Vergabeblog

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OLG München: Eine exklusive Schanklizenz ist keine Dienstleistungskonzession! § 99 Abs. 1 GWB (Beschluss v. 22.01.2012 – Verg 17/11)

§ 99 Abs. 1 GWB

ParagraphKein Heimatfestbier auf der Spessartfestwoche? Darauf hätte es hinauslaufen können, wenn das OLG München (OLG München, Beschluss v. 22.01.2012, Az.: Verg 17/11) dem Nachprüfungsantrag eines Bierlieferanten stattgegeben hätte und die exklusive Ausschanklizenz der Stadt Lohr für einen Konkurrenten für nichtig erklärt hätte. Zumindest hätte die Einordnung als Dienstleistungskonzession zur Durchführung eines transparenten Bietverfahrens zwingen können. Das Gericht verwarf jedoch den Antrag und konkretisierte zugleich die Grenze zwischen allgemeiner Wirtschaftsförderung einerseits und Dienstleistungskonzession andererseits.

Die Entscheidung

In dem entschiedenen Fall räumte die Stadt Lohr einem Bierbrauer vertraglich ein exklusives Recht zur Belieferung der Lohrer Spessartfestwochen mit seinem „Lohrer Festbier“ und allen anderen von ihm hergestellten und vertriebenen Bieren ein. Sie sagte zu, den jeweiligen Festwirt zum ausschließlichen Ausschank dieses in Lohr eingebrauten Festbiers zu verpflichten.

Gegen diese Exklusivlizenz wendete sich ein Konkurrent mit einem Nachprüfungsverfahren. Seiner Ansicht nach war der Vertrag ohne formales Vergabeverfahren nichtig. Die Vergabekammer wies diesen Antrag jedoch zurück, da sie in dieser Lizenz eine nicht ausschreibungspflichtige Dienstleistungskonzession sah. Daraufhin trug der Konkurrent in der Beschwerdeinstanz vor, Vertragsgegenstand seien keine Dienstleistungen, sondern vielmehr die Lieferung von Bier als bewegliche Sache und damit ein Lieferauftrag. Außerdem trage der begünstigte Bierbrauer wegen der Attraktivität der Spessartfestwoche und der fehlenden Konkurrenz keinerlei wirtschaftliches Risiko, wie es bei einer Dienstleistungskonzession üblicherweise erforderlich sei.

Ohne Erfolg!

Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts München bestätigte die Vergabefreiheit – jedoch mit anderer Begründung und viel weitergehend. Aus Sicht des OLG beschaffte sich die Stadt Lohr nämlich schon keine Leistung, so dass es auf die Qualität der Gegenleistung (Entgelt oder wirtschaftliches Nutzungsrecht) gar nicht mehr ankam.

Keine mittelbare Beschaffung außerhalb „genuiner Aufgabenerfüllung“

Dass keine unmittelbare Beschaffung vorlag, war dabei offensichtlich, da die Lieferung nicht an die Stadt Lohr, sondern an den jeweiligen Festwirt erfolgte. Aber auch eine „mittelbare Beschaffung“ lehnte der Senat ab. Er stellte klar: wesentliche Voraussetzung wäre hierfür, dass die betreffende Leistung den öffentlichen Auftraggeber „bei der Wahrnehmung der ihm obliegenden Aufgaben“, insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge, „nennenswert unterstützt“. Er knüpfte insoweit an seine Vorentscheidung zum Breitbandausbau an (vgl. OLG München, Beschluss vom 15.03.2011, Az. Verg 4/11). Nun stellte er klar, dass es demgegenüber nicht ausreichen soll, wenn die Leistung der öffentlichen Hand „bei einer Tätigkeit, die in irgendeiner Weise im öffentlichen Interesse liegt, dienlich“ ist.

Das hier bediente Interesse, die örtliche Wirtschaft zu fördern und eine Tradition aufrecht zu erhalten, sei ein solches nicht ausreichendes allgemeines öffentliches Interesse. Anders sei dies bei Rettungsdienstleistungen oder dem Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel.

Einordnung und Fazit

Zu Recht unterscheidet der Senat zwischen bloßer Wirtschaftsförderung und Einkauf. Die Entscheidung ist insoweit zukunftsweisend: sollte tatsächlich auch die Dienstleistungskonzession dem Vergaberechtsregime unterworfen werden, dann wird die bloße Feststellung, dass das wirtschaftliche Risiko jedenfalls beim Auftragnehmer liegt und auf der bislang der Schwerpunkt der Definition einer Dienstleistungskonzession liegt, nicht mehr ausreichen, um eine Ausnahme vom Vergaberecht zu begründen.

Fragwürdig ist aber, ob insoweit tatsächlich der Beschaffungsbegriff nach der Art der erfüllten Aufgabe definiert werden kann. Darin liegt zumindest ein Widerspruch zu anderen Entscheidungen, die eine Dienstleistungskonzession schon dann bejahten, wenn die Aufgabe lediglich allgemein „im öffentlichen Interesse“ liegt. Das wurde zum Beispiel bejaht für den Betrieb von Test- und Rennstrecken (OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.05.2008, Az.: Verg W 5 / 08), die Kantinenbewirtschaftung (VK Brandenburg, Beschluss vom 27.05.2009, Az. VK 21/09), die Bewirtschaftung einer Fischauktionshalle (VK Hamburg, Beschluss vom 22.03.2005, Az.: VgK FB 2 / 05, nachfolgend bestätigt durch OLG Hamburg, Beschluss vom 11.04.2005, Az.: 1 Verg 2 / 05). Auch der EuGH sah die Bewirtschaftung von Werbeflächen als Dienstleistungskonzessionen an (EuGH, Urteil vom 13.04.2010, Rs. C- 91/08). Die Einordnung als „genuin öffentliche Aufgabe“ ist hier fragwürdig, zur Daseinsvorsorge wird man diese Leistungen aber jedenfalls kaum zählen können.

Sachgerechter erscheint es daher, wie auch im Bereich der Bauvergaben danach zu fragen, wem die Leistung letztlich „wirtschaftlich zugute kommt“: In diese Richtung deutet letztlich auch die Kontrollüberlegung des Senats. Er verneint ein Umgehungsgeschäft mit dem Argument, dass sich die Stadt ohne die Exklusivlizenz mangels Knowhow nicht selbst als Festwirt betätigen und sich das Bier beschaffen würde.

pfarr_valeskaDie Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand. Mehr Informationen über die Autorin finden Sie in unserem Autorenverzeichnis.

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Über Dr. Valeska Pfarr, MLE

Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.

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