Die durch eine Auflage im Zuwendungsbescheid geregelte Verpflichtung des Zuwendungsnehmers zur Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
Wenn noch vor Jahren das Rügeschreiben eines Bieters beim Auftraggeber Angst davor verursachte, demnächst zur Rechtfertigung seines beabsichtigten Vorgehens vor der Vergabekammer zu stehen, treiben diesem seit Kurzem besonders Anhörungsschreiben der Bewilligungsbehörde über die Rückforderung von bereits gewährten und verbrauchten Fördergeldern wegen Vergaberechtsverstößen den Angstschweiß auf die Stirn.
Im Gegensatz zu den benannten Vergabenachprüfungsverfahren ist die Konfrontation mit dieser Rückforderungsforderungssituation ungleich schwieriger, da die Auftragsvergaben meist bereits Jahre zurückliegen und das Vergabeverfahren eben nicht mehr beeinflusst werden kann. Viele Zuwendungsempfänger werden auch in dieser Situation feststellen, dass sie aufgrund der vielfältigen, teilweise widersprüchlichen Regelungen des Zuwendungsbescheids auch jetzt noch nicht klar erkennen, welche Regelungen sie denn eigentlich bei der Auftragsvergabe hätten einhalten sollen oder müssen. Verschärft wird diese Situation dadurch, dass die Bewilligungsbehörden ihrerseits von übergeordneten Stellen dazu angehalten zu sein scheinen, mögliche Auflagenverstöße rigoros zu ahnden. Es herrscht Verunsicherung auf beiden Seiten. Das Verwaltungsgericht Köln hat durch die vorbenannte Entscheidung erfreulicherweise mit einigen Märchen rund um das Vergabe- und Zuwendungsrecht aufgeräumt.
ANBest-P, §§ 36, 44, 49 VwVfG
Leitsatz
Sachverhalt
Im Jahre 2010 hatte die Bewilligungsbehörde dem Zuwendungsempfänger eine Förderung als Anteilsfinanzierung i. H. v. bis zu 616.771,42 Euro aus Bundesmitteln und Mitteln des Europäischen Strukturfonds (ESF) für ein Projekt bewilligt, durch welches u.a in den kommenden Jahren bis zu 500 neue Arbeitsplätze für Ehrenamtskoordinatoren geschaffen werden sollten. Die dem Bescheid beigefügten Allgemeinen Nebenbestimmungen zur Projektförderung (ANBest-P) wurden für verbindlich erklärt. Weiterhin wurde in dem Bescheidtext als „Allgemeine Nebenbestimmung“ der Hinweis aufgenommen, dass „bei der Vergabe von Aufträgen die Leistungen grundsätzlich öffentlich auszuschreiben und nur ausnahmsweise als Vergabeart unter gewissen Voraussetzungen freihändige Vergaben zulässig seien“. Weiterhin wurde „abweichend“ Folgendes „festgelegt“:
„Bis zu einem geschätzten Auftragswert von 100.000 Euro (ohne Mehrwertsteuer) können zur Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen Beschränkte Ausschreibungen oder Freihändige Vergaben durchgeführt werden.“
Darüber hinaus enthält der Bescheid den nachfolgenden Zusatz:
„Aufträge, die auf Honorarbasis abgewickelt werden sollen, müssen nach Maßgabe der Vergabevorschriften (siehe ANBest-P Nr. 3) vergeben werden.“
Der Zuwendungsempfänger forderte am 06.07.2010 insgesamt sechs Bewerber zur Angebotsabgabe für die Durchführung von fünf Ausbildungskursen, 15 Projektberatungen vor Ort und der Erarbeitung eines Praxishandbuchs auf. Auf diese Aufforderung wurden drei Angebote abgegeben. Zwei dieser Angebote gaben im Anschreiben an, die zu erbringende Leistung arbeitsteilig mit dem jeweils anderen Anbieter erbringen zu wollen. Die Angebotsabgabe erfolgte jedoch getrennt. Beiden Bietern teilte der Zuwendungsempfänger sodann mit, deren Angebot „in Zusammenarbeit“ mit dem jeweils anderen Bieter anzunehmen. Die erteilten Aufträge wiesen einen Gesamtumfang von 90.000 Euro und 69.030 Euro aus.
In seinem Vergabevermerk begründet der Zuwendungsempfänger die Wahl der freihändigen Vergabe unter Bezugnahme auf die Sonderregelungen des Zuwendungsbescheides („bis 100.000 Euro“). Als Kosten des Gesamtangebots werden in dem Vermerk 159.030 Euro ausgewiesen.
