Ein Gerichtsgutachten stellt oft die Weichen im Rechtsstreit. Aber leider arbeitet nicht jeder sachverständige Gutachter sorgfältig. Dies musste die Antragsstellerin in dem vom OLG Celle entschiedenen Fall feststellen und hat sich erfolgreich dagegen gewehrt (Beschluss v. 25.05.2010, 13 Verg 7/10).
Gegenstand der Ausschreibung war die Erstellung einer Software für eine Einsatzleitzentrale. Im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer Niedersachsen sollte der Sachverständige gemäß Beweisbeschluss Stellung nehmen, ob die Angebote der Antragsstellerin und der Beigeladenen von den Vorgaben der Ausschreibung abweichen. Der Sachverständige übernahm in seinem Gutachten nicht nur ungeprüft die Angaben der Vergabestelle, sondern wertete – ungefragt – den Ausschluss der Antragsstellerin als gerechtfertigt.
Das OLG Celle hat mit Beschluss am 25.05.2010 (13 Verg 7/10) der sofortigen Beschwerde der Antragsstellerin stattgegeben und den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Und nicht nur dass: Es wies darauf hin, dass bei grober Fahrlässigkeit der Vergütungsanspruch des Sachverständigen im Regelfall entfallen kann!
Grundsätzlich kann ein Sachverständiger wegen fehlender Unparteilichkeit abgelehnt werden. So bestimmt §§ 406 Abs.1 i.V.m. § 42 Abs.2 ZPO:
„Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters (Anm. d. Verf.: oder Sachverständigen, s. § 406 ZPO) zu rechtfertigen.“
Vorliegend hatte das OLG Celle bei der Stellungnahme des Sachverständigen nicht nur einen, sondern gleich mehrere Indizien für dessen Unparteilichkeit gefunden.
Der Sachverständige führte ungefragt an mehreren Stellen im Gutachten an, dass er den Ausschluss der Antragsstellerin empfiehlt bzw. für gerechtfertigt hält. Das OLG verwies darauf, dass es – lediglich – Aufgabe des Sachverständigen ist, der Kammer die notwendige Fachkenntnis für die Beurteilung strittiger technischer Fragen zu vermitteln. Die rechtliche Wertung obliegt der Vergabekammer. Allerdings hielt diese Vorgehensweise alleine das OLG Celle noch für unschädlich.
Für erheblich schwerwiegender sah das Gericht die zusätzliche Tatsache an, dass der Sachverständige selbst festgelegt hatte, nur offensichtliche und wesentliche Abweichungen zu überprüfen. Hierzu das OLG:
„Nicht wesentliche Abweichungen sowie solche, die nicht offensichtlich sind, will er offenbar – entgegen der diesbezüglichen Rechtsprechung – unberücksichtigt lassen. Damit zeigt der Sachverständige ein Verständnis von seinem Gutachtenauftrag…das für die Antragsstellerin nachteilig ist…und Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen entstehen lässt.“
Die Testgestellung im Bereich der Einsatzleitsoftware zur Überprüfung der Ausschlusskriterien und Angaben der Bieter konnte und wollte der Sachverständige im Rahmen des Gutachtens nicht wiederholen. Vielmehr wollte er die Ergebnisse des Tests ungeprüft und unverändert übernehmen.
Diesem Vorgehen erteilte das OLG eine klare Absage. Der Sachverständige hat die Testergebnisse der Vergabestelle selbst nachzuvollziehen und gegebenenfalls durch eigene Tests zu überprüfen, er kann nicht lapidar die Ergebnisse der Vergabestelle übernehmen.
Eindeutig und eigentlich selbstverständlich ist der ausdrückliche Hinweis des Gerichts, dass bei grober Fahrlässigkeit der Vergütungsanspruch eines Sachverständigen entfallen kann: Schlechte und unsorgfältige Leistung wird nicht geduldet und vor allem nicht bezahlt. Bleibt zu hoffen, dass die Vergabekammer im weiteren Verfahren dem Hinweis des OLG folgt.
Mehr Informationen über die Autorin Monika Prell finden Sie im Autorenverzeichnis.
Monika Prell ist Fachanwältin für Vergaberecht und Partnerin bei der Kanzlei SammlerUsinger in Berlin. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrung im Vergaberecht und berät sowohl öffentliche Auftraggeber bei der Vorbereitung, Konzeption und Gestaltung sowie der anschließenden Durchführung von Vergabeverfahren als auch Bieterunternehmen umfassend bei allen vergaberechtlichen Fragestellungen. Darüber hinaus vertritt Monika Prell ihre Mandanten vor den Vergabenachprüfungsinstanzen. Neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit ist sie als Kommentarautorin tätig, veröffentlicht regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.
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