Rechtsberatungsleistungen dürfen in der Regel nicht im Wege der Gesamtvergabe gemeinsam mit anderen Beratungsleistungen (etwa durch IT-Fachleute oder Ingenieure) ausgeschrieben werden, sondern sind als Fachlos gesondert auszuschreiben.
Bei komplexen Beschaffungsvorhaben sind öffentliche Auftraggeber von der Vorbereitung bis zur Durchführung des Projektes immer häufiger auf umfangreiche externe Beratungsleistungen angewiesen: Unternehmensberater, Vergabe- und Baujuristen, Architekten und Ingenieure verschiedenster Fachrichtungen sowie IT-Fachleute sind nur einige Beispiele aus dem weiten Spektrum der benötigten Berater. Allzu oft sollen derartige Beratungsleistungen an einen einzigen Auftragnehmer vergeben werden, der dann ggf. als Bietergemeinschaft oder unter Einsatz von Nachunternehmern eine Komplettberatung aus einer Hand anbieten soll. Die Vergabekammer Brandenburg (VK Brandenburg) hat nun in einem in eigener Sache der Kanzlei HFK Rechtsanwälte LLP unter Beteiligung des Autors geführten Nachprüfungsverfahren klargestellt, dass ein solches Vorgehen in aller Regel gegen das Gebot der losweisen Vergabe verstößt. Die Kammer stellte zudem klar, dass einer Gesamtvergabe von juristischen und sonstigen Beratungsleistungen an einen einzigen Auftragnehmer gewichtige standes-, berufs- und steuerrechtliche Bedenken entgegenstehen, die bei der Konzeption von Beratervergaben unbedingt berücksichtigt werden sollten.
§§ 97 Abs. 1, 3 und 5 GWB; §§ 1, 2, 3, 59a BRAO; § 5 RDG, § 134 BGB
Sachverhalt
Die Antragsgegnerin betreibt ein Landesverwaltungsnetz, über das alle Behörden und Einrichtungen der Landesverwaltung ihre Datenkommunikation abwickeln. Die Weiterentwicklung dieses Netzes und der Bereitstellung in einer neuen Ausbaustufe soll durch ein externes Unternehmen erfolgen. Zur Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens, in dem das externe Unternehmen vertraglich gebunden werden soll, benötigt die Antragsgegnerin technologische und rechtliche Beratungs- und Unterstützungsleistungen. Diese Leistungen schrieb die Antragsgegnerin im Offenen Verfahren nach der VOL/A europaweit aus. Eine losweise Vergabe in technische und rechtliche Beratungsleistungen war nicht vorgesehen. Als Begründung führte die Antragsgegnerin an, dass aus einem fachübergreifenden Blickwinkel die unterschiedlichen technischen und rechtlichen Optionen in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit zu bewerten, zu analysieren und rechtlich unangreifbar in den zu erstellenden Vergabeunterlagen vom Auftragnehmer umgesetzt werden müssten. Benötigt sei dementsprechend eine Gesamtleistung. Bei einer Aufteilung in Lose seien aber lediglich Teilleistungen zu erwarten. Den erforderlichen interdisziplinären Managementaufwand zur Koordinierung und Zusammenführung der Leistungen könne die Antragsgegnerin nicht erbringen.
In dem von den Bietern auszufüllenden und einzureichenden Preisblatt wurde ein einheitlicher Preis pro Personentag (brutto und netto) abgefragt, wobei lediglich kalkulatorisch von mindestens 150 Personentagen ausgegangen wurde. Nähere Angaben zu dem voraussichtlich anfallenden Beratungsaufwand machte die Auftraggeberin nicht.
Im Rahmen der Angebotsphase rügte die spätere Antragstellerin folgende Vergaberechtsverstöße:
· Bei den rechtlichen und technologischen Beratungsleistungen handele es sich um verschiedene Fachlose, die nach § 97 Abs. 3 GWB getrennt zu vergeben sind. Wirtschaftliche oder technische Gründe für eine Gesamtvergabe seien nicht ersichtlich.
