Referenzabfrage und -Bewertung stellen gerade bei Dienstleistungen einen maßgeblichen Punkt des Vergabeverfahrens dar. Die Frage, inwieweit die Anforderungen an die vom Bieter zu erbringenden Eignungsnachweise über einen in der Vergabebekanntmachung enthaltenen Link aufgestellt werden können, wird seit einiger Zeit diskutiert. Insofern ist es erfreulich, dass mit der Entscheidung des OLG Frankfurt jedenfalls klargestellt wird, dass ein an einer versteckten Stelle enthaltener Link den Transparenzanforderungen an die Bekanntmachung nicht genügt. Eher kritisch zu bewerten sind dagegen die Ausführungen zur Verlagerung der Referenzwertung auf Referenzgeber.
§ 107 Abs. 3 Nr. 2 GWB; Art. 44 Abs. 2 Satz 1 Richtlinie 2004/18/EG; § 7 EG Abs. 3, 5, § 15 EG, 19 EG Abs. 3 a VOL/A 2009
Leitsatz
Sachverhalt
Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb die Vergabe von Reinigungsdienstleistungen aufgeteilt in neun Lose – im offenen Verfahren europaweit aus.
In Abschnitt III.2.3 des Bekanntmachungsformulars wurde unter der Überschrift „Technische Leistungsfähigkeit lediglich auf die Eignungsnachweise gem. § 7 EG Abs. 3 VOL/A verwiesen. Die Eignungsanforderungen des Auftraggebers, insbesondere die Vorgaben zum Referenznachweis, waren in den Vergabeunterlagen, die auf der Website des Auftraggebers kostenlos und ohne Registrierung eingesehen werden konnten, enthalten. Der Hinweis auf diese Einsichtnahmemöglichkeit fand sich jedoch nicht im Abschnitt III.2.3, d.h. im Zusammenhang mit den Anforderungen an die technische Leistungsfähigkeit, sondern im Abschnitt III.1.4. unter der Überschrift „Sonstige besondere Bedingungen.
Aus den Vergabeunterlagen wurde im Hinblick auf die beizubringenden Referenzen darauf hingewiesen, dass die Bewerber in eigener Verantwortung sicherzustellen hätten, dass die benannten Referenzgeber zu Auskunft und Bewertung gegenüber dem Auftraggeber in der Lage sind. Die Referenzgeber sollten die von der Vergabestelle vorformulierten Fragen in einer vorgegebenen Spalte „Ihre Antwort“ in Textform beantworten und in einer Spalte – „Punktzahl“ mit Punkten bewerten. Sie konnten pro Frage eine Punktzahl von 0 (überhaupt nicht zufrieden) bis 10 (voll und ganz zufrieden)“ vergeben. Gemäß Vergabevermerk ergab sich die Punktzahl der Referenzen aus der Multiplikation des für die einzelnen Kriterien angesetzten Gewichtungsprozentsatzes mit der jeweils vom Referenzgeber für das Kriterium eingetragenen Punktzahl.
Nach Auswertung der Fragebögen teilte der Auftraggeber einem Bieter mit, dass sein Angebot von der Wertung ausgeschlossen werde, weil u.a. ein Referenzgeber gar keine Referenz abgeben wollte, in anderen Referenzen Angaben zu bestimmten Punkten gefehlt hatten und eine Referenz nicht die geforderte Mindestpunktzahl erhalten hatte.
Der Bieter rügte daraufhin die Nichtberücksichtigung seines Angebots und verwies darauf, dass sich aus der Vergabebekanntmachung nicht ergeben habe, dass Referenzen vorzulegen seien. Zudem sei die Bewertung der Referenzen nicht ordnungsgemäß gewesen, weil sie nicht durch den Auftraggeber, sondern durch die Referenzgeber, vorgenommen wurde. In diesem Fall hätte der Antragsgegner jedenfalls durch klare und transparente Vorgaben sicherstellen müssen, dass diese ihrer Wertung das gleiche Verständnis zugrunde legen.
