Öffentliche Auftraggeber müssen auch bei der Vergabe von Rahmenvereinbarungen die Leistungen klar und vollständig beschreiben, so dass alle Bieter wissen, was sie anbieten sollen. Sämtliche ausgeschriebenen Leistungen müssen Gegenstand des Wettbewerbs sein. Spätere wesentliche Änderungen der ursprünglich ausgeschriebenen Bedingungen sind unzulässig. Das gilt vor allem, wenn die Rahmenvereinbarung nur mit einem Unternehmen geschlossen wird. Vor diesem Hintergrund können Leistungen, deren konkreter Inhalt bei Zuschlag noch nicht feststeht, nicht Gegenstand von Rahmenvereinbarungen sein. Zudem ist ein aufschiebend bedingter Zuschlag für einen Teil der Leistung nicht möglich. Insbesondere kann nicht ein Teil der Leistung später an einen anderen (beispielsweise den zweitplazierten) Bieter vergeben werden (VK Bund, 21.08.2013 – VK 1-67/13).
§§ 14 Abs. 2 und 4, 15 Abs. 2 VSVgV
Sachverhalt
Im Rahmen des PPP-Projekts Herkules schreibt ein öffentlicher Auftraggeber zur Beschaffung abstrahlarmer Hardware eine Rahmenvereinbarung aus. Der Auftrag umfasst drei Arbeitspakete (AP). Was in AP 2 zu liefern ist, soll in AP 1 vom Bieter mit dem Auftraggeber festgelegt werden. Der Auftraggeber will den Zuschlag aufschiebend bedingt zunächst für AP 1 erteilen. AP 2 und 3 sollen erst nach Ausführung von AP 1 beauftragt werden; gegebenenfalls auch an den zweitplazierten Bieter. Preise und Lieferzeiten sollen nach Verständnis des AG nur für eine Erstlieferung von 200 Stück gelten. All dies ging aus den Vergabeunterlagen nicht eindeutig hervor. Ein Bieter rügte die Vergabeunterlagen als widersprüchlich und unkalkulierbar. Der Bieter gab dennoch ein Angebot ab. Darin fehlten drei auszufüllende technische Angebotsblätter. Zudem enthielt es eine Zulassungsurkunde, deren Gültigkeitsdauer überschritten war. Der Auftraggeber erfuhr auf Nachfrage bei der zuständigen Behörde, dass der Bieter eine gültige Zulassung besitzt. Er teilte daraufhin dem Bieter mit, dass der geforderte Nachweis erbracht ist. Der Auftraggeber half den Rügen nicht ab. Der Bieter wandte sich darauf an die Vergabekammer, die ihm Recht gibt.
Die Entscheidung
Der Auftraggeber muss das Verfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzen. Die Vergabekammer hält die Leistungsbeschreibung für unbestimmt und intransparent. Dabei komme es nicht darauf an, wie der Auftraggeber seine Leistungsbeschreibung verstanden hat. Entscheidend sei die Sicht eines objektiven, mit Vergabeverfahren vertrauten Bieters. Aus deren Sicht waren alle drei AP sowie Preise und Lieferzeiten uneingeschränkt für die Laufzeit der Rahmenvereinbarung und nicht nur für die Lieferung von 200 konkreten Geräten anzubieten. Die Bieter wussten jedoch bei Angebotsabgabe nicht, was sie in AP 2 liefern müssen. Damit seien die Angebote nicht miteinander vergleichbar.
Zudem würde der Auftraggeber die Zuschlagsentscheidung anhand von Parametern treffen, deren konkreter Inhalt noch gar nicht feststeht. Die spätere Beschaffung bestimmter Geräte in AP 2 habe noch gar nicht im Wettbewerb gestanden. Das sei unzulässig, da die ursprünglich ausgeschriebenen Bedingungen auch bei der Vergabe von Rahmenvereinbarungen nicht nachträglich wesentlich geändert werden dürfen. Das gelte vor allem, wenn diese nur mit einem Unternehmen geschlossen wird.
