Ist den Beteiligten bekannt, dass die streitgegenständlichen Leistungen auszuschreiben sind und erfolgt trotzdem eine Vergabe ohne Durchführung einer entsprechenden Ausschreibung, handeln die Parteien mutwillig, da sie sich gemeinsam über die Ausschreibungspflicht hinwegsetzen. In diesem Falle ist das Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB objektiv sittenwidrig, weil es aus der Gesamtschau von Inhalt, Beweggrund und Zweck mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist.
Manche Urteile bestätigen die eigene Rechtsauffassung. Andere Urteile lassen selbst den fachkundigen Leser – positiv oder negativ – überrascht zurück. Selten machen Gerichtsentscheidungen fassungslos. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt schafft das. Er enthält Stoff für mindestens einen Hollywood Blockbuster. Ein Bauvorhaben der Stiftung saarländischer Kulturbesitz und ihres Architekten offenbart ein ganz besonderes Verständnis von (Vergabe-)Rechts(un)kultur.
Das Drehbuch:
1. Akt – Vertragsanbahnung: Ein inhaltlich nicht näher aufgeklärter Herrenabend; abgerechnete und bezahlte Leistungen des Architekten und nicht näher aufgeklärte Absprachen der Parteien vor Vertragsschluss; Architektenleistungen an dem Haus der Tochter eines Sponsors und Kuratoriumsmitglieds der Stiftung; der Wunsch nach Auftragserteilung an den Architekten von höchster Ebene und Zeitdruck durch die bevorstehenden Landtagswahlen; bewusst zu niedrig angesetzte Kostenschätzungen für das Finanzministerium im Genehmigungsverfahren; Information der handelnden Personen über die Ausschreibungspflicht durch den Rechtsanwalt der Stiftung, welcher auch den Entwurf einer Bekanntmachung für die Ausschreibung fertigt, wird bewusst ignoriert.
2. Akt – Vertragsschluss und Vertragsdurchführung: Ein bewusst mit 200.000 abgeschlossener Pauschalauftrag, ergänzt um die Absprache zwischen Architekt und Vorstand der Stiftung, nachträglich abweichende Vereinbarungen zum ursprünglichen Vertrag zu schließen; die Aufteilung in mehrere Verträge zur Umgehung des Vergaberechts; während der Baudurchführung eine offizielle aber zu niedrig angesetzte Kostenliste für die politischen Gremien und eine realistische interne Kostenliste; formelle Zahlungen auf den Projektsteuerungsvertrag und tatsächliche Anrechnung dieser Zahlungen auf den Architektenvertrag; die Information der Beteiligten über die Vergaberechtspflichtigkeit der Ergänzungsvereinbarungen durch ihren Rechtsberater verhallt ungehört.
3. Akt – Aufarbeitung und Verurteilung: Ein Untersuchungsausschuss des saarländischen Landtages; eine Prüfung durch den Landesrechnungshof; einen Strafbefehl wegen Bestechung gegen den Architekten und einen Strafbefehl wegen Vorteilsannahme gegen den Vorstand der Stiftung.
4. Akt Klagen: Werklohnklage des gekündigten Architekten und Widerklage auf Rückzahlung von Honoraren durch den Auftraggeber.
BGB §§ 134, 138 Abs. 1, § 817 Satz 2; VgV a.F. § 13 Satz 6 (2003)
Leitsatz
Im Falle eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen Auftraggeber und Bieter kann eine Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 BGB vorliegen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der öffentliche Auftraggeber in bewusster Missachtung des Vergaberechts handelt, er also entweder weiß, dass der betreffende Auftrag dem Vergaberecht unterfällt, oder er sich einer solchen Kenntnis mutwillig verschließt, und er zudem kollusiv mit dem Auftragnehmer zusammenwirkt.
Sachverhalt
Die Klägerin, ein auf Projektsteuerung spezialisiertes Architekturbüro, verlangt von ihrer Auftraggeberin, der Stiftung saarländischer Kulturbesitz, Honorarzahlungen aus dem gekündigten Hauptvertrag und Nachtragsforderungen für den Neubau eines Museums in Saarbrücken und den Anschluss des Neubaus an die vorhandene Moderne Galerie.Zwischen den Parteien bestand ursprünglich ein Vertragsgeflecht aus zwei Projektsteuerungsverträgen, zwei Ergänzungsvereinbarungen hierzu und einem Architektenvertrag. Auf die Projektsteuerungsverträge und Ergänzungsvereinbarungen hat die Klägerin Zahlungen in Höhe von knapp 1,2 Millionen Euro erhalten; die Architektenleistungen wurden gesondert vergütet.Im Jahre 2011 kündigte die Beklagte sämtliche bis dahin ca. drei Jahre laufende Vertragsbeziehungen aus wichtigem Grund. Die Kündigungen wurden bis März 2012 drei weitere Male mit jeweils neuen Begründungen ausgesprochen.
