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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 28/08/2016 Nr. 27108

Vergabe von Planungsleistungen: Kein weitergehender Honoraranspruch, wenn Entschädigung in Vergabeunterlagen vorgesehen (BGH, Urt. v. 19.04.2016 – X ZR 77/14)

EntscheidungBislang war höchstrichterlich nicht entschieden, ob Planungsbüros Honoraransprüche außerhalb des Vergabeverfahrens geltend machen können oder ob eine unzureichende Aufwandsentschädigung für die Angebotserstellung bereits im Vergabeverfahren angegriffen werden muss. Dieser Rechtsunsicherheit hat der BGH nunmehr ein Ende bereitet.

Der zuständige Vergabesenat weist in einer jüngeren Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass Honoraransprüche nicht durchsetzbar sind, wenn ein Bieter eine vom Auftraggeber festgesetzte Entschädigung unbeanstandet lässt und stattdessen ein Angebot abgibt.

VgV 2016 § 77 Abs. 2, 3; VOF 2009 § 13 Abs. 2, 3, § 20 Abs. 3

Leitsatz

1. Beteiligt sich ein Planungsbüro an einem Vergabeverfahren zur Beauftragung von Planungsleistungen, in dem eine pauschale Vergütung als abschließende Zahlung für Leistungen vorgesehen ist, die über die Bearbeitung der Angebotsunterlagen hinausgehen, kann die Bindung an diese Vergütung nur durch Rüge gegenüber dem Auftraggeber und Einleitung eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens beseitigt werden.

2. Unterlässt ein Planungsbüro eine Rüge und gegebenenfalls die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens, stehen diesem keine weitergehenden Honoraransprüche für Leistungen zu, die über die Bearbeitung der Angebotsunterlagen hinausgehen.

(Leitsätze nicht amtlich)

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb Planungsleistungen im Zusammenhang mit der Entwicklung eines früheren Industriegeländes europaweit aus. Den Bietern war aufgegeben, mit Einreichung der Angebote eine Projektstudie vorzulegen. Die Projektstudie musste einen Erläuterungsbericht, eine Kostenschätzung einschließlich der Wartungs- und Unterhaltskosten für 20 Jahre, eine statische Vorbemessung sowie eine Visualisierung des Gesamtbauwerks mittels Grundrissen und Längsschnitten enthalten. Der Auftraggeber gewährte hier dem Bieter eine Aufwandsentschädigung in Höhe von EUR 6.000,00. Ein Bieter rügte die Höhe der Entschädigung als unangemessen. Der Auftraggeber half der Rüge nicht ab. Der Bieter reichte daraufhin ein Angebot ein. Erst nachdem der Bieter den Zuschlag nicht erhalten hatte, verlangte er vom Auftraggeber für die Projektstudie EUR 250.000,00.

Die Entscheidung

Zu Unrecht, wie der BGH ebenso wie die Vorinstanzen zugunsten des Auftraggebers entschied. Der BGH ist der Rechtsauffassung, dass ein Bieter mit Angebotsabgabe zugleich sein Einverständnis mit einer in den Vergabeunterlagen ausdrücklich vorgesehenen Aufwandsentschädigung erklärt. Sofern eine Aufwandsentschädigung nach Ansicht eines Bieters unangemessen niedrig ist, kann er sich hierauf nicht mehr berufen, nachdem er den Zuschlag nicht erhalten hat. In dieser Hinsicht komme es nicht darauf an, ob ein Bieter der Auffassung ist, eine Vergütung sei zu gering im Sinne des § 13 Abs. 3 VOF 2009 oder es liege ein nach § 20 Abs. 3 VOF 2009 vergütungspflichtiger Lösungsvorschlag vor, der nach den Honorarbestimmungen der HOAI vergütet werden müsse. Ein Bieter ist vielmehr gehalten, sein Ansinnen im Wege eines Nachprüfungsverfahrens durchzusetzen.