Erhebliche Bedenken hat die Vergabekammer auch hinsichtlich des vorgesehenen aufschiebend bedingten Zuschlags. Werde ein Auftrag ausgeschrieben, der mehrere Leistungen umfasst, sei der Zuschlag auch in diesem Umfang zu erteilen. Im Übrigen scheitere die spätere Beauftragung der AP 2 und 3 an einen anderen Bieter schon daran, dass mit Ablauf der Bindefrist alle (weiteren) Angebote erlöschen. Damit liege dem Auftraggeber zu diesem Zeitpunkt überhaupt kein Angebot eines der übrigen Bieter mehr vor.
Rechtliche Würdigung
Interessant an dieser Entscheidung ist neben der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Leistungsbeschreibung vor allem auch die Zulässigkeitsprüfung. Die Vergabekammer hält den Nachprüfungsantrag trotz einer ungültigen Zulassungsurkunde und des Fehlens von drei technischen Angebotsblättern für zulässig.
Zutreffend hält die Vergabekammer den Nachweis der geforderten Zulassung durch die Bestätigung der Behörde für ausreichend. Außerdem hätte der Nachweis gemäß § 22 Abs. 6 VSVgV nachgefordert werden können. Diese Möglichkeit bestehe nicht nur, wenn eine geforderte Eignungsunterlage (physisch) fehlt, sondern auch dann, wenn sie hinsichtlich Form, Umfang oder Gültigkeitsdauer nicht den Anforderungen des Auftraggebers entspricht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2004 – VII-Verg 11/04 und Beschluss vom 09.05.2011 – VII-Verg 40/11). Zu alledem hatte der Auftraggeber auf einen weiteren Nachweis ausdrücklich verzichtet. Er kann deshalb dem Bietern nunmehr (im Nachprüfungsverfahren) das Fehlen des Nachweises nicht mehr vorwerfen.
Auch das Fehlen von drei Formularen ist für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags unerheblich. Für die Antragsbefugnis sei der Vortrag des Bieters als richtig zu unterstellen. Danach wäre die Leistungsbeschreibung zu unbestimmt und Angebote daher nicht wertbar. Bei einer neuen Ausschreibung müsste der Bieter Gelegenheit erhalten, ein überarbeitetes Angebot abzugeben. Ergänzt sei, dass der Bieter sich aufgrund der unbestimmten Leistungsbeschreibung gehindert sah, ein chancenreiches Angebot abzugeben. In einem solchen Fall müsste er nicht einmal ein Angebot abgeben und wäre trotzdem antragsbefugt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.02.2012 – VII-Verg 75/11). Gibt er dennoch ein Angebot ab, kann das Fehlen geforderter Erklärungen nicht dazu führen, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig ist.
In der Sache stellt die Vergabekammer klar, dass auch bei der Vergabe von Rahmenvereinbarungen die Leistungen so klar zu beschreiben sind, dass alle Bieter wissen, was Sie anbieten sollen und die Angebote vergleichbar sind (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.10.2011, VII-Verg 54/11). Das gilt ungeachtet der kontrovers diskutierten Frage, ob und welche Kalkulationsrisiken den Bietern insbesondere bei Rahmenvereinbarungen auferlegt werden dürfen (vgl. OLG Düsseldorf, IBR 2013, 370; OLG Dresden, IBR 2011, 656; OLG Jena, IBR 2011, 1299).
Auch Fehler im eigenen Angebot sollten Bieter nicht daran hindern, Vergabeverstöße anzugreifen. Das gilt jedenfalls bei unklaren und widersprüchlichen Leistungsbeschreibungen. Denn auf deren Grundlage eingereichte Angebote sind ohnehin nicht wertbar.
Auftraggeber sollten schon im eigenen Interesse auch bei der Vergabe von Rahmenvereinbarungen die Leistungen und deren Umfang klar und eindeutig beschreiben. Sie sollten Kalkulationsrisiken nicht bis zur Grenze der Zumutbarkeit auf die Bieter übertragen sondern soweit möglich vermeiden. Nur so ist zu erwarten, dass der Zuschlag tatsächlich auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird.
Dr. Konstantin Pohlmann berät überwiegend im Vergaberecht und im privaten Bau- und Architektenrecht. Im Vergaberecht berät er Bieter und Auftraggeber in allen Stufen eines Vergabeverfahrens und vertritt sie in Nachprüfungsverfahren und Schadenersatzprozessen.
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