· Wirtschaftliche Gründe sprächen hier gerade gegen eine Gesamtvergabe. Leistungen der technischen Beratung würden i.d.R. zu deutlich niedrigeren Tagessätzen angeboten als juristische Beratungsleistungen. Um einen einheitlichen Tagessatz anzubieten, müsse das kalkulatorisch vorgegebene Stundenkontingent intern von den Bietern in einen voraussichtlich anfallenden technischen und juristischen Beratungsaufwand aufgeteilt werden. Dies sei seriös nicht möglich. Wenn sich der tatsächlich anfallende juristische oder technische Beratungsaufwand gegenüber der internen Schätzung signifikant erhöhe oder verringere, bestehe bei einem einheitlichen Tagessatz zudem die Gefahr, dass die Auftraggeberin entweder unwirtschaftlich beschaffe oder der Auftragnehmer die Leistung nicht mehr auskömmlich erbringen könne.
· Ferner liege ein Verstoß gegen das Wettbewerbsgebot (§ 97 Abs. 1 GWB) vor, da Rechtsanwälten eine Beteiligung an der Ausschreibung letztlich in gesetzeskonformer Weise nicht möglich sei. Eine Beteiligung in Bietergemeinschaft mit technischen Beratern sei nur unter Verstoß gegen § 59a Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) möglich, wonach eine gemeinsame berufliche Betätigung von Rechtsanwälten mit technischen Beratern unzulässig ist. Die Beteiligung einer Rechtsanwaltssozietät als Nachunternehmer eines technischen Beraters sei nach dem RDG unzulässig, weil dann der technische Berater Rechtsberatungsleitungen erbringen würde, was aber nach dem RDG grundsätzlich nur Rechtsanwälten vorbehalten ist. Auch unzulässig wäre es, wenn eine Rechtsanwaltssozietät einen technischen Berater als Nachunternehmer einschalte, da die Rechtsanwaltssozietät dann in großem Stile technische Beratungsleistungen übernähme und dafür auch haften müsse. Dies wiederspräche §§ 1, 2 und 3 BRAO, wonach der Rechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege einen freien, nicht gewerblichen Beruf ausübt und Rechtsberatung anbietet.
· Schließlich würde das Erbringen von (auch) gewerblichen Leistungen durch eine Anwaltssozietät wegen der sogenannten Abfärberegelung (siehe BVerfG, Beschl. v. 15.01.2008 1 BvL 2/04) potentiell dazu führen, dass die gesamten Umsätze der Anwaltssozietät gewerbesteuerpflichtig werden. Für nicht gewerbesteuerpflichtige anwaltliche Organisationsformen, die in der Praxis den weit überwiegenden Teil ausmachen, wäre eine Bewerbung wegen der Abfärberegelung schlechterdings nicht wirtschaftlich, was den Wettbewerb erheblich einschränken würde.
Die Antragsgegnerin half der Rüge nicht ab, weshalb die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag stellte und die Zurückversetzung des Verfahrens und im Falle fortbestehender Beschaffungsabsicht die getrennte Ausschreibung der anwaltlichen Beratungsleistungen beantragte.
Die Entscheidung
Mit Erfolg. Die Vergabekammer erkannte, dass das Vorhaben der Antragsgegnerin, technologische und rechtliche Beratungsleitungen als einheitlichen Auftrag zu vergeben, gegen das Gebot der losweisen Vergabe verstößt.