Rechtliche Würdigung

Die Vergabe von Planungsleistungen ist häufig mit dem Grundproblem konfrontiert, dass Auftraggeber einerseits gewisse Ausarbeitungen oder gar Lösungsvorschläge für die Planungsaufgabe von den Bietern zur Beurteilung der Qualität der Angebote abfordern. Andererseits ist die Erstellung der Angebote für die Bieter mit immensem Aufwand verbunden.

Vor diesem Hintergrund besteht aus der Perspektive der Auftraggeber die Gefahr, dass Bieter umfangreiche Planungsleistungen erbringen könnten, ohne dass solche ausdrücklich gefordert waren. Dem begegnet nunmehr die Vorschrift des § 76 Abs. 2 Satz 3 VgV. Bieter stehen vor der Herausforderung, dass manches Mal nur schwer abzuschätzen ist, in welchem Umfang Lösungsvorschläge gefordert sind und erbringen daher häufig umfangreiche Ausarbeitungen, um keinen Wettbewerbsnachteil im Verfahren zu erleiden.

Diverse Oberlandesgerichte hatten bereits in den vergangenen Jahren entschieden, dass an die Geltendmachung weitergehender Honoraransprüche inhaltlich und formal hohe Anforderungen zu stellen sind (OLG Koblenz, Urteil vom 20.12.2013 8 U 1341/12 (siehe den Beitrag des Autors, Vergabeblog.de vom 27/01/2014, Nr. 18131); OLG München, Urteil vom 20.03.2013 Verg 5/13 (siehe den Beitrag des Autors, Vergabeblog.de vom 28/04/2013, Nr. 15146)). Diese Rechtsauffassung bestätigt nunmehr auch der BGH. Sofern ein Bieter bei der Vergabe von Planungsleistungen der Ansicht ist, eine vorgesehene Aufwandsentschädigung sei unangemessen, so muss er diesen Aspekt rügen und gegebenenfalls in einem Nachprüfungsverfahren weiterverfolgen. Der BGH weist ausdrücklich darauf hin, dass dies der einzig gangbare Weg ist, um zu erreichen, dass der Auftraggeber entweder die Entschädigung erhöht oder möglicherweise die an die Ausarbeitung von Planungsleistungen gestellten Anforderungen herabsetzt.

Praxistipp

Für die Praxis ist von immenser Bedeutung, dass der Inhalt der Grundsatzentscheidung des BGH ausdrücklich auch für diejenigen Vergabeverfahren zur Beauftragung von Planungsleistungen gilt, die nach dem 18.04.2016 unter Anwendung der VgV durchzuführen sind. Die Vorschrift des § 77 Abs. 2 VgV fordert für den Fall, dass öffentliche Auftraggeber über die Erstellung der Angebotsunterlagen hinaus die Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen für die gestellte Planungsaufgabe wünschen, die Festsetzung einer angemessenen Vergütung. Zwar bleiben auch nach der gesetzlichen Neuregelung (vgl. § 77 Abs. 3 VgV) gesetzliche Gebühren- oder Honorarordnungen unberührt. Weitergehende Vergütungsansprüche sind aber auch künftig nicht durchsetzbar, wenn eine im Vergabeverfahren vorgesehene Entschädigung unbeanstandet bleibt.

Anmerkung der Redaktion
Der Beitrag ist Teil der Serie Planungsleistungen und freiberufliche Leistungen.
Weitere relevante Beiträge finden Sie auf der Serienseite.

Dr. Martin Ott

Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Herr Dr. Ott berät und vertritt bundesweit in erster Linie öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsvorhaben. Auf der Basis weit gefächerter Branchenkenntnis liegt ein zentraler Schwerpunkt in der Gestaltung effizienter und flexibler Vergabeverfahren. Daneben vertritt Herr Dr. Ott die Interessen der öffentlichen Hand in Nachprüfungsverfahren. Er unterrichtet das Vergaberecht an der DHBW und der VWA in Stuttgart, tritt als Referent in Seminaren auf und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichen. Er ist einer der Vorsitzenden der Regionalgruppe Stuttgart des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW).

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