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Thüringen: Rechnungshof rügt Vergaberechtsverstöße der Kommunen

ThüringenIn seinem am gestrigen Montag vorgelegten Jahresbericht hat der Thüringer Rechnungshof  vermehrt Verstöße der Kommunen gegen das Vergaberecht festgestellt. Diese würden häufig Aufträge nicht an das wirtschaftlichste Angebot vergeben, sondern nach dem Motto “bekannt und bewährt” regelmäßig ortsansässige Unternehmen bevorzugen. Mit dieser Vergabepraxis setzten die Kommunen nicht zuletzt auch erhaltene Fördermittel aufs Spiel.

Die am häufigsten festgestellten Verstöße und Versäumnisse waren demnach:

  • Die Kommunen bevorzugen ortsansässige Unternehmen, indem sie z.B. vergaberechtswidrig Bauaufträge nicht an Unternehmen vergeben, die die angemessensten Preise für eine Leistung aufrufen, sondern an solche, die ihnen schon bekannt sind.
  • Andere Unternehmen haben nicht die Möglichkeit, sich am Wettbewerb zu beteiligen und ein Angebot abzugeben.
  • Die Kommunen stellen z.B. durch das Unterlassen einer Eignungsprüfung nicht sicher, dass die ausführenden Bauarbeiter zu angemessenen Arbeitsbedingungen beschäftigt werden.
  • Die Kommunen sorgen durch fehlende Veröffentlichungen nicht für die gebotene Transparenz. Sie können nicht nachweisen, ihre Aufträge in einem fairen Wettbewerb zu erteilen und niemanden zu bevorzugen oder zu benachteiligen.
  • Die Kommunen begründen die Auswahl der Bewerber regelmäßig mit der Bekanntheit sowie dem fachlichen, qualitätsgerechten, langjährigen und termingerechten Erfüllen bisheriger Bauleistungen.

In dem Bericht heißt es u.a.:

„Bei der Untersuchung der Beschaffungsmaßnahmen und IT-Vergaben war auffällig, dass überwiegend freihändig vergeben wurde. Beschränkte Vergaben und Öffentliche Ausschreibungen wurden vergleichsweise selten durchgeführt. Ursachen hierfür sind in der Höhe der für IT-Zwecke verfügbaren Haushaltsmittel, im teilweise fehlenden Knowhow im Vergaberecht aber auch in einer sehr kleinteiligen Beschaffungspraxis zu suchen. Letztere ist oft vergaberechtlich bedenklich und führt im Regelfall zu heterogenen, nur arbeitsintensiv betreibbaren IT-Infrastrukturen.“

Kommunen  Hauptauftraggeber im Bauwesen

Thüringer Kommunen bevorzugen dem Bericht zufolge ortsansässige Unternehmen und verstoßen damit regelmäßig gegen das Vergaberecht. Zudem setzen sie damit Fördermittel aufs Spiel.

„Die Kommunen gehören zu den Hauptauftraggebern im Bauwesen. Sie unterhalten oder bauen Gebäude, Freiflächen, Straßen und Brücken. Bei der Vergabe von Bauaufträgen haben Kommunen das Vergaberecht zu beachten. Dieses soll sicherstellen, dass Bauaufträge in einem fairen Wettbewerb an geeignete Unternehmen zu angemessenen Preisen erteilt werden. Weil die eigenen finanziellen Möglichkeiten begrenzt sind, beantragen die Kommunen für ihre Baumaßnahmen regelmäßig Zuwendungen vom Land, dem Bund oder der Europäischen Union. Auch zur Verwendung dieser Zuwendungen sind die Kommunen an das Vergaberecht gebunden. Andernfalls riskieren sie, bewilligte Zuwendungen zurückzahlen zu müssen.
Der Rechnungshof hat in seinen Querschnittsprüfungen festgestellt, dass Kommunen kleine Bauleistungen vorwiegend beschränkt ausschreiben oder freihändig vergeben. Dabei beteiligen sie im Regelfall immer wieder dieselben Unternehmen im Bewerberkreis der näheren Umgebung. Gleichzeitig verzichten sie darauf, die Eignung der Unternehmen zu prüfen. Sie informieren nicht über beabsichtigte Beschränkte Ausschreibungen oder über erteilte Aufträge, welche sie innerhalb Beschränkter Ausschreibungen oder Freihändiger Vergaben erteilt haben.

Nach § 31 Abs. 1 ThürGemHV hat der Vergabe von Aufträgen eine Öffentliche Ausschreibung vorauszugehen. Davon darf nur abgewichen werden, sofern die Natur des Geschäfts oder die Umstände ein anderes Verfahren zulassen. Nach § 31 Abs. 2 ThürGemHV sind bei der Vergabe von Aufträgen und dem Abschluss von Verträgen u. a. die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) sowie die zum öffentlichen Auftragswesen ergangenen Richtlinien des Landes anzuwenden. Danach können Bauleistungen abweichend vom Grundsatz der Öffentlichen Ausschreibungen bis zum Erreichen bestimmter Wertgrenzen beschränkt ausgeschrieben oder freihändig vergeben werden.