Die Entscheidung
Das OLG Frankfurt wies den Nachprüfungsantrag teilweise als unzulässig, teilweise als unbegründet zurück.
1. Das OLG gestand zwar zu, dass es an einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Eignungsanforderungen fehlte, hielt den Antrag aber insoweit gem. § 107 GWB für präkludiert, da die entsprechende Rüge trotz Erkennbarkeit des Vergabefehlers erstmals nach Ablauf der Angebotsabgabefrist erhoben wurde.
Nach Auffassung des OLG Frankfurt genügt die hier zu beurteilende Bekanntmachung nicht den Anforderungen an Art. 44 Abs. 2 S. 2 RL 2004/18/EG, § 7 Abs. 5 EG VOL/A. Danach hat der Auftraggeber in der Bekanntmachung Mindestanforderungen an die Eignung anzugeben. Das OLG stellt hierzu klar, dass Sinn und Zweck des § 7 Abs. 5 EG VOL/A grundsätzlich nur genügt wird, wenn die Bieter allein aus der Bekanntmachung selbst ersehen können, welche Eignungsanforderungen sie zu erfüllen haben. Diese Anforderungen erfüllte die beanstandete Bekanntmachung hier nicht. Der unter III.2.3 des Bekanntmachungsformulars enthaltene Passus lässt für die Bieter in keiner Weise erkennen, welche konkreten Angaben zur Eignung gefordert werden. Soweit in der Bekanntmachung unter dem Abschnitt III.1.3 „Besondere Bedingungen“ ein allgemeiner Link auf die Vergabeunterlagen vorhanden war, genüge der Hinweis hier schon deshalb nicht den Anforderungen an eine transparente Bekanntmachung, weil er nicht unmittelbar in die Auflistung der Eignungsanforderungen eingebunden war, sondern sich an einer versteckten und zudem missverständlich bezeichneten Stelle befand.
2. Die gegen die Übertragung der Referenzwertung auf Referenzgeber vorgetragenen Bedenken hält das OLG für unbegründet:
Grundsätzlich ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 a EG VOL/A, dass der Auftraggeber im Rahmen eines Vergabeverfahrens von Dritten Auskünfte anfordern und in den Entscheidungsprozess integrieren darf. Entsprechend konnte der Antragsgegner vorliegend seiner Eignungsprüfung die von Dritten erstellten Referenzen als Basis zu Grunde legen. Richtig sei zwar, dass diese Letztentscheidung grundsätzlich beim Auftraggeber zu verbleiben habe. Vorliegend sei aber nicht ersichtlich, dass der Auftraggeber die Eignungsprüfung vollständig auf die Referenzgeber übertragen habe. Das Gericht lässt es hier unter Verweis auf die Rechtsprechung zur Einbeziehung technischer und sonstiger Berater in den Vergabeprozess – ausreichen, dass nach dem gerichtlichen Vortrag des Auftraggebers, die Angaben der Referenzgeber nicht ungeprüft übernommen, sondern zuvor nachvollzogen und auf ihre Plausibilität hin überprüft worden seien. Für diese eigenständige Prüfung habe auch eine tatsächliche Grundlage bestanden, weil die Referenzgeber nicht nur eine abstrakte Punktzahl einzutragen, sondern auch ihre Leistungszufriedenheit sprachlich zu umschreiben hatten. Durch diese Verfahrensweise sei auch die Vergleichbarkeit der Bewertungen der Referenzgeber gewährleistet.