Nach Durchführung des Projekts wurde an beide Vertragspartner insgesamt eine Vergütung i. H. v. 157.764,94 Euro gezahlt. Die internen Prüfvermerke der Bewilligungsbehörde zu drei Zwischenverwendungsnachweisen bestätigen die Einhaltung der Nebenbestimmungen. Erst nach Einreichung des abschließenden Verwendungsnachweises im Juli 2013 erfolgt eine Anhörung wegen einer vermeintlich falsch gewählten Vergabeart. Der Zuwendungsempfänger berief sich darauf, dass zwei separate Aufträge, jeweils mit einem Gesamtauftragswert unter 100.000 Euro, vorlägen. Im Dezember 2013 widerrief die Bewilligungsbehörde den Zuwendungsbescheid teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit i. H. v. 39.441,24 Euro und forderte insoweit Erstattung. Der Widerspruch des Zuwendungsempfängers blieb erwartungsgemäß erfolglos, so dass der Rückforderungsbescheid dem Verwaltungsgericht Köln zur Prüfung vorgelegt wurde.
Der Zuwendungsempfänger wandte gegen den Rückforderungsbescheid ein, dass schon kein Verstoß gegen Nebenbestimmungen vorliege, da es sich bei den Aufträgen um freiberufliche Dienstleistungen handele, die gem. VOF zu vergeben seien. Durch den Zuwendungsbescheid sei allenfalls die VOL/A anwendbar. Diese gelte gem. § 1 VOL/A allerdings gerade nicht für freiberufliche Dienstleistungen. Die Anwendung der VOF sei durch den Zuwendungsbescheid nicht zur Auflage gemacht worden. Deren Anwendbarkeit sei ohnehin nicht gegeben, da der Schwellenwert offensichtlich nicht erreicht würde. Selbst wenn die VOL/A Anwendung finden würde, läge ein Verstoß gegen Nebenbestimmungen nicht vor, da zwei Aufträge mit einem jeweiligen Gesamtauftragswert von unter 100.000 Euro vorlägen. Weiterhin verstoße der Widerrufsbescheid gegen Treu und Glauben und sei daher ermessensfehlerhaft.
Die Bewilligungsbehörde tritt dem Vorgehen entgegen und führt in dem Verfahren auch an, dass sie ihren Widerruf zusätzlich darauf stütze, dass der Zuwendungsempfänger den Nachweis der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung nicht erbracht habe.
Die Entscheidung
Der Zuwendungsempfänger obsiegt auf ganzer Linie!
Zur Begründung der Rechtswidrigkeit des Zuwendungsbescheids wählt das Gericht den kurzen Weg: Die Kammer stellt zunächst fest, dass die ANBest-P als Auflagen i. S. d. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG Bestandteil des Zuwendungsbescheids und nach Ablauf der Rechtsmittelfrist grundsätzlich bestandskräftig geworden sind. Im nächsten Atemzug erfolgt jedoch die Feststellung, dass diese Regelungen an einem besonders schweren Fehler leiden, welche nach § 44 Abs. 1 VwVfG zur Nichtigkeit der Auflagen führe – die Auflagen seien entgegen § 37 Abs. 1 VwVfG nicht hinreichend bestimmt. Eine von einer Behörde getroffene Regelung müsse so vollständig, klar und unzweideutig sein, dass der Adressat sein Verhalten danach richten könne. Die Auslegung gem. § 133, 157 BGB habe anhand des objektiven Empfängerhorizontes zu erfolgen. Es käme mithin nicht darauf an, wie der Adressat oder die Bewilligungsbehörde die Regelung subjektiv verstanden hätten. Unklarheiten bei der Auslegung gingen zu Lasten der Verwaltung.
Vor diesem Hintergrund ließen sich die in der Sachverhaltsschilderung dargestellten „Auflagen“ und „Hinweise“ vom Bescheidempfänger nicht mehr zu einem sinnvollen Ganzen zusammensetzen. Die Regelungen seien völlig unverständlich und undurchführbar und könnten dementsprechend keine Bestandskraft für sich in Anspruch nehmen. Eine Auflage müsse allerdings so konkret sein, dass der Bescheidempfänger ohne weitere Recherche oder Nachfrage erkennen könne, welches Tun, Dulden oder Unterlassen von ihm erwartet würde. Die vorliegend offenkundige und schwerwiegende Unbestimmtheit bewirke daher die Nichtigkeit des Widerrufs.
Weiterhin führt die Kammer aus, dass freiberufliche Dienstleistungen – welche vorliegend unstreitig vorlagen – unterhalb der Schwellenwerte zumindest nach den in diesem Fall verwendeten Nebenbestimmungen (ANBest-P) nicht dem Anwendungsbereich der VOL/A unterliegen.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung ist zu begrüßen. Mit erfreulicher Deutlichkeit erteilt das Verwaltungsgericht Köln dem Vorhaben der Bewilligungsbehörde nach Widerruf und Erstattung eine Abfuhr.
