In dieser Entscheidung setzt sich die Vergabekammer Bund mit den Tatbestandsvoraussetzungen der neuen Vertragsänderungsregelung im Fall des Auftragnehmerwechsels näher auseinander. Ausgangspunkt ist naturgemäß noch die Richtlinienvorschrift im Wege der Vorwirkung. Wegen der überwiegenden Übereinstimmung im Wortlaut zwischen Richtlinie und GWB 2016 enthält die Entscheidung jedoch viele interessante Aspekte zur zukünftigen Anwendung der Neuregelung.
Sachverhalt
Die Antragsgegnerin schrieb im Mai 2015 Luftsicherheitskontrolldienstleistungen aus. An der Ausschreibung beteiligten sich unter anderem die Antragstellerin und das Unternehmen A. Ende September 2015 wurde Unternehmen A der Zuschlag erteilt. Beginn der Leistungserbringung war der 1.1.2016. Ende November 2015 bat Unternehmen A die Antragsgegnerin um Zustimmung zur Überleitung des Vertrags an die Beigeladene. Sie reichte für die Beigeladene Eignungsnachweise ein und legte eine Vertragsübernahmevereinbarung vor.
Die Beigeladene, die bis dahin noch nicht operativ tätig war, ist eine mittelbare Schwestergesellschaft des Unternehmens A und wurde im Dezember 2015 im Handelsregister eingetragen. Sowohl A als auch die gemeinsame Mutter haben erklärt, während der Auftragsausführung mit ihren Ressourcen der Beigeladenen zur Verfügung zu stehen. Die Antragsgegnerin stimmte der Überleitung in der Folgezeit zu. Die Antragstellerin erfuhr von der Überleitung und rügte dies erfolglos als unzulässige de-facto-Vergabe. Sie legte daraufhin Nachprüfungsantrag ein.
Die Entscheidung
Die Vergabekammer setzte sich im Wesentlichen mit folgenden Punkten im Zusammenhang mit der Neuregelung zu den Vertragsänderungen auseinander:
1. Der Zulässigkeit stehe nicht entgegen, dass im Falle der Unwirksamkeit des Überleitungsvertrags der Ursprungsvertrag unter Umständen vertragsrechtlich weiterhin Gültigkeit hätte. Wenn den Vertragspartnern lediglich der Status-Quo-Ante und nicht wie in § 132 Abs. 1 Satz 1 GWB verlangt, eine Neuausschreibungspflicht auch des Ursprungsvertrags drohe, könnten die Vertragspartner risikolos Änderungen versuchen. Dies sei, so die Vergabekammer, keine wirksame Sanktion für die De-facto-Vergaben bei Vertragsänderungen.
2. Nur noch rechtsgeschichtlich interessant sind die Ausführungen der Vergabekammer zur Pressetext-Entscheidung des europäischen Gerichtshofs. Die dort genannten Merkmale seien nicht als allgemein gültige Anforderungen an Vertragsübernahmen zu verstehen. Sie betreffen nur den konkreten Einzelfall. Bei funktionaler Betrachtung liege im streitgegenständlichen Fall eine ebenso rein organisatorische interne Änderung ohne Einfluss auf den Vertrag vor. Maßgeblich sei, dass nur eine Verschiebung innerhalb des Konzerns stattfinde. Die Beigeladene kann auf die Ressourcen von Mutter und Schwester zugreifen. Die Schwester hat ausdrücklich gegenüber der Antragsgegnerin Haftung und Gewährleistung übernommen. Die im Angebot genannten Mitarbeiter gehen auf die Beigeladene über. Die Leistungserbringung bleibt unberührt.
3. Weiterhin befasst sich die Vergabekammer mit der Richtlinienregelung, die durch § 132 Abs. 2 Nr. 4 b) GWB umgesetzt wurde. Auch nur noch rechtsgeschichtlich interessant sind die Ausführungen zur Vorwirkung der Richtlinienregelung, die von der Vergabekammer voll umfänglich bejaht wird.