Dafür müssen ab einem voraussichtlichen Auftragswert von 25.000 EUR beabsichtigte Beschränkte Ausschreibungen im Vorfeld bekannt gemacht werden (§ 19 Abs. 5 VOB/A 2016). Sind die Aufträge erteilt, haben die Kommunen bei Beschränkten Ausschreibungen mit einem Auftragswert von 25.000 EUR und bei Freihändigen Vergaben mit einem Auftragswert von 15.000 EUR z.B. auf Internetportalen zu informieren (§ 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 VOB/A 2016). Die Zuwendungsgeber des Landes, des Bundes und der Europäischen Union fordern in den Bewilligungsbescheiden das Anwenden der Vergabevorschriften. Andernfalls können gewährte Zuwendungen zurückgefordert werden.“

„Bekannt und bewährt“ = riskant und verkehrt

Keine der geprüften Kommunen habe ferner die Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften bei Beschränkten Ausschreibungen oder Freihändigen Vergaben nachweisen können. Durch bloße Nachlässigkeiten, wie z.B. eine lückenhafte Dokumentation, setzten die Kommunen damit die bewilligten Zuwendungen nachträglich aufs Spiel, da diese Vergaberechtsverstöße bei sachgemäßer Prüfung durch die Zuwendungsgeber zu einer teilweisen oder vollständigen Rückforderung führen können. Daher ist die Vergabe von Bauleistungen in Beschränkten Ausschreibungen oder Freihändigen Vergaben nach dem Motto „bekannt und bewährt“ gleich riskant und verkehrt.

Fehler in der Eignungsprüfung

Darüber hinaus führten Unkenntnis, Fehler und Versäumnisse der Kommunen in der Eignungsprüfung für Bauaufträge zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen und der Benachteiligung von Unternehmen. Die Kommunen seien als öffentliche Auftraggeber dazu verpflichtet, die Eignung von Unternehmen festzustellen, bevor sie einen Bauauftrag erteilen.

„Dazu müssen Unternehmen u. a. nachweisen, dass sie Steuern für das Unternehmen und Sozialabgaben für alle Mitarbeiter zahlen. Die Vergabevorschriften nennen einige Nachweise, mit Hilfe derer Kommunen die Eignung der bietenden Bauunternehmen prüfen können. Dazu gehören z.B. Gewerbeanmeldungen, Unbedenklichkeitsbescheinigungen z.B. von Krankenkassen oder Eintragungen in Handwerksrollen. Unternehmen können sich abweichend davon auch präqualifizieren. In diesen Fällen hat eine Zertifizierungsstelle die Eignung der Unternehmen bereits geprüft und dem Betrieb eine 9-stellige Präqualifizierungsnummer zugeteilt. Mit dieser Nummer kann die Präqualifizierung überprüft werden.“

Der Rechnungshof habe in seinen Querschnittsprüfungen zur Vergabe von Bauaufträgen festgestellt, dass trotz weitreichender Hilfestellungen und Erklärungen der Verordnungsgeber sowohl die Kommunen als auch die beteiligten Architektur- und Ingenieurbüros die Eignungsprüfung von Baubetrieben nur unzureichend durchführten.

Beispiel 1: In mehreren Fällen sei etwa den an der Eignungsprüfung Beteiligten nicht aufgefallen, dass die angegebene Anzahl der Mitarbeiter in den Angeboten und den eingereichten Unbedenklichkeitsbescheinigungen nicht übereingestimmt hat. Die Unternehmen hätten zum Teil deutlich höhere Mitarbeiterzahlen angegeben als Sozialversicherungsbestätigungen
vorgelegt werden konnten.

Beispiel 2: In einigen Fällen hätten zudem Garten- und Landschaftsbaubetriebe Aufträge für reine Straßenbauleistungen erhalten, ohne die notwendige Eignung, z.B. durch Gewerbeanmeldungen, Berufszulassungen oder Fachkenntnisse, nachzuweisen. Sie konnten jedoch im Vergleich zu ihren Mitbewerbern des Straßenbauhandwerks aufgrund abweichender Tarifregelungen günstiger anbieten.

Beispiel 3: In einem anderen Fall hat ein Unternehmen in seinem Angebot eine 10-stellige Präqualifizierungsnummer angegeben. Die Kommune und der Freiberufler nahmen eine Präqualifikation an. Ihnen war nicht bekannt, dass diese Nummern immer 9-stellig sind. Sie hätten in diesem Fall die vermeintlich angegebene Präqualifizierung nicht überprüft und auf das Angebot dieses Unternehmens den Zuschlag erteilt.

Kommunen kennen Eignungsnachweise nicht

Der Rechnungshof stellt in seinem Bericht schließlich fest, dass die Kommunen die notwendigen Eignungsnachweise nicht kennen, wonach sie die Eignung der Bieter zu prüfen haben. Zwar sei oft eine Vielzahl an Nachweisen abgefordert worden, in der Folge sei aber lediglich der Eingang der Unterlagen ohne inhaltliche Prüfung vermerkt worden. So seien fehlende Nachweise häufig nicht erkannt und nicht nachgefordert worden. Die Folge waren Auftragsvergaben an eigentlich ungeeignete Unternehmen. An sich geeignete Unternehmen seien hingegen wegen höherer Angebotspreise bei der Auftragsvergabe nicht berücksichtigt worden.

