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Ausschreibung von Originalprodukten (nur) zulässig, wenn durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt und in den Vergabeakten nachvollziehbar dokumentiert (VK Bund, Beschl. v. 09.05.2014, VK 2-33/14)

EntscheidungDas Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers ist begrenzt durch das Gebot, produktneutral auszuschreiben. Eine Ausnahme hiervon ist (nur) möglich, wenn die Festlegung auf ein bestimmtes Produkt objektiv auftrags- oder sachbezogen ist und der Auftraggeber seine Entscheidung in der Vergabeakte nachvollziehbar begründet.

GWB § 97 Abs. 1; VOL/A 2009 § 8 EG Abs. 7 Satz 1

Sachverhalt

Die Verfahrensbeteiligten streiten über die aus Sicht der Antragstellerin vergaberechtswidrig fehlende Produktneutralität der Ausschreibung von Verbrauchsmaterialen für Druckersysteme (konkret ging es um Druckerpatronen) durch die Auftraggeberin. In der Vergabeakte hatte die Auftraggeberin den Bezug von Original-Produkten des Herstellers der Drucker „abweichend von der grundsätzlich geltenden Produktneutralität“ damit begründet, dass sie nicht Eigentümerin der Drucker sei und dass durch das im Vertrag mit der Eigentümerin „festgelegte Verfahren zur Nutzung dieser hier zur Verfügung gestellten Drucker nur Original-Produkte der Firma […] eingesetzt werden dürfen“.

Eigentümerin der Druckgeräte ist eine Kapitalgesellschaft, deren einziger Zweck darin besteht, Aufgaben für die Auftraggeberin wahrzunehmen, welche diese aus organisatorischen Gründen ausgelagert hat. Auch diese Kapitalgesellschaft ist nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 19.06.2013, VII-Verg 55/12 – Besprechung von Dr. Pohl auf Vergabeblog.de) öffentliche Auftraggeberin. Eine Regelung in dem bereits aus dem Jahr 2008 datierenden, ohne einen Vergabewettbewerb abgeschlossenen Rahmenvertrag mit dem Gerätehersteller sieht den Verlust von Gewährleistungsansprüchen des Käufers/Eigentümers der Drucker bei Verwendung nicht autorisierten Materials vor.

Die Entscheidung

Die VK Bund hat dem Nachprüfungsantrag – im Ergebnis v. a. aufgrund der Besonderheiten in den Rechtsbeziehungen zwischen Auftraggeberin und Kapitalgesellschaft einerseits und Geräte-Hersteller andererseits – stattgegeben.

Im Ausgangspunkt bestätigt die VK Bund unter Hinweis auf das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 27.06.2012 – Verg 7/12 – Gastbeitrag von RAin Dr. Dageförde auf Vergabeblog.de), dass ein öffentlicher Auftraggeber selbst bestimmen kann, was er beschaffen möchte. „Seine Entscheidung über den Beschaffungsbedarf ist dem Anwendungsbereich des Vergaberechts vorgelagert; das Vergaberecht regelt nicht das „Was“ der Beschaffung, sondern vielmehr das „Wie“, konkret nämlich das Verfahren, in welchem ein Vertragspartner für den unabhängig von vergaberechtlichen Bindungen festgelegten Beschaffungsbedarf ausgewählt wird. […] Der Festlegung eines bestimmten Beschaffungsgegenstands ist dabei stets eine gewisse wettbewerbsbeschränkende Wirkung immanent, da die Entscheidung „für“ etwas gleichzeitig die Entscheidung „gegen“ etwas anderes beinhaltet, das vielleicht auch möglich gewesen wäre, um den zugrundeliegenden Bedarf zu decken. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Bestimmung des Beschaffungsgegenstands zwangsläufig eine ausgrenzende Wirkung zukommen muss.“

Das Bestimmungsrecht des Auftraggebers erfährt jedoch durch das Gebot, grundsätzlich produktneutral auszuschreiben, Grenzen, die vorliegend nach Einschätzung der VK Bund überschritten wurden.

Der drohende Verlust von Gewährleistungsansprüchen beim Einsatz von nicht autorisiertem Verbrauchsmaterial mag zwar grundsätzlich und generell geeignet sein, einen sachlichen, auftragsbezogenen und nachvollziehbaren Grund für einen öffentlichen Auftraggeber darzustellen, um die Nachfragebeschränkung auf Originalmaterial zu legitimieren. Im konkreten Fall erkennt die VK Bund die vertraglichen Risiken des Auftraggebers indes nicht als sachlichen Grund für die produktbezogene Vergabe an. Sie begründet dies damit, dass der Vertrag über die Beschaffung der Drucker, der die Grundlage für die Beschaffung der Verbrauchsmaterialien bildet, selbst vergaberechtswidrig zustande gekommen ist und dies einer Perpetuierung der vergaberechtskonträren Verhältnisse gleich käme.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung der VK Bund gibt zunächst die mittlerweile gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zur Reichweite des Leistungsbestimmungsrechts des Auftraggebers und zu den (engen) Voraussetzungen für eine produktbezogene Ausschreibung wieder. Insoweit ist die Entscheidung der VK Bund nicht überraschend.

Aufhorchen lässt indes, dass die VK Bund ihre Entscheidung im Wesentlichen mit der Perpetuierung der vergaberechtskonträren Verhältnisse begründet. Dies ist mit Blick auf die Regelung des § 101b GWB kritisch zu bewerten. Das OLG Karlsruhe hat hierzu richtiger Weise darauf hingewiesen, dass es gerade Sinn und Zweck der Regelung des § 101b GWB ist, Vergaben nach Ablauf der dort festgeschriebenen Frist der vergaberechtlichen Prüfung zu entziehen und der Beschaffung ungeachtet etwaiger Vergaberechtsverstöße im Sinne der Rechtssicherheit Bestand zu verleihen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.11.2013 – 15 Verg 5/13 – Besprechung der Autorin auf Vergabeblog.de unter Verweis auf OLG München, Beschl. v. 19.07.2012 – Verg 8/12). Dieser Gesetzeszweck wird durch die von der VK Bund angenommene Gefahr einer Perpetuierung von vergaberechtskonträren Verhältnisse konterkariert.

Praxistipp

Ungeachtet der streitentscheidenden strittigen Rechtsfrage, ob und inwieweit es bei einer Auftragsvergabe eine Rolle spielen kann, ob relevante Vorverträge vergaberechtskonform zustande gekommen sind oder nicht, weist die VK Bund öffentliche Auftraggeber einmal mehr zu Recht darauf hin, dass jede Begründung für eine produktbezogene Ausschreibung transparent und nachvollziehbar in den Vergabeunterlagen dokumentiert sein muss. Ansonsten hat der öffentliche Auftraggeber von vornherein „schlechte Karten“.

Hinweis der Redaktion: Der Themenkomplex “Produktneutrale IT-Beschaffung” wird auch im Rahmen unseres 1. Deutschen Vergabetages am 23.10.2014 in Berlin behandelt, Programm und Anmeldung hier.

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Über Dr. Beatrice Fabry

Die Autorin Dr. Beatrice Fabry ist Rechtsanwältin der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie berät seit vielen Jahren die öffentliche Hand und deren Unternehmen umfassend in allen Organisationsfragen sowie bei der Konzeption / Durchführung von Vergabeverfahren und Investorenwettbewerben.

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