Nach der gesetzlichen Konzeption des § 97 Abs. 3 GWB ist die losweise Vergabe die Regel, von der nur ausnahmsweise abgesehen werden kann. Bei den hier benötigten Beratungsleistungen ist eine losweise Vergabe nach Ansicht der Kammer sinnvoll möglich und demgemäß auch grundsätzlich geboten. Der technologische Berater soll die am Markt vorhandenen technischen Möglichkeiten zur Erbringung der Leistung herausarbeiten und bewerten. Die technologischen Gegebenheiten sollen dann in Abstimmung mit dem Rechtsberater rechtssicher in eine Leistungsbeschreibung und eine Vergabeunterlage umgesetzt werden. Ein umfangreiches Projektmanagement zwischen den Disziplinen ist damit nicht erforderlich. Insoweit gehe der Verweis der Antragsgegnerin auf die Rechtsprechung des OLG Celle (Beschl. v. 26.04.2010 13 Verg 4/10), in dem der Senat eine Gesamtvergabe von Rechtsberatung und technischer Beratung ausnahmsweise für zulässig gehalten hat, fehl. Die Entscheidung betreffe eine Sonderkonstellation, weil es in dem dortigen Fall um die Entwicklung verschiedener hochkomplexer ÖPP-Modellvarianten unter Einbeziehung verschiedener Fachdisziplinen ging. Insofern sei der vom OLG Celle entschiedene Fall nicht mit der hier zur Entscheidung anstehenden Konstellation zu vergleichen. Dass zwischen den Beteiligten auch im vorliegenden Fall während der Bearbeitung des Projektes ein gewisser Austausch und damit auch eine gewisse Koordinierung stattfinden müsse, liege in der Natur der Sache. Dies sei aber bei losweisen Vergaben typischerweise der Fall. Insofern seien eine etwaige Erhöhung der Gefahr von Kommunikationsdefiziten und ein erhöhter Koordinierungsaufwand nicht geeignet, eine Gesamtvergabe zu rechtfertigen.
Im Ergebnis sei das Verfahren schon aus diesem Grund vergaberechtswidrig und die weiteren von der Antragstellerin im Verfahren thematisierten berufs-, standes- und steuerrechtlichen Fragestellungen bedurften keiner Entscheidung. Dennoch gab die Kammer zu erkennen, dass sie die Bildung von Bietergemeinschaften und die Begründung von Nachunternehmerverhältnissen unter Beteiligung nicht-anwaltlicher Beratungsunternehmen wegen § 59a BRAO und der Vorschriften des RDG sowie gewerbesteuerrechtlicher Probleme im Bereich anwaltlicher Beraterleistungen für bedenklich halte. Insbesondere bezweifelte die Kammer, dass es sich bei den hier ausgeschriebenen Rechtsberatungsleistungen noch um Nebenleistungen i.S.v. § 5 Abs. 1 RDG handelt, die ausnahmsweise auch von nicht-anwaltlichen Beratern (sei es als Hauptauftragnehmer unter Einsatz von Rechtsanwälten als Nachunternehmer oder durch eine nicht anwaltlich organisierte Bietergemeinschaft) erbracht werden dürfen. Die umfassende Rechtsberatung bei der Vorbereitung und Durchführung eines Vergabeverfahrens sei für den Auftraggeber von großer Bedeutung; es handele sich dabei nicht um bloße Annextätigkeiten zum Berufsbild technologischer Beratungsunternehmen. Dies sei insbesondere deshalb von Bedeutung, weil Verträge, die auf eine Verletzung des RDG gerichtet sind, gemäß § 134 BGB nichtig sind.
Praxistipp
Der Regelungsgehalt des Gebotes zur Losvergabe in § 97 Abs. 3 GWB sollte von Auftraggebern nicht unterschätzt werden. Die Nachprüfungsinstanzen machen in ihren Entscheidungen immer wieder deutlich, dass das Absehen von einer losweisen Vergabe nur in Ausnahmefällen zulässig ist. Der pauschale Verweis auf einen der üblichen Verdächtigen zur Begründung einer Gesamtvergabe, wie etwa die bessere Haftungssituation bei Gesamtvergaben oder den Mehraufwand bei der Koordinierung verschiedener Leistungsteile greifen in aller Regel nicht durch, zumal Koordinierungsleistungen auf Auftraggeberseite auch dadurch vermieden werden können, dass die Koordinierung einem Los als zusätzlicher Leistungsinhalt zugeschlagen wird. Legt man dies zugrunde, so wird sich die Gesamtvergabe von Rechtsberatungsleistungen mit Beratungsleistungen anderer Fachgebiete schon aus diesem Grund kaum rechtssicher begründen lassen, sodass Rechtsanwaltsleistungen schon aus diesem Grund in aller Regel als eigenes Fachlos auszuschreiben sind.
