In den vergangenen Jahren wurden öffentliche Auftraggeber immer wieder von privaten Informationsdienstleistern aufgefordert, nach Auftragsvergabe Informationen zu den Ausschreibungsergebnissen für eine Veröffentlichung anzugeben.
Im März 2014 hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg solchen Auskunftsansprüchen von Internetportalen einen Riegel vorgeschoben (Beschl. v. 25.03.2014 ‒ 1 S 169/14; vgl. den Beitrag des Autors, Vergabeblog.de vom 14/08/2014, Nr. 19767). In einer aktuellen Entscheidung sieht das VG Schwerin einen Presseauskunftsanspruch zu Informationen über eine Auftragsvergabe demgegenüber als gerechtfertigt an (Urt. v. 18.05.2015 ‒ 6 A 75/14).
Hintergrund
Die Auskunftsbegehren der Unternehmen der Informationslogistik zielen zumeist darauf ab, von öffentlichen Auftraggebern nach der Beendigung von Vergabeverfahren Informationen in Bezug auf den Namen und die Adresse des ermittelten Auftragnehmers, den Auftragswert in Euro und die Anzahl der Bieter übermittelt zu bekommen. Öffentliche Auftraggeber wurden in diesem Zusammenhang dazu aufgefordert, Ausschreibungsinformationen in bestimmte Internetportale einzugeben.
Den Auskunftsanspruch stützten die Informationsdienstleister zumeist auf das in dem jeweiligen Bundesland einschlägige Landespressegesetz, das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes oder ‒ falls vorhanden ‒ das entsprechende Informationsfreiheitsgesetz des jeweiligen Bundeslandes und auf den Rundfunkstaatsvertrag.
Entscheidung
Das Verwaltungsgericht Schwerin hat in seiner Entscheidung den geltend gemachten Presseauskunftsanspruch zu Ausschreibungsinformationen bestätigt. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf die einschlägigen Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags. Nach Auffassung des Gerichts betreibt das Internetportal ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot. Auch das erforderliche Publikationsinteresse liegt nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Schwerin vor.
Auch vergaberechtliche Vorschriften stehen dem geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht entgegen. Die auskunftsbegehrenden Unternehmen verlangten nämlich nur Auskunft über solche Angaben, die im Rahmen europaweiter Vergabeverfahren ebenfalls bekannt gemacht werden müssen.
Rechtliche Würdigung
Entscheidend für das Vorliegen der von den Internetportalen geltend gemachten Auskunftsansprüche ist die Feststellung, dass ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot vorliegt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte – in Bezug auf denselben Sachverhalt – ein solches journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot im März 2014 abgelehnt, weil die Internetseiten keine publizistische Zielsetzung beinhalten. Außerdem werden den Nutzern keine Informationen über abgeschlossene Vergabeverfahren vorenthalten. Nach Auffassung des Gerichtshofs sind diese Informationen darüber hinaus nach den vergaberechtlichen Regelungen nicht zu veröffentlichen und daher nicht allgemein zugänglich.
In einer weiteren Entscheidung hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg festgestellt, dass gegebenenfalls auf der Grundlage entsprechender Informationsfreiheitsgesetze des jeweiligen Bundeslandes ein Recht auf Zugang zu ausschreibungsbezogenen Informationen in Betracht kommt (Urt. v. 24.09.2013 ‒ 10 S 1695/12; vgl. den Beitrag des Autors Vergabeblog.de vom 21/10/2013, Nr. 17370).
Ausblick
Auskunftsansprüche der privaten Informationsdienstleister werden derzeit von den Gerichten unterschiedlich beurteilt. Öffentliche Auftraggeber, die sich entsprechenden Auskunftsansprüchen ausgesetzt sehen, müssen daher auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ‒ soweit vorhanden ‒ in ihrem Bundesland achten. Vor diesem Hintergrund bleibt die weitere Rechtsentwicklung abzuwarten: In Bezug auf verwandte Anfragen von Ausschreibungsdiensten, die bereits Bekanntmachungstexte öffentlicher Auftraggeber zur Verfügung gestellt haben wollen und nicht lediglich Informationen über vergebene Aufträge, wird das Bundesverwaltungsgericht voraussichtlich noch im ersten Halbjahr 2016 eine Entscheidung fällen.
Dr. Martin Ott
Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Herr Dr. Ott berät und vertritt bundesweit in erster Linie öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsvorhaben. Auf der Basis weit gefächerter Branchenkenntnis liegt ein zentraler Schwerpunkt in der Gestaltung effizienter und flexibler Vergabeverfahren. Daneben vertritt Herr Dr. Ott die Interessen der öffentlichen Hand in Nachprüfungsverfahren. Er unterrichtet das Vergaberecht an der DHBW und der VWA in Stuttgart, tritt als Referent in Seminaren auf und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichen. Er ist einer der Vorsitzenden der Regionalgruppe Stuttgart des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW).
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