Die Vergabekammer Nordbayern hatte sich in einer Entscheidung mit dem bereits mehrfach zum Gegenstand von Nachprüfungsverfahren gemachten Thema der Einhaltung des Gebotes der Produktneutralität bei der Beschaffung von Laborbedarfsmitteln auseinanderzusetzen. Im Ergebnis hatte auch vorliegend der Auftraggeber gleich in zweifacher Hinsicht das Gebot der Produktneutralität missachtet.
Sachverhalt
Gegenstand der Entscheidung war ein offenes Verfahren zur Beauftragung der Lieferung von Laborausstattung. Der Auftrag war in drei Lose aufgeteilt und beinhaltete unter anderem die Beschaffung von Trainingssystemen zur Ausstattung von Fachunterrichtsräumen. Hierzu wurde das System eines konkreten Herstellers in der Leistungsbeschreibung vorgegeben. Die Vorgabe eines konkreten Produktes sei nach Auffassung des Auftraggebers erforderlich, da der Einsatz des gleichen Lehrmittelsystems in allen Unterrichtsräumen einerseits räumliche Flexibilität erlaube. Andererseits sei die Kompatibilität zu den vorhandenen Lehrmitteln sichergestellt. In der Leistungsbeschreibung wurde die Produktangabe nicht mit dem Zusatz oder gleichwertig versehen. Darüber hinaus enthielt das Leistungsverzeichnis technische Anforderungen an das zu beschaffene Trainingssystem, welche ebenfalls auf das benannte Produkt ausgelegt waren.
Die Entscheidung
Die Antragstellerin wendet sich mit Erfolg gegen diese Auftragsanforderungen. Die mit dem Sachverhalt befasste Vergabekammer sah vorliegend die Voraussetzungen für eine nur ausnahmsweise zulässige produktbezogene Ausschreibung als nicht gegeben.
Zum einen verstößt es gegen das Gebot der Produktneutralität, dass das Vergabeverfahren ausschließlich das System eines konkreten Herstellers ohne den Zusatz oder gleichwertig zulässt. Das europäische Vergaberecht geht offensichtlich davon aus, dass dieser Zusatz denknotwendig nur dann entfallen kann, wenn ausschließlich ein einziges Unternehmen zur Durchführung des Auftrages in der Lage wäre. Allerdings wird es einem Auftraggeber regelmäßig nicht möglich sein, europaweit abzuschätzen, welche Möglichkeiten der Markt bietet und ob tatsächlich nur ein Hersteller zur Lieferung der bestimmten Ware in der Lage ist. Daher ist für europaweite Vergaben nach dem GWB – welches durch das europäische Vergaberecht geprägt ist – zwingend eine Produktvorgabe mit dem Zusatz oder gleichwertig zu versehen. Daran scheitert die Vergabe hier bereits.
Zum anderen enthalten die Anforderungen an das System derart spezifizierte technische Anforderungen, die konkret das benannte Produkt beschreiben. Auch hierin ist ein Verstoß gegen die Produktneutralität begründet.
Im Übrigen sind zur Rechtfertigung der vorgenannten Einschränkungen des Wettbewerbes aufgrund produktbezogener Vorgaben detaillierte, sachlich nachvollziehbare Gründe vom Auftraggeber in der Vergabeakte zu dokumentieren. Insoweit behauptete Zweifel an der Kompatibilität mit vorhandener Laborausstattung genügen dem Begründungserfordernis nicht.
Praxistipp
Im Bereich der Beschaffung von Laborbedarfsmitteln ist was die produktneutrale Vergabe betrifft – nach wie vor keine Ruhe eingekehrt. Insoweit dürfte es schon als gravierender und auch offenkundiger Verstoß angesehen werden können, ein Produkt vorzugeben, ohne jedoch den Zusatz oder gleichwertig zu verwenden. Für Bieter sind eine konkrete Produktvorgabe und das Fehlen des Zusatzes immer zum Anlass einer umfassenden Prüfung der Vergabeunterlagen zu nehmen. Darauf beruhende Verstöße gegen das Vergaberecht sind gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB spätestens bis zum Ablauf der Angebotsfrist zu rügen.
Der Autor Dr. Dominik R. Lück ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Köhler & Klett Rechtsanwälte in Köln. Dort ist er Leiter des vergaberechtlichen Fachbereichs und verfügt über langjährige Erfahrung im Vergaberecht und in den Bereichen des Umweltrechts, insbesondere des Abfallrechts.
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