Die erste Kündigung wurde damit begründet, dass fehlendes Kostenmanagement der Klägerin zu einer erheblichen Überschreitung der Kostenschätzung geführt habe. Die zweite Kündigung erfolgte, weil der Geschäftsführer des Architekturbüros wahrheitswidrig behauptet, die Stiftung saarländischer Kulturbesitz sei sein einziger Kunde und er benötige bei einer Auflösung der Verträge eine finanzielle Kompensation.Die dritte Kündigung erfolgte nach Erhebung der Anklage gegen den zwischenzeitlich ausgeschiedenen Vorstand der Stiftung saarländischer Kulturbesitz wegen Vorteilsgewährung (§ 333 StGB), weil davon ausgegangen werden müsse, dass dieser Straftat eine strafbare Vorteilsannahme durch den Architekten gegenüberstehe. Die vierte Kündigung wurde ausgesprochen, nachdem tatsächlich die Verurteilung des Vorstandes der Stiftung saarländischer Kulturbesitz wegen Vorteilsgewährung erfolgt ist.Die Klägerin wehrt sich gerichtlich gegen das Vorliegen der die Kündigungen rechtfertigenden wichtigen Gründe, behauptet ihre Leistungen im wesentlichen mängelfrei erbracht zu haben und verlangt von der Klägerin die Zahlung von rund 470.000 Euro nebst Verzugszinsen.Der beklagte Auftraggeber hält die Verträge demgegenüber für nichtig, weil sie gegen das Vergaberecht und gegen zivilrechtliche Vorschriften verstoßen und verlangt im Wege der Widerklage die Zahlung von ca. 730.000 Euro.
Die Entscheidung
Das Landgericht weist sowohl die Klage, als auch die Widerklage ab. Werklohnansprüche der Klägerin bestünden nicht, weil die wesentlichen Verträge wegen kollusivem Zusammenwirken zum Zwecke des Verstoßes gegen Vergaberecht nichtig seien. Bereicherungsrechtliche Ansprüche der Parteien seien wechselseitig ausgeschlossen. Auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag lehnt das Landgericht ab.
1. Die Nichtigkeit der Verträge leitet das Landgericht nicht aus § 134 BGB ab. Zwar liegt ein Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen vor. Das damals anwendbare Recht sah aber keine Nichtigkeit bei der de facto Vergabe an nur einen Wirtschaftsteilnehmer vor (§ 13 S. 6 VgV a.F.), so dass die vom Gesetzgeber nicht gewollte Rechtsfolge nicht durch die Anwendung des § 134 BGB herbeigeführt werden darf. Auch dass die Verträge durch Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme (§§ 331, 333 StGB) zustande gekommen sind, führt nicht zur Nichtigkeit. Denn das gesetzliche Verbot betrifft nicht den Vertragsschluss, sondern die darüber hinausgehenden Absprachen der Parteien über die Gewährung der wechselseitigen Vorteile. Auch als Umgehungsgeschäft können die Verträge nicht nichtig werden, weil die umgangenen Normen nicht den Vertragsschluss (Erfolg), sondern nur die Art und Weise des Zustandekommens missbilligen.
2. Das Landgericht verneint auch eine Sittenwidrigkeit der Verträge (§ 138 Abs. 1 BGB), da die bloße Belohnung für bereits ausgeführte Leistungen im Rechtssinne keine Schmiergeldabrede zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin dem früheren Vorstand der Beklagten darstellt. Der Herrenabend fand vor Vertragsschluss statt; sein Inhalt konnte im Prozess nicht vollständig aufgeklärt werden, so dass der Kausalzusammenhang nicht nachgewiesen werden konnte.
3. Letztendlich bejaht das Landgericht die Sittenwidrigkeit der Verträge (§ 138 Abs. 1 BGB) wegen kollusivem Zusammenwirken zwischen Auftraggeber und Bieter, was zur Nichtigkeit der Verträge führt. Ausgehend von dem Grundsatz, dass Im Falle eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen Auftraggeber und Bieter eine Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 BGB vorliegen kann und dass dieses insbesondere dann in Betracht kommt, wenn der öffentliche Auftraggeber in bewusster Missachtung des Vergaberechts handelt, er also entweder weiß, dass der betreffende Auftrag dem Vergaberecht unterfällt, oder er sich einer solchen Kenntnis mutwillig verschließt, und er zudem kollusiv mit dem Auftragnehmer zusammenwirkt, hält das Landgericht dies hier mit ausführlicher Begründung für anwendbar.
