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BGH: Neue Maßstäbe zur Vergütungsanpassung bei Pauschalverträgen

Ein Gastbeitrag von Ulrich Eix

ParagraphInsbesondere bei großen Bauvorhaben ebenso beliebt wie die Pauschalierung der Vergütung ist der nachträgliche Streit über zusätzliche Vergütung wegen geänderter oder zusätzlicher Leistungen. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 30.06.2011 (Az.: VII ZR 13/10) in maßgeblichen Punkten die bisherige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zurecht gerückt.

1. Der Ausgangsfall

Der Bauherr hatte ein versiertes Abrissunternehmen mit dem Abbruch eines Klinikums beauftragt. Die vertraglich vereinbarte Vergütung setzte sich zusammen aus mehreren Pauschalen betreffend verschiedene Bauteile und Zulagepositionen. In einer der ausgeschriebenen Zulagepositionen war eine Schätzung hinsichtlich der anzutreffenden Estrichstärke enthalten. Anstatt der dort prognostizierten 3 cm Stärke wurden während der Abrissarbeiten Mehrstärken von 4 cm festgestellt. Wegen des sich daraus ergebenden Mehraufwands beanspruchte das Abrissunternehmen einen Nachtrag, der vom Bauherrn nicht akzeptiert wurde.

2. Die Entscheidung

Während die Vorinstanzen den Anspruch abgelehnt hatten hält der BGH einen zusätzlichen Vergütungsanspruch wegen einer „Störung der Geschäftsgrundlage“ nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B a.F. in Verbindung mit § 313 BGB für möglich. Den „klassischen“ Mehrvergütungsanspruch aus §§ 1 Nr. 3, 2 Nr. 5 VOB/B a.F. allerdings verneint der BGH. Das Gericht betont, dass eine Vertragsauslegung auch zum Ergebnis führen kann, dass die Erwähnung von detaillierten Bauumständen lediglich zum Ausdruck bringen soll, wovon der Auftraggeber ausgeht, ohne dass hiermit auch die vergütete Leistung konkretisiert wird. Ist das der Fall, muss allerdings geprüft werden, ob diese Angaben zum „unverbindlichen Leistungssoll“ nicht zur Geschäftsgrundlage des Vertrags geworden sind und ob gem. § 2 Nr. 7 VOB/B a.F. die Geschäftsgrundlage nicht dadurch gestört ist, dass erheblich mehr Leistungen erforderlich waren. Wann vorgesehene (nicht unbedingt geschuldete) Leistung und ausgeführte Leistung so weit auseinanderklaffen, dass ein Festhalten an der vereinbarten Pauschalsumme nicht mehr zumutbar ist, muss laut BGH je nach Einzelfall entschieden werden. Wirken sich die tatsächlich erforderlichen Leistungen allerdings derart auf die Vergütung aus, dass das finanzielle Gesamtergebnis des Vertrags nicht nur den zu erwartenden Gewinn des Unternehmers aufzehrt, sondern auch zu Verlusten führt, dann ist nach den Worten des BGH das Festhalten an der Preisvereinbarung „häufig“ nicht mehr zumutbar.

3. Bisherige Auffassung

Eine Störung der Geschäftsgrundlage hatte die juristische Literatur und die obergerichtliche Rechtsprechung bisher dann angenommen, wenn die Mehrmengen/Mehrkosten 20% des Pauschalpreises überschreiten. Der BGH stellt klar, dass weder bei 10% noch bei 20% eine starre Grenze pauschal festgemacht werden kann.

4. Vergaberechtlicher Aspekt

Der BGH betont, dass die Beurteilung, ob eine detaillierte Beschreibung der Leistung hinsichtlich des damit verbundenen Aufwands zur Geschäftsgrundlage erhoben worden ist, berücksichtigen muss, dass ein öffentlicher Bauherr gehalten ist, dem Unternehmer keine ungewöhnlichen Risiken der Kalkulation aufzuerlegen (§ 9 Abs. 3 VOB/B a.F.) und dementsprechend Angaben im Rahmen einer funktionalen Ausschreibung regelmäßig den Zweck haben, dem Bieter die Kalkulation zu ermöglichen. Jedenfalls der öffentliche Bauherr kann sich deshalb nicht grundsätzlich mit der Behauptung verteidigen, er habe keine detaillierte Leistungsbeschreibung aufstellen müssen.

5. Fazit/Empfehlung

Das Urteil des BGH ist ohne weiteres auf die derzeit gültige Fassung der VOB/B übertragbar, da sich der Wortlaut von § 2 Abs. 7 VOB/B nicht geändert hat. Zwar wird durch das Urteil die Gefahr für den Bauherrn geringer, bei entsprechender Vertragsgestaltung „klassische“ Mehrvergütungsansprüche zu riskieren. Allerdings erhöht sich das Risiko, wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage tiefer in die Tasche greifen zu müssen. Dies gilt zumindest dann, wenn der Auftraggeber in einer Leistungsbeschreibung zum Pauschalvertrag detaillierte Angaben insbesondere zu Mengen macht, die erhebliche kalkulatorische Auswirkungen haben. Derartige Angaben sind in der Regel dahingehend zu verstehen, dass eine Geschäftsgrundlage geschaffen wird. Ob dieses Verständnis durch entsprechende vertragliche Formulierungen wirksam gesteuert werden kann, muss insbesondere in AGB-rechtlicher Hinsicht bezweifelt werden. Der BGH hat zwar eine starre Grenze abgelehnt, wenn es um die Frage geht, wann ein Festhalten am vertraglichen Pauschalpreis unter dem Gesichtspunkt einer Störung der Geschäftsgrundlage nicht mehr zumutbar ist. Dies schließt nicht aus, dass im Einzelfall die bisher angenommene pauschale Grenze von 20% zutreffend ist. Angesichts der zumindest derzeit geringen Gewinnspannen bei Bauaufträgen dürfte dies allerdings nur selten der Fall sein, da der BGH entscheidend darauf abstellt, ob dem Auftragnehmer ein finanzieller Verlust entstehen würde.

EixDer Autor Ulrich Eix ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Er berät sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer in allen Fragen des privaten Bau- und Architektenrechts und lehrt dieses Rechtsgebiet an der DHBW in Stuttgart.
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