Die Vergabekammer des Bundes hat in ihrer Entscheidung vom 18.09.2017 die Voraussetzungen des Ausschlusses eines Bieters wegen vorangegangener Schlechtleistung konkretisiert. Die VK Bund stellt fest, dass auch eine Rechnungskürzung als “vergleichbare Rechtsfolge” im Sinne des § 124 Abs.1 Nr.7 GWB darstellen kann.
Es ist nicht unüblich, dass es bei Verträgen zu Uneinigkeiten oder sogar Streitigkeiten kommt. Streitigkeiten bei der Abnahme, Schlechtleistungen während der Durchführung, ein langes und zermürbendes Hinhalten oder eine nicht zufriedenstellende Kommunikation bei der die Eskalationsstufen rauf und runter gerannt werden, führt zu Frust. Bewirbt sich dann der ungeliebte (Ex-)Vertragspartner auf eine neue Ausschreibung ist die Frage, kommt man um ihn herum?
§ 124 Abs.1 Nr. 7 GWB
Sachverhalt
Der Entscheidung ging folgender Sachverhalt voraus: In einem Vertrag zur Erbringung von Leistungen des Winterdienstes war es zu erheblichen und fortwährenden Schlechtleistungen gekommen. Der Auftraggeber hatte diverse von der Antragstellerin gestellte Rechnungen für Einzelabrufe infolge der Schlechtleistungen bzw. wegen Schichtausfall etc., gekürzt bzw. gar nicht bezahlt. Dies konnte der Auftraggeber durch die auszugsweise Vorlage von Abrechnungen im Nachprüfungsverfahren glaubhaft machen. Die Antragstellerin hatte diesen Rechnungskürzungen, die aus den Monaten Dezember bis Februar des folgenden Jahres stammen, nicht widersprochen, sondern lediglich im vorliegenden Verfahren vorgetragen, zukünftig gegen die Kürzungen vorgehen zu wollen.
In der darauffolgenden Neuausschreibung bewarb sich auch der bisherige Auftragnehmer, bei dem es zu den Schlechtleistungen kam um den Auftrag. Der Auftraggeber schloss ihn auf der Grundlage des § 124 Abs.1 Nr.7 GWB aus, wogegen der Bieter die Vergabekammer anrief.
Die Entscheidung
Die VK Bund lehnte den hiergegen eingelegten Nachprüfungsantrag jedoch als unbegründet ab, da sie die Rechnungskürzung als eine vergleichbare Rechtsfolge i.S.d. § 124 Abs.1 Nr.7 GWB einstufte.
Dabei ist es aus ihrer Sicht gerade nicht erforderlich, dass die Rechtsfolge dasselbe gravierende Gewicht entfaltet, wie eine außerordentliche Kündigung.
Die Kammer kommt vielmehr zu dem Schluss, dass das Nichtbezahlen von Rechnungen bzw. die Kürzung von Einzelrechnungen infolge Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Leistungen eine vergleichbare Rechtsfolge im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ist. Der Auftraggeber wäre berechtigt gewesen aufgrund der Schlechtleistung zu kündigen, hat dies jedoch nicht getan, da er sonst nach eigenem Vortrag ohne Dienstleister gewesen wäre. Ein Auftraggeber kann nach der VK Bund jedoch nicht gezwungen sein, stets außerordentlich kündigen zu müssen, um die Eignung eines Dienstleisters in einem nachfolgenden Vergabeverfahren verneinen zu können. Der vom Auftraggeber vorgebrachte Einwand, dann keinen Dienstleister mehr zu haben und die Schwierigkeit, noch im Februar des Jahres, “also während des Winters „auf die Schnelle“ einen Dienstleister für die ohnehin auslaufende Wintersaison zu finden oder ggf. eigene Kräfte einsetzen zu müssen”, sind laut der VK Bund nicht von der Hand zu weisen.[1]
Rechtliche Würdigung
1) Voraussetzungen
Nach dem seit dem April 2016 geltenden § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB können öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen von der Teilnahme ausschließen, wenn eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt wurde und dadurch die Eignungsprognose dieses Unternehmens für die Ausführung des ausgeschriebenen Auftrages negativ ausfällt.