4. Die mit der Widerklage geltend gemachte Rückforderung scheitert nach Auffassung des Landgerichts daran, dass bei der Stiftung saarländischer Kulturbesitz ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt (§ 817 Satz 2 BGB). Die vorliegenden Verträge sind allein aufgrund der Art und Weise ihres Zustandekommens, nämlich insbesondere wegen kollusiver Umgehung vergaberechtlicher Vorschriften sittenwidrig. Dies ist jedoch ausreichend. Der Grundgedanke des § 817 Satz 2 BGB ist die Generalprävention. Wer sich an gesetzes- oder sittenwidrigen Transaktionen beteiligt, muss wissen, dass eine Leistung selbst dann unwiederbringlich und ersatzlos verloren ist, wenn im Rahmen solcher Geschäfte Störungen auftreten.
Rechtliche Würdigung
Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass der Hauptvertrag und die Ergänzungsvereinbarungen hätten ausgeschrieben werden müssen. Gerade bei den leistungsändernden wettbewerbsrelevanten Ergänzungsvereinbarungen liegt das Landgericht damit auf einer Linie mit aktuellen Entscheidungen z.B. der VK Bund vom 07.07.2014 (VK 2-47/14) [Vergabeblog.de vom 03/09/2014, Nr. 19913], des OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.02.2014 (Verg 32/13). Ebenso zutreffend sind die Ausführungen des Landgerichts zur Vergabepflichtigkeit des Architektenvertrages und zur Bejahung eines Gesamtprojektes bei der Schwellenwertermittlung.
Interessant ist der Hinweis des Landgerichts auf eine bereist aus 1991 stammende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass die subjektiv erforderliche Kenntnis der Parteien von dem Rechtsverstoß bereits bei grob fahrlässiger Unkenntnis vorliegt. Von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Vergabepflichtigkeit ist auszugehen, wenn der Normadressat Erkundigungspflichten oder Prüfungspflichten verletzt, die sich daraus ergeben, dass das Unterlassen die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen. Dass das Landgericht den Rückforderungsanspruch des kollusiv handelnden öffentlichen Auftraggebers wegen Sittenwidrigkeit ablehnt, steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Verlust von Vergütungs- und Gewährleistungsansprüchen im Falle der Schwarzarbeit. Die Übertragung der generalpräventiven abschreckenden Wirkung dieser Rechtsprechung auf das Vergaberecht ist im Interesse der Einheit der Rechtsordnung zu begrüßen und dogmatisch gut begründet.Dass das Landgericht dann auch eine Einschränkung dieser Rechtsfolge aus Treu und Glauben, sowie Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag ablehnt, ist nur konsequent.Die drastischen Rechtsfolgen der nahezu beispiellosen aber absichtsvollen Mißachtung des (Vergabe-)Rechts erscheinen folgerichtig und wohltuend. Wenn öffentlicher Auftraggeber und Bieter bewusst und zum eigenen Vorteil das (Vergabe-)Recht umgehen, dürfen keinem daraus Vorteile erwachsen. Aus § 13 Abs. 6 VgV (2003) ist mittlerweile § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB geworden, so dass die (schwebende) Unwirksamkeit auch dann greift, wenn der Vertrag unmittelbar an ein Unternehmen vergeben wird ohne andere Unternehmen am Wettbewerb zu beteiligen.
Praxistipp
Was als normaler Honorarrechtsstreit eines gekündigten Auftragnehmers gegen seinen Auftraggeber begann, endete in einem Prozess, in dem beide Parteien schmutzige Wäsche gewaschen und eigene Fehler offenbart haben. Beide Parteien haben öffentlich ihr Gesicht und ihr Geld verloren.
Eine drastische Entscheidung mit hoffentlich erzieherischem Effekt. Vergleichbar der Signalwirkung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Schwarzarbeit und in einer Linie mit der Rechtsprechung zur vergaberechtlichen Eigenständigkeit von Ergänzungsvereinbarungen/Nachträgen.
Trotzdem ist das Vergaberechtsverhalten der Stiftung saarländischer Kulturbesitz immer noch in der Kritik. Zuletzt wurde sie Stiftung vom OLG Saarbrücken ( Beschluss v. 29.01.2014 -1 Verg 3/13) darauf hingewiesen, dass auch nichtprioritäre Aufträge wegen ihrer Binnenmarktrelevanz europaweit ausgeschrieben werden müssen Auch wenn die Stiftung saarländischer Kulturbesitz in der vielfach kritisierten Entscheidung des OLG Saarbrücken noch mit einem blauen Auge davongekommen ist [Vergabeblog.de vom 13/03/2014, Nr. 18546], treten doch die noch vorhandenen vergaberechtlichen Defizite deutlich zu Tage.
Oliver Weihrauch arbeitet seit 1995 als Rechtsanwalt, Referent und Autor im Bereich des Vergaberechts. Als of counsel in der Sozietät caspers mock Anwälte berät und vertritt er von Bonn aus bundesweit Auftraggeber und Bieter in Vergabeverfahren und Nachprüfungsverfahren. Im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) ist er im Vorstand der Regionalgruppe Köln|Bonn|Koblenz.
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