Der EuGH hat sich in einer Entscheidung vom 19. Juni 2008 mit der Möglichkeit von Vertragsanpassungen bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen beschäftigt (Urteil v. 19.06.2008, Rs. C-454/06). Bisher bestand Unsicherheit, ob und in welchem Umfang bestehende Auftragsverhältnisse – z.B. auch komplexe IT-Vorhaben – angepaßt werden können bzw. unter welchen Voraussetzungen Änderungen eines bestehenden Vertrags als eine neue Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags im Sinne der Richtlinie 92/50 anzusehen sind.
Der EuGH sieht Änderungen als unzulässig an, wenn sie „wesentlich“ ist. Dies ist der Fall, wenn die Änderung
- wesentlich andere Merkmale aufweist als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen läßt
- wenn sie Bedingungen einführt, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären
- wenn sie den Auftrag in großem Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert
- wenn sie das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des Auftragnehmers ändert.
In diesem Fall ist die Änderung als eine neue Vergabe zu werten.

Marco Junk
Marco Junk ist Geschäftsführer des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW), dass er im Jahr 2010 gemeinsam mit Dipl.-Kaufmann Martin Mündlein gründete. Nach dem zweiten juristischen Staatsexamen begann er seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für das europäische IT-Unternehmen Eviden, Teil der Atos-Gruppe, tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.
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