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Ausschluss auch bei (nachträglich) unklarer Kalkulationsvorgabe! (VK Bund, Beschl. v. 21.10.2014 – VK 2-81/14)

EntscheidungAuftraggeber, die ein Angebot wegen ungewöhnlich niedriger Preise als unauskömmlich ausschließen wollen, haben es meist schwer: dies schon deswegen, weil das Vergaberecht Unterkostenangebote für sich genommen nicht verbietet und Bieter im Grundsatz Kalkulationsfreiheit genießen. Eine bessere Handhabe gegen Dumpingangebote bieten meist (grundsätzlich zulässige) Kalkulationsvorgaben, die bei Abweichungen zum Ausschluss führen (vgl. hierzu OLG Düsseldorf: Härtere Zeiten für Dumping-Angebote? der Autorin, Vergabeblog.de vom 06/12/2011, Nr. 11489). Was aber gilt bei unklaren Kalkulationsvorgaben? Die 2. Vergabekammer des Bundes scheint hier im Ergebnis einen auftraggeberfreundlichen Maßstab anzulegen (VK Bund, Beschluss vom 15.10.2014, VK 2-83/14).

§ 19 Abs. 3, 6 EG VOL/A

Leitsätze (nicht amtlich)

  1. Wenn Bieter in einem auszufüllenden Preisblatt denjenigen Tariflohn angeben müssen, der im Zeitpunkt der erstmaligen Leistungserbringung (01.01.2014) gilt und dieser Tariflohn ausweislich der Tabellen-Überschrift der den Angebotspreisen zugrundeliegende(r) Tariflohn ist, so muss sich aus Sicht eines objektiven Dritten und eines mit der Leistung befassten Bieters die Forderung nach dem Tariflohn 2014 im Ausgangspunkt als zwingende Kalkulationsvorgabe der AG darstellen.
  2. Diese Kalkulationsvorgabe wird nicht durch Regelungen eines Vertragsentwurfs modifiziert, die eine Preisanpassungsmöglichkeit vorsehen.
  3. Eine unzureichende Aufklärung seiner Angebotskalkulation führt auch dann zum Ausschluss eines Bieters, wenn die AG durch eine intransparente Kalkulationsvorgabe, welcher Tariflohn anzusetzen ist bzw. wie die zu erwartende Tariferhöhung 2015 eingepreist werden soll, ihrerseits eine Unklarheit gesetzt hat.

Sachverhalt

In einer europaweiten Ausschreibung von Reinigungsleistungen mussten Bieter nicht nur den Stundenverrechnungssatz angeben, sondern in den Preisblättern auch den kalkulierten Tariflohn ausweisen. Ein Klammerzusatz verwies dabei auf den Tariflohn zum Zeitpunkt der Leistungserbringung am 1. Oktober 2014. Für den Fall erheblicher Unterschreitungen der üblichen Kostensätze behielt sich der Auftraggeber eine Aufklärung und den Angebotsausschluss vor. Er bestimmte intern eine Aufgreifschwelle bei einem Abstand des Stundenverrechnungssatzes von 170% zum angegebenen Tariflohn. Ein Angebot unterschritt diese Aufgreifschwelle bei Zugrundelegung dieses Tariflohns. Der Auftraggeber verlangte von dem betroffenen Bieter zur Aufklärung unter anderem, ein vorgegebenes Kalkulationsschema auszufüllen und in einer gesonderten, detaillierten Stellungnahme die Einhaltung der tariflichen Bestimmungen nachzuweisen. Das Aufklärungsschreiben wies dabei besonders auf die vertraglich mögliche Preisanpassung bei tariflichen Lohnerhöhungen hin, die der Auftragnehmer frühestens 6 Monate nach erstmaliger Leistungserbringung verlangen durfte. Der Auftraggeber war nämlich zwischenzeitlich zu der Auffassung gelangt, dass auch die bevorstehende Tariferhöhung zum 1. Januar 2015 bei der Angebotskalkulation zu berücksichtigen und ein entsprechender Mischstundensatz zugrunde zu legen sei. Da den Auftraggeber die Auskünfte des Bieters nicht überzeugten, schloss er das Angebot aus.