Die Voraussetzungen für einen zulässigen Vertragspartnerwechsel während der Laufzeit eines Vertrages seien im vorliegenden Fall erfüllt.
– Unternehmensumstrukturierung
Die Vergabekammer stellt zunächst fest, dass auch eine schuldrechtliche Vertragsübernahme von den in der Vorschrift genannten Unternehmensumstrukturierungen erfasst ist. Die Aufzählung in § 132 Abs. 2 Nr. 4 b) GWB ist nur Beispielhaft. Darüber hinaus stellt die Vergabekammer klar, dass die Merkmale der Pressetext-Entscheidung nicht in das Tatbestandsmerkmal Unternehmensumstrukturierung hinein gelesen werden können.
– Eignung des neuen Vertragspartners
Für die Frage der Eignungsprüfung gilt, so die Vergabekammer, dass zum einen die Qualität der Eignung eine den Anforderungen entsprechendes Niveau aufweisen müsse. Zum anderen müsse diese zum Zeitpunkt der Übernahme vorliegen und geprüft werden. Ursprünglich beziehe sich nur auf die festgelegten Eignungskriterien, nicht auf einen bereits zum damaligen Zeitpunkt existenten Wirtschaftsteilnehmer.
Außerdem verlange § 132 Abs. 2 Nr. 4 b) GWB nicht, dass die Eignung in eigener Person vorliegen muss. Auch in dieser Konstellation darf auf Kapazitäten dritter im Wege der Eignungsleihe zugegriffen werden. Das betrifft vor allem auch die geforderten Referenzen, die die Beigeladene mangels operativer Tätigkeit naturgemäß nicht selbst nachweisen konnte.
– Keine weiteren wesentlichen Änderungen
Auch der letzten Voraussetzung des § 132 Abs. 2 Nr. 4 b) GWB sei gegeben. Laut Vertragsübernahmevereinbarung wird die Leistungserbringung nicht berührt. Auch sonst sind keine Änderungen erkennbar. Insbesondere setzt die Beigeladene auch alle vom Unternehmen A eingereichten Konzepte um.
Schließlich prüft die Vergabekammer als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, ob in der vorliegenden Konstellation Gründung der neuen Gesellschaft unmittelbar nach Zuschlagserteilung und Überleitung noch vor Beginn der Leistungserbringung – eine Umgehung des Vergaberechts vorliegen könnte. Dies verneint die Vergabekammer.
Insbesondere war der Konzern nicht gezwungen, die Beigeladene bereits im Vorfeld der Angebotsabgabe zu gründen, damit sich diese im Verfahren beteiligen kann. Ebenso wenig liegt eine Umgehung darin, dass die Vertragsübernahme unmittelbar nach Zuschlagserteilung, mithin noch vor Beginn der eigentlichen Vertragsausführung stattfand. Nach Zuschlagserteilung ergriffene Maßnahmen sind per se nicht geeignet, auf den Bieterwettbewerb zurück zu wirken. Es ist rechtlich unterschiedlich zu bewerten, ob die Vertragsübernahme eine juristische Sekunde vor oder nach Zuschlagserteilung vorgenommen worden ist. Zivil- und Vergaberecht schützen verschiedene Rechtsgüter. Nach Zuschlagserteilung greift die zivilrechtliche Vertragsfreiheit. Die danach stattfindende Vertragsübernahme ist vergaberechtlich neutral, soweit die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 4 GWB vorliegen.
