Die nicht fristgemäße Einreichung des Teilnahmeantrags führt auch in VOF-Verfahren zwingend zur Nichtberücksichtigung des Bewerbers. Dies gilt auch, wenn die Übermittlung auf dem Postweg vorgeschrieben war und der Postdienstleister die verspätete Zustellung verschuldet hat.
§ 14 EG Abs. 6 Nr. 1 VOB/A, § 19 EG Abs. 3 lit. e) VOL/A, § 8 Abs. 1 VOF, § 254 Abs. 2 S. 2 BGB
Leitsatz
- Die nicht rechtzeitige Vorlage des Teilnahmeantrags bei der Vergabestelle hat auch in einem Vergabeverfahren nach der VOF die zwingende Nichtberücksichtigung zur Folge. Dies folgt aus der mit der Festlegung der Bewerbungsfrist durch den Auftraggeber ausgelösten Selbstbindung.
- Verspätungen, die etwa aus einer ungewöhnlich langen Postlaufzeit resultieren, betreffen das dem Bewerber auferlegte Übersendungsrisiko. Davon ist auch dann keine Ausnahme zu machen, wenn die Vergabestelle die Übermittlung auf dem Postweg vorgeschrieben hatte und die Verspätung durch Verschulden des Postdienstleisters verursacht wurde.
- Es besteht kein Anlass, verspätet eingereichte Teilnahmeanträge anders zu behandeln als verspätet eingereichte Angebote.
Sachverhalt
Im Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb nach der VOF schrieb der Antragsgegner die Erbringung der Leistungsphasen 5 bis 9 gemäß HOAI für die technische Ausrüstung, Elektro- und IT-Technik für den Neubau einer Verkehrs- und Betriebszentrale aus.
Nach der EU-weiten Bekanntmachung war die geplante Zahl der Wirtschaftsteilnehmer auf 3 begrenzt. Die Teilnahmeunterlagen mussten auf dem Postweg eingereicht werden. Als Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge war der 08.04.2014, 10:00 Uhr, bestimmt.
Die Antragstellerin brachte ihren Teilnahmeantrag vier Tage vor Fristablauf per DHL Express-Sendung auf den Postweg. Er hätte demnach dem Antragsgegner spätestens einen Tag vor Fristablauf zugehen müssen. Tatsächlich ging der Antrag dort jedoch erst am 08.04.2014 um 15:43 Uhr ein.
Mit Schreiben vom selben Tag teilte der Antragsgegner der Antragstellerin den verspäteten Eingang mit. Zudem unterrichtete er die Antragstellerin darüber, dass ihr Teilnahmeantrag wegen des verspäteten Eingangs nicht geöffnet wurde und für das weitere Verfahren nicht berücksichtigt werden könne.
Nach erfolgloser Rüge stellte die Antragstellerin Nachprüfungsantrag. Zu dessen Begründung trug sie u. a. vor, der Ausschluss ihres Teilnahmeantrags verstoße gegen den im Rahmen eines VOF-Verfahren heranzuziehenden Rechtsgedanken des § 19 EG Abs. 3 lit. e) VOL/A. Hiernach seien Angebote auszuschließen, die nicht form- und fristgerecht eingegangen sind, es sein den der Bieter hat dies nicht zu vertreten. Zwar sei anerkannt, dass das Übermittlungsrisiko grundsätzlich der Bewerber bzw. Bieter trage und dieser sich ein Verschulden des von ihm beauftragten Postdienstes gemäß §§ 276, 278 BGB zurechnen lassen müsse. Jedoch ende die Riskosphäre des Bewerbers bzw. Bieters, wenn wie vorliegend eine bestimmte Art der Übermittlung vorgeben gewesen sei und er alles ihm mögliche getan habe, um die rechtzeitige Übermittlung zu gewährleisten.
Die Entscheidung
Ohne Erfolg!. Die Vergabekammer entschied, dass die nicht rechtzeitige Vorlage des Teilnahmeantrags die zwingende Nichtberücksichtigung zur Folge hat.