Es ist dabei ausreichend, dass die Schlechterfüllung irgendeines öffentlichen Auftrags vorliegt; es muss sich also nicht um einen Auftrag des ausschreibenden Auftraggebers, gehandelt haben.[2] Tatsächlich wird aber nur ein in gleicher Auftragskonstellation abgewickelter Auftrag in Betracht kommen, da die Beurteilungsfähigkeit des schief gegangenen Auftrages sonst stark eingeschränkt sein dürfte.
Um eine negative Eignungsprognose treffen zu können muss die Fehlleistung erheblich und fortdauernd gewesen sein. Ein einmaliger Fehltritt reicht also nicht aus. Auch kleinere und leicht behebbare Mängel, genauso wie die Lieferung einer mangelhaften Ware, wenn der Auftraggeber sich mit einer Ersatzlieferung zufrieden gab, führen nicht zu einer wesentlichen Fehlleistung des Auftrages.
Im vorliegenden Fall handelte es sich unter anderem um das wiederholte verspätete Erscheinen und teilweise Nichterscheinen zum Arbeitsantritt zur Durchführung des Winterdienstes. Hierbei ist von einer Erheblichkeit auszugehen, da es bei Nichtdurchführung des Winterdienstes zu Gefahren für Leib und Leben und zu enormen wirtschaftlichen Schäden für den Auftraggeber kommen kann. Insofern kann hierdurch aufgrund der Bedeutung der Dienstleistung für die Sicherheit bereits die erhebliche mangelhafte Erfüllung einer wesentlichen Anforderung zu sehen sein.
Aufgrund der erheblichen Fehlleistung muss es ferner zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadenersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge gekommen sein.[3] Vergleichbar ist eine Rechtsfolge dann, wenn sie nicht zu einer Beendigung führt, aber hinsichtlich des Schweregrades mit dieser vergleichbar ist. Dies könnte bei einer Ersatzvornahme, wie einer Selbstvornahme nach § 637 BGB oder einer Ersatzvornahme nach § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B oder aber auch bei dem Verlangen nach umfangreichen Nachbesserungen der Fall sein.[4] Eine Vertragsstrafe für den Fall der Überschreitung einer Lieferfrist ist jedoch nicht mit einer Schadensersatzforderung gleichzusetzen und reicht nicht aus, weil es insoweit an einem Verschuldenselement fehlt.[5] Nach der hier zur Diskussion stehenden Entscheidung der VK Bund ist eine Rechnungskürzung und das gänzliche Nichtbezahlen von Rechnungen aufgrund der vorausgegangenen erheblichen Fehlleistung nun also auch eine vergleichbare Rechtsfolge.
2) Nachweis der Voraussetzungen
Nun bleibt die Frage, welche Anforderungen im Vergabeverfahren an den Nachweis der Schlechterfüllung zu stellen sind, denn es genügt nicht, dass der Auftraggeber gekündigt, einen Schadensersatzanspruch geltend gemacht oder eine Maßnahme ergriffen hat, die eine vergleichbare Rechtsfolge nach sich zieht. Es muss vielmehr feststehen, dass dies auch zu Recht erfolgt ist.[6] Eine rechtskräftige Feststellung eines Zivilgerichts über eine erhebliche oder fortdauernde Schlechterfüllung muss jedoch nicht abgewartet werden. Das Vorliegen konkreter Tatsachen von einigem Gewicht, die die Entscheidung des Auftraggebers als nachvollziehbar erscheinen lassen, genügt. Es reicht also der Vortrag des Antragsgegners sowie die Vorlage von Urkunden, um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der Antragstellerin zu bejahen.[7]
Voraussetzung für den Vortrag des Auftraggebers ist, dass die einzelnen Prüfungsschritte die zur Negativprognose führen und die wesentlichen Erwägungen der Ermessensentscheidung über den Ausschluss zur Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit in einem Nachprüfungsverfahren umfassend dokumentiert sind (vgl. § 8 VgV, § 20 EU VOB/A sowie § 6 UVgO) wie auch die Entscheidung der VK Thüringen, Beschl. v. 12.07.2017, 250-4003-5533/2017-E-016-EF zeigt. Der Auftraggeber muss belegen können, dass die Verfehlungen des Auftragnehmers erhebliche negative Auswirkungen für ihn gehabt haben.[8]
3) Grenzen der Ausschlusssanktion/Selbstreinigung
Der Auftraggeber darf jedoch keine Ausschlusssanktion treffen, wenn das vom Ausschluss bedrohte Unternehmen Selbstreinigungsmaßnahmen im Sinne des § 125 Abs. 1 GWB nachgewiesen hat. Nach § 126 Nr. 2 GWB ist ein Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB nur für einen Zeitraum von höchstens drei Jahren zulässig. Die Frist ist tagegenau zu berechnen und beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem der Vertrag vorzeitig beendet wird, der Schadensersatzanspruch entsteht oder die vergleichbare Rechtsfolge eintritt. Wann der öffentliche Auftraggeber davon Kenntnis erlangt, ist unerheblich.
