Das OLG Brandenburg erweitert mit seinem Beschluss vom 12.01.2010 (Verg W 7/09) die Definition von Dienstleistungskonzessionen und schränkt den Geltungsbereich des Vergaberechts ein. Nach seinem Verständnis liegt eine Dienstleistungskonzession schon vor, wenn Dritte ein Nutzungsentgelt zahlen, und zwar selbst dann, wenn der Auftraggeber die überwiegenden Kosten übernimmt.
Auftragnehmerrisiko auf Vorleistung beschränkt
Zur Erinnerung: Anders als Dienstleistungsaufträge unterliegen Dienstleistungskonzessionen nicht dem Kartellvergaberecht, sondern nur den primärrechtlichen Mindestanforderungen des EG-Rechts.
Das OLG Brandenburg hatte über die Beauftragung eines Privaten mit Dienstleistungen der Tierkörperbeseitigung zu entscheiden. Eigentlich sind im Land Brandenburg die Landkreise und kreisfreien Städte zur Tierkörperberseitigung verpflichtet. Ihre Beseitigungspflicht können sie jedoch auch auf private Inhaber von Verarbeitungsbetrieben übertragen. Das Besondere: Der private Auftragnehmer erhält in diesem Fall von Land und Aufgabenträger je ein Drittel der für die Tierkörperbeseitigung nachgewiesenen Kosten. Für das verbleibende Drittel ist der Private berechtigt, von den Nutzern der Dienstleistung ein privatrechtliches Entgelt zu erheben. Verbleiben dennoch Kostenunterdeckungen, können diese in den folgenden Abrechnungszeiträumen ausgeglichen werden.
Es stellte sich die Frage, ob die Beauftragung eines Privaten trotz des Auftraggeberentgelts eine Dienstleistungskonzession ist.
Das OLG Brandenburg hat dies nun bejaht. Zur Begründung beruft es sich auf ein jüngeres Urteil des EuGH (Urt. v. 10.09.2009 – Rs. C-206/08 – „Eurawasser“). Danach ist Wesensmerkmal der Dienstleistungskonzession das Recht des Auftragnehmers, die von ihm zu erbringende Leistung zu nutzen und für die Leistung ein Entgelt verlangen zu dürfen. Für die Annahme einer Dienstleistungskonzession müsse das vom Auftragnehmer zu tragende wirtschaftliche Risiko nicht notwendig erheblich sein.
Hierdurch soll den Auftraggebern ein gewisser Spielraum eingestanden werden. Denn in bestimmten Tätigkeitsbereichen wie der öffentlichen Daseinsvorsorge ist es üblich, so der EuGH weiter, dass Regelungen gelten, die eine Begrenzung der wirtschaftlichen Risiken bewirken können. Auch hier müssten Auftraggeber die Wahl zur Vergabe einer Konzession haben, wenn sie der Meinung sind, dass die Erbringung der gemeinwirtschaftlichen Leistung so am besten sichergestellt werden kann. Der EuGH verlangt für die Annahme einer Dienstleistungskonzession aber jedenfalls, dass der Auftragnehmer einen „wesentlichen Teil“ des Betriebsrisikos trägt.
Berufung auf EuGH fragwürdig
Die Berufung des OLG Brandenburg auf den EuGH ist fragwürdig. Nach Auffassung des OLG trägt der Auftragnehmer zum einen das Risiko einer Fehlkalkulation aufgrund falscher Annahmen. Zum anderen übernehme er das Risiko der Insolvenz der Dienstleistungsnehmer. Die Möglichkeit, Kostenunterdeckungen in den Folgejahren auszugleichen, schränke diese Risiken zwar ein, wie das OLG selbst zugesteht. Trotzdem trage der Auftragnehmer ein „fühlbares“ Risiko. Denn bis zum Ausgleich möglicher Unterdeckungen müsse dieser in Vorleistung treten. Damit reduziert das OLG die Anforderungen an das Risiko des Auftragnehmers auf ein Minimum.
Für öffentliche Auftraggeber klingen diese Ausführungen verlockend. Denn sie bedeuten eine Einschränkung des Kartellvergaberechts und damit mehr Freiheiten im Vergabeverfahren. Gleichwohl ist ihnen anzuraten, nicht vorschnell von einer Dienstleistungskonzession auszugehen, sobald ein geringes Risiko beim Auftragnehmer verbleibt. Ob der EuGH so verstanden werden will, dass schon die Vorfinanzierung einer am Ende sicheren Kostendeckung ein wesentliches Risiko ist, darf nämlich bezweifelt werden. Zudem hat der EuGH erneut darauf hingewiesen, dass auch bei Vorliegen einer Dienstleistungskonzession die primärrechtlichen Mindestanforderungen des EG-Rechts, insbesondere der Gleichbehandlung und der Transparenz, zu beachten sind.
Herr Soudry ist Rechtsanwalt der Sozietät HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK in Düsseldorf. Dort betreut er Projekte der öffentlichen Hand mit einem Schwerpunkt auf der vergaberechtlichen Beratung.
Dr. Daniel Soudry, LL.M.
Herr Dr. Daniel Soudry ist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Sozietät SOUDRY & SOUDRY Rechtsanwälte (Berlin). Herr Soudry berät bundesweit öffentliche Auftraggeber und Unternehmen bei Ausschreibungen, in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren und im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Darüber hinaus publiziert er regelmäßig in wissenschaftlichen Fachmedien zu vergaberechtlichen Themen und tritt als Referent in Fachseminaren auf.
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