport und der Submissions-Anzeiger, den Datensatz ab, den Sie angesichts des neuen § 12 Abs. 1 VOL/A bereit sind an bund.de zu liefern. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ob andere private Anbieter sich der Initiative anschließen werden, ist noch offen. Ein Kompromiss zwischen faktischer Notwendigkeit, will man den Kunden auf Seite der öffentlichen Hand eine Bekanntmachung auch auf bund.de offerieren, und vertretbarem Verlust an eigener Wertschöpfung.
Sollte dieser Kompromiss auch den Beschaffern genügen und zudem noch vergaberechtskonform sein, könnte § 12 Abs. 1 VOL/A den privaten Anbietern letztendlich sogar zum Vorteil gereichen. Denn: Wer die gesamte Bekanntmachung und schlussendlich auch die dazugehörigen Verdingungsunterlagen einsehen will, muss sich auf deren Plattformen begeben. Am einfachsten durch eine Verlinkung von bund.de.
Fazit
Die Entscheidung darüber, welche Informationen der elektronisch publizierten Bekanntmachung auch an bund.de zu liefern sind, trifft nicht das Projekt xVergabe, nicht das BMWi und auch nicht die privaten Ausschreibungsdienste – sondern jede Vergabestelle für sich. Die neue VOL/A lässt an dieser Stelle aus gutem Grund eine Konkretisierung vermissen. Ob das, was dann an bund.de geliefert wird, dem Anspruch an § 12 Abs. 1 VOL/A genügt, wird im Zweifel eine vergaberechtliche Nachprüfungsinstanz klären müssen. Für den hier betroffenen Unterschwellenbereich ist selbige ja gerade durch das BMWi in Planung. Begrüßenswert ist allemal, dass in diesem Vakuum nun einige der privaten Anbieter einen Pflock eingeschlagen haben, damit die Neuregelung nicht bloß geduldiges Papier bleibt.
Und nicht zu letzt: Die privaten Ausschreibungsdienste haben den Markt für praxistaugliche elektronische Bekanntmachungs- und eVergabelösungen in Deutschland entwickelt und aller Unkenrufe zum trotz voran gebracht. Ohne den funktionierenden Wettbewerb zwischen ihnen wäre das sicherlich anders verlaufen.
Lachender Dritter sind in jedem Fall die Bieter, denn sie erhalten mehr Transparenz und einen einfacheren Zugang zum öffentlichen Markt.
Mehr Informationen über den Autor Marco Junk finden Sie im Autorenverzeichnis.
Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für Eviden tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.
Dies ist eine interessante Information, die über VERGABEBLOG noch vertieft werden sollte:
1. Es wäre interessant zu erfahren, auf welchen inhaltlichen Datensatz sich die privaten Produzenten, die an http://www.bund.de liefern, geeinigt haben.
2. Das Problem für den Nutzer ist allerdings mehr die Frage,wie weit etwas, das veröffentlicht wurde, auch zu finden ist. Und hier gibt es bei http://www.bund.de sowohl in der Online-Version als auch in den Möglichkeiten für automatische Profildienste noch sehr viele Verbesserungsmöglichkeiten.