Inhaltlich ist der Entscheidung insofern voll und ganz zuzustimmen, als dass die Kammer verdeutlicht, dass die verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen für den Widerruf von begünstigenden Verwaltungsakten auch dann vorliegen müssen, wenn dem Bescheidempfänger der Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften vorgeworfen wird. In diesem Zusammenhang wird der in der Praxis allzu oft vergessene Ausgangspunkt, welche konkrete Regelung der Bescheid eigentlich trifft, deutlich ins Gedächtnis gerufen und klargestellt, dass ein Widerruf nicht allgemein mit Verstößen gegen vergaberechtliche Vorschriften begründet werden kann. Zuwendungs- und Vergaberecht sind zwei unterschiedliche Rechtsmaterien, die ANBest-P sind hierbei dem Zuwendungsrecht zuzuordnen. Wie die Kammer zutreffend ausführt, kann innerhalb des Zuwendungsverhältnisses lediglich dann eine Sanktion erfolgen, wenn diese im Zuwendungsbescheid – hinreichend bestimmt – festgelegt ist. Ohne entsprechende Regelung gilt das Vergaberecht im Zuwendungsverhältnis nicht. Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob der Zuwendungsempfänger möglicherweise aus haushaltsrechtlichen Gründen oder als öffentlicher Auftraggeber i. S. d. § 98 GWB zur Einhaltung bestimmter Vergabevorschriften verpflichtet ist – eine in der Praxis oftmals übersehene Tatsache!
Für den Fall, dass ein Zuwendungsbescheid unterschiedliche – teils überlagernde, teils widersprechende – Regelungen trifft, so dass im Ganzen nicht mehr erkennbar ist, was vom Zuwendungsempfänger gefordert wird, kann dies nur zur Gesamtnichtigkeit führen. Dies erfordert schon die Rechtsklarheit.
Erfreulich ist weiterhin, dass die Kammer ebenso feststellt, dass der Vorwurf, die wirtschaftliche und sparsame Mittelverwendung nicht nachgewiesen zu haben, einen im Vergleich zum Auflagenverstoß vollkommen anderen Lebenssachverhalt darstellt und es der Bewilligungsbehörde daher verwehrt ist, den Widerruf quasi „hilfsweise“ im Wege einer Generalklausel über dieses Konstrukt zu begründen.
Praxistipp
Die Prüfdichte für die Verwendung öffentlicher Fördermittel insbesondere in Bezug auf die Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften hat in der Vergangenheit stark zugenommen. Im Gegensatz zu Nachprüfungsverfahren gem. § 107 ff. GWB besteht das Problem für Auftraggeber hierbei darin, dass die Verfahren bereits (meist seit Langem) abgeschlossen und die Leistungen erbracht wurden. Das Verfahren ist schlicht nicht mehr heilbar – ein etwaiger Verstoß bleibt bestehen.
Gleichfalls ist zu beobachten, dass in der Praxis viele Zuwendungsbehörden losgelöst vom jeweiligen Zuwendungsbescheid mit dem allgemeinen Hinweis argumentieren, bei der Auftragserteilung sei „gegen Vergaberecht verstoßen worden“. Die besprochene Entscheidung zeigt eindrucksvoll, dass diese globale Verpflichtung zur Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften aber nicht besteht. Grundlage für den Widerruf des Zuwendungsbescheids muss immer ein Verstoß gegen Auflagen des Bescheids sein. Liegt dieser nicht vor, kann ein Widerruf auch dann nicht erfolgen, wenn der Zuwendungsempfänger aus haushaltsrechtlichen Gründen oder als öffentlicher Auftraggeber i. S. d. § 98 GWB an das Vergaberecht gebunden ist. Diese Bindung strahlt nicht automatisch ins Zuwendungsverhältnis aus, sondern muss im Förderbescheid hinreichend bestimmt angeordnet sein.
Zuwendungsempfänger, welche mit einem Rückforderungsverlangen konfrontiert werden, tun also gut daran, die Regelungen des Bescheids intensiv zu prüfen, um zu klären, zur Einhaltung welcher vergaberechtlichen Regelungen sie eigentlich verpflichtet sind bzw. waren.
Der Autor Torben Schustereit ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Kanzlei GKMP Pencereci Rechtsanwälte aus Bremen und dort schwerpunktmäßig im Bereich des Vergaberechts und des privaten Bau- und Architektenrechts tätig. Er berät vornehmlich öffentliche Auftraggeber und Empfänger von Fördermitteln bei der Durchführung von nationalen und europaweiten Vergabeverfahren und vertritt diese in Nachprüfungsverfahren und vor den Verwaltungsgerichten. Daneben ist er regelmäßiger Referent auf vergaberechtlichen Veranstaltungen.
Wirklich sehr interessant, Herr Schustereit. Ihrer rechtlichen Würdigung und dem Praxistipp – vor allem dem letzten Satz – stimme ich zu. Bezüglich dem Vorwurf der nicht wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung könnte hier aber noch eine Preisprüfung ins Haus stehen.