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Kein Vertrauensschutz bei Formfehlern! (VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 14.07.2017 – 1 VK 20/17)

Auch Vergabestellen erfinden nicht bei jeder Ausschreibung das Rad neu, sondern verwenden gern Vordrucke und Formulare voriger Vergabeverfahren erneut. Doch Vorsicht! Eine aktuelle Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg zeigt wieder einmal, dass damit nicht zwingend auch eine einheitliche Handhabung verbunden ist.

Leitsätze

  1. Ergibt sich aus der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen eindeutig, dass das Kästchen im Formular mit der Überschrift „Stundensatz“ mit nur einer Eintragung auszufüllen ist, stellt die Eintragung unterschiedlicher Stundensätze eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar.
  2. Der Singular „Stundensatz“ deutet darauf hin, dass dort ein Wert einzutragen ist. Die Größe eines Kästchens sagt nichts darüber aus, wie viele Eintragungen möglich sein sollen.

GWB § 97 Abs. 6; VgV §§ 31, 53, 57 Abs. 1

Sachverhalt

In dem entschiedenen Fall waren bei der Ausschreibung von Sachverständigenleistungen im offenen Verfahren als Zuschlagskriterium unter anderem die Stundensätze vorgesehen. Die Vergabeunterlagen enthielten ein vorbereitetes Angebotsschreiben, in dem die Bieter zu Los 1 jeweils den Stundensatz für sachverständige Ingenieure einerseits und für Techniker andererseits eintragen mussten. Der bisherige Auftragnehmer bewarb sich erneut um den Auftrag und gab wie bereits in der vorangegangenen Ausschreibung jeweils mehrere unterschiedliche Stundensätze an. Diesmal aber schloss der Auftraggeber ihn anders als im vorigen Verfahren wegen unzulässiger Änderungen an den Vergabeunterlagen aus.

Die Entscheidung

Zu Recht! Der Ausschluss wegen unzulässiger Änderung der Vergabeunterlagen war der Vergabekammer zufolge gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV rechtmäßig, da die Vergabeunterlagen lediglich jeweils die Angabe eines einzigen Stundensatzes vorsahen.

1. Eindeutige Abfrage nur eines einzigen Stundensatzes im Angebotsformular

Der Verweis auf Stundensätze im Plural bezog sich demnach erkennbar lediglich auf die Gesamtheit aller abgefragten Stundensätze in Los 1 und 2. Bei der Auslegung sei ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen, deswegen kam es auf die subjektive Erwartung des Bieters, der in der Vorgängerausschreibung mit derselben Vorgehensweise erfolgreich gewesen war, nicht an. Sein Vertrauen in das vergangene, rechtswidrige Verhalten der Vergabestelle genieße keinen Schutz. Dass die Formatierung der Kästchen auch mehrere Eintragungen zuließ, war ebenso unerheblich.

2. Ausschluss wegen fehlender Preisangaben

Überdies wäre ein Ausschluss auch gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV rechtmäßig gewesen, da das Angebot nicht den geforderten Preis enthalte. Es sei nämlich unklar, welcher der Stundensätze jeweils zur Anwendung komme. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit seien nicht sicher auf die Zukunft übertragbar.

Rechtliche Würdigung

Hinsichtlich des fehlenden Vertrauensschutzes in vergangenes, rechtswidriges Verhalten der Vergabestelle ist der Entscheidung zuzustimmen. Dies gilt zumindest dann, wenn die Vorgaben der Vergabeunterlagen klar und eindeutig sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.10.2008 – Verg 41/08, OLG Schleswig, Beschluss vom 14. Dezember 2004 – 6 Verg 4/04), was die Vergabekammer hier schon aufgrund des Wortlautes klar bejahte.

Die Möglichkeit eines Ausschlusses wegen fehlender Preisangaben hingegen erscheint im vorliegenden Fall zweifelhaft. Schließlich hatte der Bieter die seinerseits geforderten Stundensätze vollständig angegeben. Er hatte dabei nicht zu wenig, sondern umgekehrt sogar zu viel eingetragen! In Betracht wäre aber möglicherweise die Einordnung als nicht zugelassenes oder nicht wertbares kaufmännisches Nebenangebot und mithin ein Ausschluss gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 6 oder Abs. 2 VgV gekommen, der Tatbestand lässt dies nicht klar erkennen.

Praxistipp

Bietern ist zu empfehlen, die Vergabeunterlagen in jedem Verfahren erneut genau zu prüfen. Angaben aus vorangegangenen Angeboten einfach blind zu übernehmen oder sehenden Auges auf eine bisher großzügige Praxis der Vergabestelle zu vertrauen, ist hingegen äußerst riskant. Insbesondere, wenn auf Auftraggeberseite plötzlich andere Sachbearbeiter zuständig sind oder erkennbar neue oder andere Berater hinzugezogen werden, sollten Bieter sich auf eine möglicherweise abweichende Handhabung einstellen und im Zweifelsfall lieber eine Bieterfrage mehr als ein weniger stellen, um nicht korrigierbare Fehler zu vermeiden!

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Über Dr. Valeska Pfarr, MLE

Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.

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