Rechtliche Würdigung
Neben der sorgfältigen Abarbeitung der Voraussetzungen für einen vergaberechtsfreien Auftragnehmerwechsel lässt die Entscheidung noch ein paar interessante Fragen offen:
Zum einen erscheint die Frage der Zulässigkeit nicht ganz überzeugend geklärt. Zwar ist der VK Bund grundsätzlich recht zu geben, dass die Antragsbefugnis nicht davon abhängen könne, ob der Ursprungsvertrag mit dem alten Auftragnehmer wieder auflebt, wenn der Auftragnehmerwechsel für unwirksam erklärt wurde. Im der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall war die Situation allerdings so, dass der alte Auftragnehmer ohne weiteres die Auftragsausführung wieder hätte übernehmen können, der Auftragnehmerwechsel hatte rein konzerninterne Gründe. Im Fall der Unwirksamkeit des Übernahmevertrags wäre rein vertragsrechtlich der alte Vertrag wieder aufgelebt. Die Unwirksamkeitswirkung des Vergaberechts hätte sich auch nicht auf den bereits bezuschlagten alten Vertrag beziehen können. Der Auftraggeber wäre an den alten Vertrag gebunden gewesen und hätte keinen Anlass für eine Neuausschreibung bzw. keinen Beschaffungsbedarf gehabt.
Zum anderen stellt sich bezogen auf die Eignungsleihe die Frage, wie insbesondere bei der Leihe von Referenzen in Zukunft vorzugehen ist. Denn § 47 VgV bestimmt, dass ein Bieter sich nur dann auf die berufliche Erfahrung eines dritten Unternehmens berufen könne, wenn dieses auch die Leistung erbringt, für die diese Kapazitäten benötigt werden. Das bedeutet, dass in einem ähnlich gelagerten Fall ab 18.04.2016 der alte Auftragnehmer wohl als Nachunternehmer in die Leistungserbringung einbezogen werden müsste. Das würde wiederum schwierig, wenn es den alten Auftragnehmer nach dem Auftragnehmerwechsel in dieser Form gar nicht mehr gibt.
Schließlich sind die Überlegungen der Vergabekammer zum Zeitpunkt des Vertragspartnerwechsels beachtenswert. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass auch beim Wechsel des Bieters zwischen Angebotsabgabe und Zuschlag die Rechtsprechung Konstellationen herausgearbeitet hat, die nicht zum Ausschluss des Angebots führen. So soll zum Beispiel im Verhandlungsverfahren grundsätzlich die Gelegenheit bestehen, Änderungen in der Person des Bieters, die noch während der Verhandlungsphase eintreten, transparent vorzunehmen (OLG Düsseldorf, B. v. 03.08.2011 – Az.: VII-Verg 16/11 – für den Fall der Verschmelzung).
Anmerkung der Redaktion
Auftragsänderungen nach dem neuen Vergaberecht sind u. a. Themen auf dem 1. IT-Vergabetage am 28. April in Berlin sprechen. Das Vollständige Programm sowie die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier.
Treffen Sie die Autorin dieses Beitrags am 28. April in Berlin. Frau RAin Aline Fritz leitet im Rahmen des 1. IT-Vergabetags den Workshop „Neues zur Eignung nach der VgV 2016″.
Aline Fritz
Frau Fritz ist seit 2000 im Bereich des Vergaberechts tätig und seit 2002 Rechtsanwältin bei FPS Rechtsanwälte und Notare, Frankfurt. Sie berät sowohl die öffentliche Hand bei der Erstellung von Ausschreibungen als auch Bieter in allen Phasen des Vergabeverfahrens. Frau Fritz hat umfassende Erfahrungen in der Vertretung vor diversen Vergabekammern und Vergabesenaten der OLGs. Des Weiteren hat sie bereits mehrere PPP-Projekte vergaberechtlich begleitet. Frau Fritz hält regelmäßig Vorträge und Schulungen zum Vergaberecht und hat zahlreiche vergaberechtliche Fachbeiträge veröffentlicht. Vor ihrer Tätigkeit bei FPS war Frau Fritz Leiterin der Geschäftsstelle des forum vergabe e.V. beim BDI in Berlin.
Schreibe einen Kommentar