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Praxistipp
Die Entscheidung der VK Bund verbessert zwar die Position des öffentlichen Auftraggebers, wenn er einen Bieter wegen einer vorangegangen Schlechtleistung ausschließen will, sie gibt ihm aber hierfür keinen Freibrief.
Zwar wird durch die Entscheidung für dauerhaft zu erbringenden Leistungen (hier: Winterdienst, aber wohl auch Abfallentsorgung und Gebäudereinigung) öffentlichen Auftraggebern mit der, vergleichbar schnell erreichten, Rechnungskürzung ein scharfes Schwert zukünftige Auftragsvergaben an die Hand gegeben. Dennoch folgt auf eine Rechnungskürzung nicht zwingend ein automatischer Ausschluss des bisherigen Auftragnehmers in zukünftigen Vergabeverfahren, da zum einen die Schlechterfüllung einer wesentlichen Anforderung hinzukommen muss und es sich bei den in § 124 GWB genannten Ausschlussgründen um fakultative Ausschlussgründe handelt. Insofern ist bei einem Ausschluss aufgrund vorangegangener Schlechtleistung stets mit Augenmaß vorzugehen.[9]
Öffentliche Auftraggeber sollten daher nach wie vor die Schlechtleistung auf welche Sie ihren Ausschluss stützen wollen genau dokumentieren. Wichtiger ist aber noch, dass sich der Auftraggeber (zumindest im Oberschwellenbereich) nicht “im stillen Kämmerlein” ärgert, sondern seinem Unmut mittels einer Kündigung, der Forderung nach Schadensersatz oder aber einer Rechnungskürzung Ausdruck verleiht. Etwas anderes gilt diesbezüglich im Geltungsbereich der UVgO: Hier gilt nach § 31 Abs.2 S.5 UVgO, dass es einer Kündigung bzw. einer anderen Rechtsfolge nach § 124 Abs.1 Nr.7 GWB nicht bedarf.
[1] VK Bund, Beschl. v. 18.09.2017, Az. VK 2 – 86/17.
[2] BT-Dars. 18/6281, S. 106.
[3] RL 2014/24 Art. 57 lit. g).
[4] Ley u.a., Das neue Vergaberecht 2016 von Rudolf Ley, Michael Wankmüller.
[5] Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 124 GWB.
[6] Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 124 GWB, Rn. 99.
[7] VergabeR 2017, 394 – 402 (Heft 3).
[8] OLG Celle vom 9.1.2017 (Az.: 13 Verg 9/16).
[9] VK Bund, Beschl. v. 18.09.2017, Az. VK 2 – 86/17.
André Siedenberg und Judith Kutschera
André Siedenberg
ist Berater bei der Kommunal Agentur NRW und Rechtsanwalt in Düsseldorf. In dieser Funktion unterstützt er öffentliche Auftraggeber und NGO’s bei verschiedenen vergaberechtlichen Fragestellungen. Nach seinem Referendariat in Würzburg war er zunächst im Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen im Referat für Vergaberecht beschäftigt. Judith Kutschera ist Rechtsanwältin bei Haberbosch & Straub Rechtsanwälte in Freiburg. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert und berät die öffentliche Hand als auch Bieter. Sie begleitet und unterstützt öffentliche Auftraggeber im Vergabeverfahren von der Vorbereitung, über die Erstellung der Vergabeunterlagen bis hin zur Zuschlagserteilung und vertritt sie in Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern. Zudem ist sie als Syndikusrechtsanwältin in der Rechtsabteilung des Zweckverbandes Kommunale Informationsverarbeitung Baden Franken GmbH für die rechtliche Begleitung der Vergabeverfahren zuständig.
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