Im Rahmen förmlicher Vergabeverfahren müssen Bieter Erklärungen häufig unter Verwendung von Vordrucken oder Formblättern abgeben. Ergibt sich aus den Vergabeunterlagen nicht eindeutig, dass Angaben ausschließlich an der vorgesehenen Stelle erfolgen müssen, ist ein Angebotsausschluss nicht bereits deshalb möglich, weil der Bieter den zur Verfügung stehenden Platz im Vordruck durch weitere Angaben in seinem Angebot erweitert hat. Ein zwingender Ausschlussgrund liegt aber vor, wenn statt der geforderten namentlichen Benennung einer einzelnen Person zum Nachweis einer bestimmten Qualifikation auf ein „Kompetenzteam“ verwiesen wird.
VOL/A § 19 Abs. 3 lit. a) EG
Sachverhalt
Der Auftraggeber schrieb Dienstleistungen der Unterhaltsreinigung im Offenen Verfahren europaweit aus. In Bezug auf insgesamt vier Kriterien, die in die Wertung der Angebote einfließen sollten (Qualitätssicherung, Umsetzung und Umweltschutz / Energieeffizienz) enthielten die Vergabeunterlagen den ausdrücklichen Hinweis, dass die Angaben jeweils in den hierfür vorgesehenen Zeilen des Vordrucks einzutragen sind. Ein solcher Hinweis fehlte bei dem ebenfalls wertungsrelevanten Aspekt der Qualifikation der objektverantwortlichen Personen. Hier war u.a. die Qualifikation des vorgesehenen technischen Betriebsleiters anzugeben. Ein Bieter machte Angaben zum einen außerhalb des vorgesehenen Vordrucks. Zum anderen benannte er nicht eine bestimmte Person, die als technischer Betriebsleiter fungieren sollte, sondern verwies auf ein Kompetenzteam, das aus zahlreichen Mitarbeitern bestand. Obwohl der Auftraggeber einen Ausschlussgrund wegen des Abweichens von den Vorgaben der Vergabeunterlagen erkannt und dokumentiert hatte, beließ er den Bieter in der Wertung und teilte in der Bieterinformation lediglich mit, das Angebot sei nicht das wirtschaftlichste gewesen.
Die Entscheidung
Die Vergabekammer entschied, dass das Angebot des Bieters zwingend auszuschließen gewesen ist.
Ein Ausschluss des Angebots konnte allerdings nicht bereits deshalb erfolgen, weil der Bieter den zur Verfügung stehenden Platz im Vordruck durch weitere Angaben im Angebotsschreiben erweitert hatte. Jedenfalls dann, wenn es an einem ausdrücklichen Hinweis des Auftraggebers fehlt, dass Angaben an einer bestimmten Stelle zu erfolgen haben, können diese auch im Angebotsschreiben erfolgen, sofern inhaltlich das erklärt wird, was der Auftraggeber gefordert hat. Die Vergabekammer konnte daher offen lassen, ob Angaben außerhalb eines Formulars des Auftraggebers auch dann zulässig sind, wenn die Vergabeunterlagen den ausdrücklichen Hinweis enthalten, ausschließlich einen Vordruck zu verwenden (so das OLG Celle, Beschl. v. 24.04.2014 ‒ 13 Verg 2/14).
Ein zwingender Ausschlussgrund lag jedoch vor, weil das Angebot durch die fehlende namentliche Benennung des technischen Betriebsleiters nicht das enthielt, was der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen ausdrücklich gefordert hatte. Daher war das Angebot nach Auffassung der Vergabekammer gemäß § 19 Abs. 3 lit. a) EG VOL/A bereits auf der ersten Wertungsstufe auszuschließen und hätte vom Auftraggeber nicht mehr in der vierten Wertungsstufe gewertet werden dürfen. Aus dem Wertungsbereich „Qualifikation der objektverantwortlichen Personen“ ergab sich für die Bieter mit hinreichender Bestimmtheit, dass der Auftraggeber jeweils eine zu benennende Person und deren Qualifikation bewerten wollte.
Rechtliche Würdigung
Der Entscheidung ist im Ergebnis zuzustimmen. Als Begründung für den Ausschluss des Angebots hätte allerdings die Vorschrift des § 19 Abs. 3 lit. d) EG VOL/A (anstelle von § 19 Abs. 3 lit. a) EG VOL/A) nahegelegen, weil der Bieter inhaltlich von den Vorgaben der Ausschreibung abgewichen ist. Eine Änderung oder Ergänzung der Vertragsunterlagen nach § 19 Abs. 3 lit. d) EG VOL/A liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Bieter nicht das anbietet, was der Auftraggeber nachgefragt hat.
Praxistipp
Auftraggeber und Bieter müssen sorgfältig zwischen den beiden in der Entscheidung thematisierten Aspekten trennen:
Weicht das Angebot eines Bieters inhaltlich von den Vorgaben der Ausschreibung ab, liegt darin ein zwingender Ausschlussgrund auf der ersten Wertungsstufe.
Im Hinblick darauf, ob ein zwingender Ausschlussgrund auch darin liegen kann, dass ein Bieter nicht die vom Auftraggeber vorgegebenen Vordrucke oder Formblätter verwendet, bleibt die weitere Rechtsentwicklung abzuwarten. Jedenfalls dann, wenn die Verwendung vom Auftraggeber nicht ausdrücklich bestimmt ist, dürfen geforderte Angaben und Erklärungen auch in einem bietereigenen Angebotsschreiben erfolgen.
Dr. Martin Ott
Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Herr Dr. Ott berät und vertritt bundesweit in erster Linie öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsvorhaben. Auf der Basis weit gefächerter Branchenkenntnis liegt ein zentraler Schwerpunkt in der Gestaltung effizienter und flexibler Vergabeverfahren. Daneben vertritt Herr Dr. Ott die Interessen der öffentlichen Hand in Nachprüfungsverfahren. Er unterrichtet das Vergaberecht an der DHBW und der VWA in Stuttgart, tritt als Referent in Seminaren auf und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichen. Er ist einer der Vorsitzenden der Regionalgruppe Stuttgart des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW).
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