Das OLG Düsseldorf hatte für Aufsehen gesorgt, als es entschied, dass Nachweise ohne abschließende Liste gemäß § 9 Abs. 4 VOL/A-EG nicht wirksam gefordert sind und Bieter dann nicht wegen fehlender Nachweise ausgeschlossen werden dürfen. Doch nun scheint das OLG Düsseldorf seine Rechtsprechung zu relativieren. Zugleich zeigt es Auftraggebern mögliche Vorgehensweisen im laufenden Vergabeverfahren auf, wenn konkrete Nachweise nicht wirksam gefordert wurden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.07.2013, Az.:Verg 10/13).
§ 9 Abs. 4 EG VOL/A, §§ 19 Abs. 2, 3 VOL/A-EG
Leitsätze (nicht amtlich)
1. Ungeachtet der zu solchen Fällen bisher ergangenen Entscheidungen des Senats (u.a. Beschl. v. 3. August 2011 – Verg 30/11; Beschl. v. 26. März 2012 – Verg 4/12; Beschl. v. 28.11.2012 – Verg 8/12) hat auch der Auftraggeber, der die vorzulegenden Nachweise (eingeschlossen Erklärungen) lediglich in keiner abschließenden Liste nach § 9 Abs. 4 VOL/A-EG zusammengefasst hat, deren Vorlage rechtswirksam gefordert.
2. Er darf Angebote wegen Fehlens solcher Nachweise in einem solchen Fall aber erst ausschließen, nachdem er den betreffenden Bietern die Möglichkeit gegeben hat, diese Nachweise nachzureichen, sie aber nicht vorgelegt worden sind (§ 19 Abs. 2 VOL/A-EG).
Sachverhalt
Bei einer europaweiten Ausschreibung über die Lieferung von Körperschutzausstattung forderte ein Auftraggeber, alle notwendigen Zertifikate oder vergleichbaren Nachweise beizufügen, welche die Erfüllung der Forderungen der Leistungsbeschreibung belegen. Gemäß der Leistungsbeschreibung sollten der Anzug und der Helm genauer bestimmten Mindestanforderungen an einen Schutz vor Munitionssplittern und Detonationsdruck genügen, die als Ausschlusskriterien gekennzeichnet waren. Genauere Angaben zu Art und Qualität der vorzulegenden Nachweise enthielten die Vergabeunterlagen aber nicht. Auch eine abschließende Liste der Nachweise im Sinn des 9 Abs. 4 VOL/A-EG war den Vergabeunterlagen nicht beigefügt. In einem ersten Nachprüfungsverfahren entschied die Vergabekammer, dass die Erklärungen und Nachweise des für den Zuschlag vorgesehenen Bestbieters unzureichend waren. Sie verpflichtete den Auftraggeber zur Nachforderung und Wiederholung der Wertung. Der unterlegene Wettbewerber griff auch die anschließende, im Ergebnis unveränderte, Entscheidung mit einem Nachprüfungsantrag an. Er bemängelte, dass die Nachweise nach wie vor unzureichend seien und der Bestbieter auszuschließen sei.Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Das OLG Düsseldorf erklärte einen Ausschluss wegen unzureichender Nachweise mangels wirksamer Forderung für unzulässig.
Nachweisanforderungen unbestimmt: keine wirksame Forderung
Entscheidend war jedoch nicht, dass die Liste nach § 9 Abs. 4 VOL/A-EG fehlte, sondern, dass der Auftraggeber bereits Art und Inhalt der vorzulegenden Nachweise und Zertifikate nicht hinreichend konkret angegeben hatte. Die Beurteilung des Geeigneten blieb dem Gutdünken der Bieter überlassen. Weder ergab sich aus den Vorgaben, dass Nachweise von unabhängigen Prüfstellen erforderlich waren, noch, dass Fremdzertifikate auf das Bieterunternehmen ausgestellt sein mussten; auch gab es keine Vorgabe, ob nur Fremdnachweise oder auch Eigenerklärungen zugelassen waren. Nachweise mit konkreten Vorgaben waren auf diese Weise nicht wirksam gefordert. Ein auf unzureichende Nachweise gestützter Ausschluss des Bestbieters wäre deswegen unzulässig gewesen.
