Nachdem der „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts“ das Kabinett erfolgreich passiert hat, liegt nun auch die Stellungnahme des Bundesrats vor. Dieser stimmt dem Regierungsentwurf weitgehend zu, hat aber auch über die Reformvorschläge hinausgehende Forderungen.
Mittelstandsförderung
Die Neufassung der “Mittelstandsklausel” des § 97 Abs. 3 sieht vor, das öffentliche Aufträge künftig im Regelfall in Fach- und Teillosen aufgeteilt vergeben werden müssen, es sei denn, dass hiergegen “wirtschaftliche oder technische Gründe” sprechen. Während der zuständige Ausschuss des Bundesrats noch eine gegenüber dem Regierungsentwurf relativierende Fassung vorgesehen hatte, übernimmt der Bundesrat die (grds.) zwingende Aufteilung eines Auftrages in Fach- und Teillose gemäß § 97 Abs. 3 GWB-E.
Vergabefremde Aspekte
Gem. des Regierungsentwurfs sollen an die Ausführung eines Auftrags zusätzliche soziale, umweltbezogene oder innovative Anforderungen, die der Auftragnehmer zu erfüllen hat, gestellt werden dürfen (§ 97 Abs. 4 GWB-E). Hier sahen die Ausschussempfehlungen des Bundesrats zum einen eine Konkretisierung in Form einer abschließenden Aufzählung dieser Aspekte vor, eine andere Empfehlung sprach sich dafür aus, zumindest ein Beispiel für mögliche soziale Aspekte aufzunehmen. Beide Vorschläge blieben am Ende unberücksichtigt. Für die Einbeziehung vergabefremder Aspekte bleibt es also bei § 97 Abs. 4 des Regierungsentwurfes. Zahlreiche Wirtschaftsverbände hatten sich gegen die Aufnahme einer Einbeziehung vergabefremder Aspekte ausgesprochen.
Interkommunale Zusammenarbeit/ Inhouse-Regelung
Eine der – auch aus (europa-)rechtlicher Sicht – interessantesten Regelung des Gesetzentwurfs ist die Aufnahme einer „Inhouse-Regelung“: Der neugestaltete § 99 Abs. 1 GBW soll es der öffentlichen Hand – erstmals rechtssicher – ermöglichen, Leistungen “inhouse”, also zwischen und durch Einrichtungen der öffentlichen Hand selbst zu erbringen, ohne diese am Markt ausschreiben zu müssen. Für den Bereich der Kommunen spricht man hier von interkommunaler Zusammenarbeit (IKZ). Während sich insbesondere die Kommunalen Spitzenverbände für diese Regelung stark machen, ist die anbietende Wirtschaft aus ebenso naheliegenden wie verständlichen Gründen dagegen. Deren Bedenken teilt der Bundesrat jedoch nicht: Er hält eine ausdrückliche Freistellung der IKZ vom Vergaberecht für erforderlich und schlägt daher über den in diesem Punkt abstrakt gehaltenen Regierungsentwurf hinaus, eine explizierte Freistellungsregelung für die IKZ in § 99 Abs. 9 GWB vor. Gleichzeitig wird die Bundesregierung gebeten, bei der EU-Kommission darauf hinzuwirken, dass die Vergaberechtsfreiheit der IKZ auch in den europäischen Vergaberichtlinien klargestellt wird. Wir erinnern uns: Der europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese in ständiger Rechtsprechung (sog. Teckal-Rechtsprechung) an sehr enge Voraussetzungen gebunden, denen der Regierungsentwurf bei weitem nicht gerecht wird.
So sehr es auch nachvollziehbar erscheint, einen Vorgang, der weniger „Beschaffung“ als innerstaatlicher Organisationsakt ist (Bspw. die Übernahme von Dienstleistungen der kommunalen Daseinsvorsorge durch die Nachbarkommune), dem Anwendungsbereich des Vergaberechts zu entziehen, so sollte hier dennoch genau abgewogen werden, zu welchem – im wahrsten Sinne des Wortes – „Preis“ dies letztendlich geschieht: Der – ohnehin schwierige – Markt für öffentliche Aufträge wird sich weiter verengen, einzelne kleine Unternehmen werden sich ggfs. gänzlich hieraus zurückziehen. Der so geschmälerte Wettbewerb dürfte am Ende auch den öffentlichen Auftragnehmern zu schaffen machen, von einer Gewähr zur wirtschaftlichen Verwendung der Haushaltsmittel ganz zu Schweigen.
Einrichtung eines Registers über „schwere Verfehlungen“ von Bietern
Der Bundesrat bittet zu prüfen, ob der Gesetzentwurf um eine Rechtsgrundlage für die Einrichtung eines bundesweiten Registers über schwere Verfehlungen von Bietern ergänzt werden kann.
Einführung elektronischer Auktionen/dynamischer Beschaffungen
Ablehnt wird die Einführung elektronischer Auktionen/dynamischer Beschaffungen. Ebay bleibt also zunächst weiter auf die Privatwelt beschränkt.
Sonderkündigungsrecht des Auftraggebers
Der Bundesrat schlägt ein Sonderkündigungsrecht des öffentlichen Auftraggebers für den Fall vor, dass der EuGH feststellt, dass die Vergabe eines öffentlichen Auftrages gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt.
Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für Eviden tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.
0 Kommentare