Die Entscheidung

Im Ergebnis war der Ausschluss rechtmäßig, da der Bieter seine Eintragungen in dem Kalkulationsschema nicht hinreichend gesondert begründet hatte.

Unzureichende Aufklärung nach ungerügten Vorgaben

Die Erklärungen des Bieters waren nicht geeignet, die Unterschreitung der Aufgreifschwelle wie gefordert zu begründen. Seine nachträglichen Erläuterungen im Nachprüfungsverfahren waren aus Sicht der Vergabekammer nicht mehr zu berücksichtigen. Unerheblich war auch, dass der Bieter die geforderten Angaben in seiner Stellungnahme als untauglich bezeichnete. Er hatte das Kalkulationsschema nämlich dennoch rügelos ausgefüllt eingereicht.

Auslegung der Kalkulationsvorgabe gemäß den Vergabeunterlagen

Der Auftraggeber war auch zur Aufklärung berechtigt, da seine zulässig gebildete, interne Aufgreifschwelle überschritten war. Für diese Überschreitung kam es nicht darauf an, ob man den im Preisblatt ausgewiesenen Tariflohn zum 1. Oktober 2014 zugrunde legte oder den nachträglich im Rahmen des Aufklärungsschreibens zugrunde gelegten Mischstundensatz.

Die Vergabekammer stellte allerdings klar, dass allein die im Preisblatt vorgesehene Angabe des Tariflohns zum 1. Oktober 2014 als für die Bieter verbindliche Kalkulationsvorgabe maßgebend war. Denn ein verständiger Bieter musste aus der geforderten Angabe in dem Preisblatt schließen, dass der Tariflohn am 1. Oktober 2014 zugrunde zu legen war.

Unzulässig war es, die Aufgreifschwelle nachträglich auf einen Mischstundensatz zu beziehen, welcher auch die zukünftigen Tariflohnerhöhungen berücksichtigte. Ein solcher Mischstundensatz war nämlich nicht hinreichend transparent als Kalkulationsvorgabe in den Vergabeunterlagen erkennbar. Insbesondere die vertragliche Preisanpassungsklausel änderte daran nichts. Sie setzte nämlich ein Erhöhungsverlangen des zukünftigen Auftragnehmers und damit gerade keinen Automatismus voraus. Zudem mussten sich Tariflohnerhöhungen nicht zwingend auf den Stundenverrechnungssatz auswirken.

Rechtliche Würdigung

Die Vergabekammer hat die ursprüngliche, in den Vergabeunterlagen enthaltene Kalkulationsvorgabe als Maßstab der Aufgreifschwelle aufrecht erhalten, obwohl sie dem Auftraggeber bescheinigte, durch eine intransparente Vorgabe, wie die Tariferhöhung 2015 eingepreist werden soll, seinerseits eine Unklarheit gesetzt zu haben. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund anderer, übermäßig streng erscheinender Entscheidungen zu den Anforderungen an die Transparenz von Kalkulationsvorgaben (vgl. KG, Beschluss vom 26.09.2014, Az.: Verg 5/14) als praxisgerecht zu begrüßen. Fragwürdig ist allerdings die rechtliche Anknüpfung des Ausschlusses an § 19 EG Abs. 6 Satz 1 VOL/A. Ob ein Preis ungewöhnlich niedrig ist, dürfte sich vor allem aus einem Vergleich mit anderen (Angebotsend-) Preisen ergeben (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.04.2014, Az.: Verg 41/13) und nicht aus einer Betrachtung der angebotsinternen Kalkulation von Tariflohn, produktivem Stundenlohn und Stundenverrechnungssatz.

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Praxistipp

Festzuhalten ist: Kalkulationsvorgaben sind also durchaus hilfreich auf eine transparente Ausgestaltung sollte aber geachtet werden.

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Über Dr. Valeska Pfarr, MLE

Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.

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