Forderung auch ohne Liste wirksam, aber Ausschluss erfordert Nachforderung
Überdies erklärte der Senat, dass auch die erforderliche Liste nach § 9 Abs. 4 VOL/A EG fehlte. In ausdrücklicher Distanzierung zu vorangehenden Entscheidungen erklärte er jedoch, dass die Forderung nicht deswegen unwirksam sei. Anders als nach der bisherigen Rechtsprechung erachtete er also einen Ausschluss auch ohne diese Liste grds. als zulässig allerdings erst nach vorheriger Nachforderung, die dem Bieter Gelegenheit zur Nachreichung gibt.
Lösungswege bei unklaren Anforderungen
Das OLG Düsseldorf zeigte bei einer derartigen Sachlage drei mögliche Vorgehensweisen eines Auftraggebers auf:
· Er kann den Mangel im laufenden Verfahren durch Konkretisierung der Anforderungen an Nachweise beheben und diese von allen Bietern in angemessener Frist nachfordern.
· Er kann das Verfahren in das Stadium vor Angebotsabgabe zurückversetzen und die nicht vorliegenden Nachweise nachfordern.
· Im konkreten Fall war es ebenfalls zulässig, nur von dem Bestbieter sämtliche vorliegenden Zertifikate zu fordern und im Übrigen die vorgelegten Nachweise (insbesondere Eigenerklärungen) ausreichen zu lassen. Dadurch wurden lediglich die Anforderungen an den Nachweis abgesenkt, nicht jedoch die inhaltlich vorgegebenen und durch den Auftragnehmer im Zuschlagsfall zu erfüllenden Sicherheitsanforderungen. Die Vergabestelle hatte neben vorliegenden Eigenerklärungen unter anderem auch die geforderten Musteranzüge im Rahmen eigener Tests auf die Einhaltung von Sicherheitsstandards überprüft, so dass dies gewährleistet war. Die gewählte Vorgehensweise war dem Wettbewerber zwar nicht mitgeteilt worden, er konnte aber keine daraus resultierende Beeinträchtigung seiner Auftragschancen nachweisen.
Diese Entscheidung reduziert die Bedeutung der Liste nach § 9 Abs. 4 VOL/A EG in begrüßenswerter Weise. Doch Vorsicht: unverändert gilt der Grundsatz, dass ein Ausschluss nur möglich ist, wenn die Bieter zuvor sicher und zweifelsfrei anhand der Vergabeunterlagen erkennen können, welche genauen Erklärungen oder Nachweise sie in welchem Stadium des Vergabeverfahrens einreichen müssen. Auftraggebern ist also nach wie vor auch aus Gründen der Verfahrensökonomie – zu empfehlen, die geforderten Unterlagen so klar wie möglich anzugeben und auch eine Liste gemäß § 9 Abs. 4 VOL/A EG zu erstellen.
Offen ist, ob bei einer klarstellenden Nachforderung, wie sie der Senat beschreibt, eine weitere Nachforderung gemäß § 19 Abs. 2 VOL/A EG möglich wäre. Der Wortlaut des § 19 Abs. 2 VOL/A EG bezieht sich auf die Nichtvorlage von Nachweisen bei Angebotsfrist. Das könnte dafür sprechen, dass eine solche weitere Nachforderung nur dann möglich ist, wenn das Verfahren zurückversetzt und eine neue Angebotsfrist bestimmt wird. Andererseits wäre der Bieter der ja erstmals eine konkretisierte Nachweisanforderung erhält – dann in anderen Fällen schlechter gestellt als bei Nichtvorlage eines eindeutig und damit wirksam geforderten Nachweises. Hier bleibt die weitere Rechtsprechung abzuwarten.
Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.
0 Kommentare