Rechtliche Würdigung
1. Ausgehend von einer Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 16.11.2011, Verg 60/11) gehen Rechtsprechung und Literatur vielfach davon aus, dass den Anforderungen an die Bekanntmachung der Eignungsanforderungen jedenfalls dann genügt werde, wenn die Informationen zu den Eignungsanforderungen über einen in der Bekanntmachung enthaltenen Internet-Link unmittelbar zugänglich seien. Dies soll dann der Fall sein, wenn in der Bekanntmachung auf eine Internetseite verwiesen wird, über die die Bieter durch bloßes Anklicken zeitgleich mit der Bekanntmachung ohne Registrierung und zusätzliche Kosten etwaige weitere Anforderungen abrufen können. Die in der jetzigen Entscheidung des OLG Frankfurt enthaltene Klarstellung, dass eine Verlinkung auf weitere Informationen zur Eignungsanforderung auch dann dem Transparenzgebot nicht genügt, wenn der Link sich an versteckter Stelle befindet, ist insofern erfreulich, als dem Bieter auf diese Weise nicht zugemutet wird, die notwendigen Informationen, die eigentlich über das EU-Bekanntmachungsformular in möglichst einheitlicher Weise zur Verfügung gestellt werden sollen, selbst zusammen zu suchen. Grundsätzlich scheint aber auch das OLG Frankfurt davon auszugehen, dass die Bekanntmachung von Eignungsanforderungen über Links dem Transparenzgebot genügen kann. Kritische Stimmen, die durchaus zu Recht – eine Entwertung der Publizitätsfunktion der Bekanntmachungsformulare und Manipulationsmöglichkeiten bzgl. der verlinkten Unterlagen befürchten, werden bislang offensichtlich nicht gehört.
2. Die Ausführungen des OLG Frankfurt zur Übertragung der Referenzwertung auf Referenzgeber sind weder von der Begründung noch vom Ergebnis her überzeugend.
Das Gericht verweist zur Begründung seiner Entscheidung auf Rechtsprechung, aus der sich angeblich ergibt, dass der Auftraggeber bei der Bewertung der Eignungsnachweise Drittangaben übernehmen kann. Die vom OLG zitierten Entscheidungen betreffen aber sämtlich Fälle, in denen es um die Verwertung von Entscheidungsvorschlägen Dritter ging, die als Auftragnehmer der Vergabestelle eingesetzt waren (Projektsteuerer, Rechtsanwälte). Diese Konstellationen sind mit der vorliegenden nur eingeschränkt vergleichbar: Bei der Einschaltung von Auftragnehmern, die Entscheidungen der Vergabestelle vorbereiten sollen, hat die Vergabestelle die volle Kontrolle über Art und Umfang der Delegation. Sie kann auch bei Zweifeln an den Entscheidungsvorschlägen die zugrunde liegenden Sachverhaltsinformationen (in der Regel die vom Bieter übermittelten Unterlagen) zur Überprüfung der Entscheidung heranziehen. Auf diese Weise ist eine eigenständige Wertung des Auftraggebers möglich und er muss sich nicht auf die reine Übernahme der Überlegungen Dritter beschränken. Schließlich ist bei dieser Verfahrensweise auch die Gleichbehandlung der Bieter in der Eignungswertung eher gewährleistet, da der Wertungsvorschlag nur von einem Auftragnehmer auf der Grundlage vergleichbarer Bieterangaben und nicht von verschiedensten Referenzgebern auf der Basis ihrer jeweils individuellen Erfahrungen bei jeweils unterschiedlichen Auftragsinhalten gemacht wird.
Die vorgenannten Überlegungen zeigen die Schwächen der Entscheidung des OLG Frankfurt. Im Ergebnis erscheint es wenig plausibel, dass der Auftraggeber hier tatsächlich eine eigenständige, diskriminierungsfreie Wertungsentscheidung treffen konnte. Daran ändert auch die zusätzlich zur Punktevergabe geforderte textliche Beschreibung nichts, da sich derartige Beschreibungen in der Regel auf einen oder zwei Sätze beschränken werden und nicht über die Tatsache hinweghelfen, dass die getroffenen Beurteilungen jeweils auf vollkommen unterschiedlichen Sachverhalten beruhen.