Zunächst stellte die Vergabekammer fest, dass der Antragsgegner gemäß § 8 Abs. 1 VOF zulässig als Art der Informationsübermittlung die Einreichung des Teilnahmeantrags auf dem Postweg sowie zudem ordnungsgemäß den Schlusstermin (08.04.2014, 10:00 Uhr) festgelegt hat.
Die zwingende Nichtberücksichtigung eines verspäteten Teilnahmeantrags folge aus der mit der Festlegung der Bewerbungsfrist durch den Auftraggeber ausgelösten Selbstbindung, dem Wettbewerbsgebot und der Gleichbehandlung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.05.2001 Verg 23/00). Der zwingende Ausschlussgrund ergebe sich allein aus der Tatsache, dass der Teilnahmeantrag bis zum Fristablauf bei dem Antragsgegner nicht vorlag. Auf die Verspätungsgründe oder ein etwaiges Verschulden komme es grundsätzlich nicht an (VK Nordbayern, Beschluss vom 15.04.2002 320.VK-3194-08/02).
Die strenge Auslegung der Fristenregelung für Angebote durch die Rechtsprechung sei im vorliegenden Fall ohne Abstriche auf Teilnahmeanträge zu übertragen. Die Nichtberücksichtigung sei aus Wettbewerbsgründen geboten. Eine Berücksichtigung würde zur Benachteiligung der anderen Bewerber führen, die ihre Teilnahmeanträge rechtzeitig eingereicht haben. Denn ihre Chance auf den Zuschlag würde sich hierdurch verringern.
Zudem entspräche es gerade dem Gleichbehandlungsgrundsatz, dass sich die anderen Bewerber darauf verlassen können sich nur solchen Konkurrenten im Wettbewerb stellen zu müssen, welche ihrerseits die Abgabefrist eingehalten haben. Andernfalls gäbe man die Verbindlichkeit des in der Bekanntmachung gesetzten Schlusstermins auf. Dies führe zu unzumutbaren Einzelfallprüfungen und daraus resultierenden Rechtsunsicherheiten der Vergabestellen über Verspätungsgründe. Ein alle Bewerber gleichbehandelndes Vergabeverfahren sei nur möglich, wenn die von der Vergabestelle zulässig gemachten formalen Vorgaben verbindliche Voraussetzung für die weitere Beteiligung sind.
Aus einer entsprechenden Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 19 EG Abs. 3 e) VOL/A beziehungsweise § 14 EG Abs. 6 Nr. 1 VOB/A ergebe sich nichts anderes. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin sei allein durch die rechtzeitige Aufgabe des Teilnahmeantrags bei der Post das Übermittlungsrisiko nicht auf den Antragsgegner übergegangen. Denn auch, wenn zutreffend davon auszugehen sei, dass § 278 S. 1 BGB vorliegend keine unmittelbare Anwendung findet und damit keine von der Antragsgegnerin oder ihren Erfüllungsgehilfen zu vertretene Pflichtverletzung vorliegt, bestehe schließlich keine zivilrechtliche Verpflichtung zur Vorlage rechtzeitig eingehender Teilnahmeanträge in einem Vergabeverfahren.
Vielmehr habe die Antragstellerin für die Beteiligung an einem Vergabeverfahren die sie selbst treffende Obliegenheit zu erfüllen, dass ihr Teilnahmeantrag rechtzeitig vorliegt. Für die Beurteilung aus welchem Grund diese Obliegenheit nicht erfüllt worden ist, sei gemäß § 254 Abs. 2 S. 2 BGB die Bestimmung des § 278 S. 1 BGB entsprechend anzuwenden. Der Begriff des Verschuldens im Sinne des § 254 BGB sei jedoch dahingehend zu verstehen, dass ein Verstoß gegen die Gebote des eigenen Interesses im Sinne einer Verletzung einer sich selbst gegenüberstehenden Obliegenheit anzusehen ist. (Palandt/Grüneberg, Kommentar zum BGB, § 254 Rdn.1). Eine Verursachung durch den Erfüllungsgehilfen reiche insoweit aus. Damit falle das Verschulden des Paketdienstleisters in die alleinige Risikosphäre der Antragstellerin.
