Mit seiner Entscheidung vom 27.10.2010 (VII – Verg 47/10) hat das OLG Düsseldorf weitere Facetten der Forderung von Eignungsnachweisen beleuchtet, insbesondere zum Thema Rügepflicht. Erneut werden Diskrepanzen zur Spruchpraxis anderer Vergabenachprüfungsorgane deutlich. Das Thema bleibt ein vergaberechtlicher Evergreen!
Ausgangspunkt
Ausgangspunkt war erneut der mittlerweile in ständiger Rechtsprechung des OLG Düsseldorf, vgl. unlängst z. B. im Beschluss vom 23.06.2010, Az.: VII Verg 18/10, aufgestellte Grundsatz, wonach der Auftraggeber alle gewünschten Eignungsnachweise bereits in der Bekanntmachung eindeutig zu fordern hat und zu einem späteren Zeitpunkt keine weiteren Eignungsnachweise mehr fordern darf.
Wann setzt die Rügepflicht ein?
Aus Sicht aller interessierten Bieter und Bewerber ist die Aussage des OLG Düsseldorf zur korrespondierenden Rügepflicht von Interesse. Das OLG Düsseldorf lässt in der Entscheidung nämlich durchblicken, dass ein nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB zu rügender Verstoß gegen Vergaberecht grundsätzlich bereits in der unzulässigen erstmaligen Forderung weiterer Eignungsnachweise in den Teilnahme- bzw. Vergabeunterlagen zu sehen ist.
Der Vergabeverstoß liegt nach Auffassung des OLG Düsseldorf also nicht erst dann vor, wenn ein Auftraggeber einen Bieter oder Bewerber ausschließt, der solche erstmalig in den Teilnahme- bzw. Vergabeunterlagen und nicht bereits in der Bekanntmachung geforderten Eignungsnachweise nicht vorlegt. Insoweit weicht das OLG Düsseldorf von der Rechtsprechung des OLG Koblenz ab, das vor kurzem noch ausgesprochen hatte, dass ein Vergabeverstoß erst dann in Betracht komme, wenn der Auftraggeber einen Bieter mit der Begründung ausschließt, dieser habe (erstmalig) in den Teilnahmeunterlagen oder Vergabeunterlagen geforderte Eignungsnachweise nicht vorgelegt.
Eignungsprüfung ohne Forderung von Nachweisen?
Das OLG Düsseldorf ist im Übrigen der Auffassung, dass der Auftraggeber das Vergabeverfahren nicht zwingend aufheben muss, wenn er (bestimmte) Eignungsnachweise in der Bekanntmachung nicht gefordert hat. Dies ist – so das OLG – vielmehr nur eine Möglichkeit, um bislang (unzulässigerweise erstmals) in den Teilnahme- bzw. Vergabeunterlagen geforderte Eignungsnachweise im Rahmen einer neu veröffentlichten Vergabebekanntmachung wirksam zu fordern.
Das OLG Düsseldorf scheint jedoch dem Auftraggeber auch die Möglichkeit zuzugestehen, die Eignung der Bewerber bzw. Bieter auf andere Art und Weise festzustellen als über die zu spät geforderten und damit nicht zu berücksichtigenden Nachweise (so schon OLG Jena, Beschluss vom 18.05.2009, 9 Verg 4/09). Im vorliegenden Fall war es allerdings so, dass der Auftraggeber die Eignung sämtlicher Teilnehmer positiv festgestellt hatte. Wie der Fall zu entscheiden gewesen wäre, wenn der Auftraggeber die Eignung nur einiger Teilnehmer bejaht, die Eignung der übrigen Teilnehmer aber verneint hätte, lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen.
Fazit und Praxistipp
Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass es für öffentliche Auftraggeber von größter Bedeutung ist, alle gewünschten Eignungsnachweise bereits in der Vergabebekanntmachung eindeutig zu fordern. Ein „Nachschieben“ solcher Anforderungen in späteren Vergabeunterlagen ist wirksam nicht möglich. Auftraggeber können sich dann einzelfallbezogen allenfalls noch so behelfen, dass sie die Eignung der Bewerber auf andere Art und Weise feststellen.
Bei Bewerbern und Bietern müssen umgekehrt die Warnlampen aufleuchten, wenn sie in den Teilnahme- bzw. Vergabeunterlagen Forderungen nach Eignungsnachweisen entdecken, die in der Bekanntmachung noch nicht enthalten waren. Das OLG Düsseldorf sieht nämlich bereits in einem solchen Vorgehen des Auftraggebers einen rügepflichtigen Vergabeverstoß. Warten Bewerber und Bieter ab, ob sie bei Nichtabgabe eines solchen nachträglich geforderten Eignungsnachweises tatsächlich ausgeschlossen werden, riskieren sie, dass sie den Vergabeverstoß allein aus diesem Grund nicht mehr erfolgreich geltend machen können.
Das letzte Wort zum Thema Eignungsnachweise ist auch nach dieser Entscheidung nicht gesprochen. Es bleibt also spannend – über Neuigkeiten informieren wir Sie wie gewohnt hier im Vergabeblog!
Der Autor Dr. Mathias Mantler ist Rechtsanwalt der Sozietät Kaufmann Lutz Rechtsanwaltsgesellschaft mbh, München. Er berät öffentliche Auftraggeber, Bieter und Bewerber in allen vergaberechtlichen Fragestellungen und Vergabeverfahren zu PPP-Projekten, Bau- und Infrastrukturvorhaben sowie Lieferungen und Dienstleistungen. Dr. Mantler unterrichtet das Vergaberecht im Rahmen von Masterstudiengängen an der TU München sowie der Hochschule Augsburg. Mehr Informationen finden Sie in unserem Autorenverzeichnis.
Dr. Mathias Mantler
Der Autor Dr. Mathias Mantler ist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Sozietät LUTZ |ABEL Rechtsanwalts PartG mbB und seit über 20 Jahren im Vergaberecht tätig. Er hat seinen Schwerpunkt in der projektbegleitenden Beratung von Öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen im Zusammenhang mit Beschaffungsvorhaben insbesondere in den Bereichen Infrastruktur, Health Care, Forschung und Entwicklung sowie IT/Digitalisierung sowie in der Vertretung von Auftraggebern und Unternehmen in Vergabenachprüfungsverfahren. Zudem ist er Autor diverser Fachveröffentlichungen im Vergaberecht und Dozent in vergaberechtlichen Seminaren und Lehrveranstaltungen.
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