Hinzukommen im Bereich von Rechtsanwaltsleistungen auch berufsrechtliche Besonderheiten, die bei der Konzeption des Verfahrens berücksichtigt werden müssen. Genauso wie etwa bei Planervergaben selbstverständlich berücksichtigt wird, dass nur Architekten und Ingenieure bauvorlageberechtigt sind, ist zu berücksichtigen, dass die Beratung zu genuin rechtlichen Fragen, die nicht nur eine unbedeutende Annextätigkeit zu einer anderen Beratungsleistung darstellen, nur von Anwälten erbracht werden dürfen und Kooperationen im Rahmen von Bietergemeinschaften oder Nachunternehmerverhältnissen für Anwälte wegen der Regelungen im RDG und der BRAO nur sehr eingeschränkt zulässig sind. Gerade bei der Betreuung von komplexen Vergabeverfahren wird daher für die Beantwortung der dort anfallenden rechtlichen Fragen in aller Regel die separate Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei erforderlich sein. Mag man auch das im Anwaltsbereich in § 59a BRAO verankerte Verbot der interprofessionellen Zusammenarbeit für überholt halten (die Vorschrift wurde dem BVerfG jüngst vom BGH vorgelegt, der der Ansicht ist, die Norm sei verfassungswidrig, siehe BGH, Beschl. v. 16.5.2013 II ZB 7/11) und sich für institutionalisierte Kooperationen von Juristen und anderen Beratern und eine Liberalisierung der bestehenden Regelungen aussprechen, so ist das derzeit (noch) geltende Recht für die Marktbeteiligten dennoch bindend. Die geltenden Regelungen wirken sich unmittelbar auf den Wettbewerb aus, sodass es im ureigenen Interesse des Auftraggebers liegt, diese Regelungen bei der Konzeption der Ausschreibung zu berücksichtigen, um einen möglichst intensiven Wettbewerb zu generieren und eine wirtschaftliche Beschaffung zu gewährleisten.
Dr. Benjamin Klein ist Rechtsanwalt im Berliner Büro der Sozietät HFK Rechtsanwälte LLP und dort Mitglied im überörtlichen „Fachteam Vergaberecht“. Er begleitet Auftraggeber und Bieter in allen Phasen des Beschaffungsprozesses sowie in Rechtsschutzverfahren ober- und unterhalb der Schwellenwerte. Seine Beratung umfasst dabei auch das öffentliche Preisrecht.
Endlich eine Vergabekammer, die sich traut, Wahrheiten offen auszusprechen. Schon im Mai letzten Jahres war das Thema „gemischte Vergabe von (Rechts-)Beratungsleistungen“ – u.a. im DVNW – heiß diskutiert worden. Die Rechtsprechung hatte die Probleme der Vermischung von Rechtsberatungsleistungen mit anderen (technischen, wirtschaftlichen und betrieblichen) Beratungs-/Projektsteuerungsleistungen bisher beflissentlich ignoriert. Das Sozietätsverbot in § 59a Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) wurde dabei regelmäßig übergangen. Auch § 5 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) war stets unter den Tisch gefallen, obwohl die drohende Nichtigkeit der Beratungsverträge nach § 134 BGB eigentlich ein hohes Interesse auch auf Auftraggeberseite hätte auslösen müssen. Weitere Probleme, wie die gesamtschuldnerische Haftung von Rechtsanwälten, Ingenieuren und Unternehmensberatern, das beinahe unüberwindliche Problem der (Berufs-)Haftpflichtversicherung und nicht zuletzt die kaum auflösbaren Fragen der Gewerbesteuerpflicht von gemischt freiberuflich-gewerblichen Bietergemeinschaften bzw. Nachunternehmerkonstellationen sind deshalb bis heute nicht zur Sprache gekommen. Es ist erfreulich und sehr zu hoffen, dass diese Probleme nun auch in der Rechtsprechung ankommen…