Zudem sei eine Einbeziehung von verspäteten Angeboten gemäß § 14 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A überhaupt nur möglich, wenn diese zum Zeitpunkt der Submission beim Antragsgegner eingegangen, sprich in dessen Machtbereich gelangt sind (OLG Koblenz, Beschluss vom 20.02.2009 1 Verg 1/09). So setzt § 14 EG Abs. 6 Nr. 1 voraus, dass das Angebot nachweislich vor Ablauf der Angebotsfrist dem Auftraggeber zugegangen war, aber bei Öffnung des ersten Angebots aus vom Bieter nicht zu vertretenden Gründen dem Verhandlungsleiter nicht vorgelegen hat. Das war hier offensichtlich nicht der Fall. Deshalb kann sich die Antragstellerin auf diese Regelung von Vornherein nicht berufen. Auch sei kein Grund ersichtlich, diese Rechtsprechung nicht auf den vorliegenden Fall zu übertragen.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände wäre der Antragstellerin die Verspätung nur dann nicht zuzurechnen gewesen, wenn diese entweder der Auftraggeber oder niemand wie beispielsweise im Fall von Naturereignissen zu vertreten hat.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung der Vergabekammer Südbayern, die strenge Rechtsprechung zum Ausschluss verspäteter Angebote grundsätzlich auch auf verspätete Teilnahmeanträge in VOF-Verfahren zu übertragen, verdient Zustimmung. Die hierfür angeführten Gründe vermögen zu überzeugen. Dies gilt insbesondere für die angeführte Selbstbindung der Vergabestelle an von ihr zulässig gemachte formale Vorgaben. Dabei gefällt der in der Praxis häufig vernachlässigte Hinweis der Vergabekammer auf die sich andernfalls ergebenden Rechtsunsicherheiten und damit verbundenen Schwierigkeiten beziehungsweise Risiken. Selbiges lässt sich ebenso zu der Klarstellung, dass es sich auch beim Teilnahmewettbewerb um einen Wettbewerb und nicht um eine bloße Eignungsprüfung handelt, für den gleichermaßen Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz gelten, festhalten. Insoweit dürfte die Entscheidung im Zusammenhang mit der verspäteten Abgabe von Teilnahmeanträgen insgesamt für mehr Rechtssicherheit sorgen.
Praxistipp
Der vorliegende Beschluss der Vergabekammer Südbayern stellt klar, dass die strenge Auslegung der Fristenregelung für Angebote auch für Teilnahmeanträge in VOF-Verfahren Anwendung findet. Danach dürfen von den Vergabestellen verspätet eingegangene Teilnahmeanträge grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Die betreffenden Bewerber sind von der Vergabestelle zwingend auszuschließen. Dies gilt auch dann, wenn die Verspätung auf Übermittlungsprobleme bei der Post sowie für die Bewerber nicht einsehbare Umstände zurückzuführen ist. Denn diese fallen grundsätzlich in die Risikosphäre der Bewerber und Bieter. Aus diesem Grund müssen die Bewerber und Bieter zulässig gesetzte Abgabefristen stets einhalten und etwaige Übermittlungsrisiken mit einkalkulieren.
Bastian Gierling
Bastian Gierling ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei LLR – Legerlotz Laschet Rechtsanwälte PartG mbB in Köln. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Beratung und Vertretung von öffentlichen Auftraggebern in allen Fragen des Vergaberechts sowie von Unternehmen und Gebietskörperschaften im Öffentlichen Bau- und Planungsrecht. Dabei erstreckt sich sein Tätigkeitsfeld auch auf die baubegleitende Rechtsberatung bei großen Bau- und Infrastrukturprojekten der öffentlichen Hand.
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