Die geschilderte Problematik besteht zwar bis zu einem gewissen Grad bei allen Eignungsentscheidungen, in die Referenzbewertungen Dritter einbezogen werden. Die Besonderheit des vorliegenden Falls besteht jedoch im Umfang der Wertungs- und Informationsverantwortung der Referenzgeber. Hier dienten die Auskünfte der Referenzgeber nicht nur zur Verifikation der im Übrigen gem. § 7 EG VOL/A vorrangig über Eigenerklärungen beizubringenden – Bieterangaben, sondern stellten die maßgebliche Entscheidungsgrundlage dar. Dies führte nicht nur zu den bereits geschilderten Wertungsproblemen, sondern auch dazu, dass die Frage der Vollständigkeit der Angebotsunterlagen der Kontrolle der Bieter entzogen und auf Dritte verlagert wurde. D.h. die Bieter trugen das Risiko etwaiger Nachlässigkeiten früherer Auftraggeber eine im Hinblick auf das Wettbewerbsprinzip alles andere als sinnvolle Lösung.
Praxistipp
1. Was die Verlinkung auf Eignungsanforderungen angeht, scheint sich zwar in der Rechtsprechung die Auffassung zu verfestigen, dass diese Vorgehensweise nicht generell unzulässig ist. Dennoch ist Auftraggebern weiter zu empfehlen, die Verlinkung auf Formblätter der Sicherheit halber nur zusätzlich zum Zwecke der Konkretisierung der in der Bekanntmachung selbst aufgelisteten Eignungsnachweise aufzunehmen. Zudem ist darauf zu achten, dass die Verlinkung an der richtigen Stelle im Bekanntmachungsformular eingebettet wird.
2. Auch wenn die Entscheidung des OLG Frankfurt den Auftraggebern grünes Licht für eine weitgehende Delegation der Referenzwertung an Referenzgeber geben mag, ist diese Vorgehensweise dennoch nicht zu empfehlen. Ganz abgesehen von den oben dargestellten Gleichbehandlungsproblemen und der Beschneidung der Wertungs- und Entscheidungshoheit des Auftraggebers führt sie zu einer Wettbewerbseinschränkung, die eigentlich auch aus Sicht der Auftraggeber nicht gewünscht sein kann. Dadurch, dass die Verantwortung rechtzeitiger und vollständiger Referenzauskünfte dem Bieter entzogen und auf Dritte, die selbst kein Interesse am Auftrag haben, verlagert wird, steigt das Risiko unvollständiger und verspäteter Referenzauskünfte. Damit schränkt der Auftraggeber seine Angebotsauswahl unnötig ein.
Dr. Rut Herten-Koch berät sowohl die öffentliche Hand und ihre Unternehmen als auch private Eigentümer, Investoren, Projektentwickler und Bieter in Vergabeverfahren. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Begleitung und Gestaltung komplexer Verfahren – sei es im Bauplanungs- oder im Vergaberecht. Darüber hinaus vertritt Rut Herten-Koch ihre Mandanten vor den Vergabenachprüfungsinstanzen und den Verwaltungsgerichten. Seit 2002 ist sie als Rechtsanwältin im Bereich öffentliches Recht und Vergaberecht in Berlin tätig. Rut Herten-Koch ist seit Juli 2015 Partnerin bei Luther.
Ich kann die Bedenken von Frau Dr. Herten-Koch durchaus nachvollziehen. Hinzufügen möchte ich noch, dass das Konstrukt der Bewertung von Referenzen durch die Referenzgeber erheblich ins Wanken kommt, wenn der eine oder andere Referenzgeber selbst öffentlicher Auftraggeber ist und aus unterschiedlichen Gründen absolut keine Referenzbewertung abgeben möchte (z.B. wenn interne Dienstvorschriften dies nicht zulassen). Zumindest die Gleichbehandlung der Bieter dürfte dann in Frage zu stellen sein.
Bleibt also nur, wieder zur Eigenbewertung durch den Auftraggeber zurück zu kehren. Allerdings tue ich mich auch dabei schwer, denn wie begründet man die Punktevergabe für die Qualität einer Referenz in einer Skala von z.B. 0 – 10 Punkten, wenn der Referenzgeber schreibt, er war mit der Leistung „stets zufrieden“?
Wohl den öAG, die sich gut verstehen … Will ich Bieter A den Auftrag nicht zukommen lassen, bitte ich einen der Referenzgeber darum, einfach auf die Referenzbewertung zu „verzichten“. Der Manipulation ist damit ja Haus und Hof geöffnet!