„Nach § 2 Abs. 1 VOB/A haben Kommunen Bauleistungen an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen zu angemessenen Preisen zu vergeben. Nach § 6b Abs. 3 VOB/A sind bei Öffentlichen Ausschreibungen in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots die Nachweise zu bezeichnen, deren Vorlage mit dem Angebot verlangt oder deren spätere Vorlage vorbehalten wird. Nach § 6a Abs. 2 VOB/A sind zum Nachweis der Eignung z.B. der Jahresabschluss des Unternehmens, Referenzen, Angaben zu Arbeitskräften, der Handelsregisterauszug, die Gewerbeanmeldung, die Eintragung bei den Handwerkskammern oder Industrie- und Handelskammern, Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Sozialkassen für die Bauwirtschaft, eine Freistellungs- oder Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts und der Berufsgenossenschaft zu prüfen. Für den Bieter, auf dessen Angebot die Kommune den Zuschlag erteilen möchte, hat sie ab einem Auftragswert von 30.000 EUR den Auszug aus dem Gewerbe-Zentralregister anzufordern. Nach § 6b Abs. 4 VOB/A ist bei Beschränkter Ausschreibung und Freihändiger Vergabe vor der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Eignung der Unternehmen zu prüfen. Entgegen der Auffassung, dass der Verwaltungs- und Zeitaufwand bei Beschränkten Ausschreibungen und Freihändigen Vergaben im Vergleich zu Öffentlichen Ausschreibungen geringer sei, müssen die Kommunen bei Beschränkten Ausschreibungen und Freihändigen Vergaben von allen Unternehmen, welche sie am Wettbewerb beteiligen wollen, die Eignung zuvor geprüft und festgestellt haben. Bei einer Öffentlichen Ausschreibung reichen primär Eigenerklärungen der Bieter. Lediglich für den Bieter, dessen Angebot den Zuschlag erhalten soll, muss die Eignung vor dem Zuschlag zweifelsfrei festgestellt sein.“

Eignung jedes Mal neu zu prüfen

Um einen öffentlichen, aus Steuergeldern finanzierten Auftrag zu erhalten, sind an die Eignung dafür infrage kommender Unternehmen hohe Anforderungen geknüpft. Die Eignung kann aus formalen, aber auch aus anderen Gründen nicht gegeben sein oder innerhalb kurzer Zeit verloren gehen. Daher ist sie grundsätzlich für jedes Verfahren für die Unternehmen neu zu prüfen.

Schwarzarbeit, Lohndumping und schlechtere Arbeitsbedingungen werden begünstigt

Mit den Versäumnissen der Eignungsprüfung von Unternehmen, so das Fazit der Rechnungsprüfer begünstigten Thüringer Kommunen Schwarzarbeit, Lohndumping und schlechtere Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter. Sie benachteiligen gleichzeitig die Unternehmen, die gesetzliche Vorschriften einhalten und ihren Mitarbeitern angemessene Arbeitsbedingungen bieten.

Zum vollständigen Jahresbericht 2018 des Thüringer Rechnungshofes geht es hier.

Quellen: Jahresbericht 2018 des Thüringer Rechnungshofes, MDR, Thüringer Allgemeine

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2 Kommentare

  1. K.K.

    Herzlichen Dank an den TRH für die überaus klaren Worte!

    Es wäre zu wünschen, dass all die Feststellungen des TRH, die einer Regelung, Korrektur und Abarbeitung bedürfen, bei der in diesem Jahr anstehenden Novellierung des Thüringer Vergabegesetzes Berücksichtigung finden!

    * „Unkenntnis, Fehler und Versäumnisse“ weisen auf fehlendes Fachwissen und mangelnden Qualifizierungsstand hin.

    * „… notwendige Eignungsnachweise“ werden nicht gekannt und wenn, dann „keiner inhaltlichen Prüfung“ unterzogen, heißt, es mangelt an gezielter Einforderung, Prüfbarkeit und Prüfung.

    * „Unternehmen, die gesetzliche Vorschriften einhalten und ihren Mitarbeitern angemessene Arbeitsbedingungen bieten“ werden benachteiligt, zeigt die fehlende Verbindlichkeit bei der Einforderung sozialer, ökologischer bzw. gesetzlicher Kriterien.
    Notwendige Nachweise von Gütezeichen, Tarifvertragsbindung oder Mitgliedschaften in unabhängigen Multi-Stakeholder-Initiativen würden Abhilfe schaffen und auch den mittelständischen Unternehmen in der Region, die diese Kriterien einhalten, nützen.

    Wenn schließlich eine Qualifizierungs- und Prüfstelle, die den Kommunen auch beratend zur Seite steht, existieren würde, könnte man an der schrittweisen Lösung vieler der benannten Probleme sinnhaft und wirkungsvoll arbeiten!

    Die Fragen bleiben, ob das für die Gesetzesnovelle federführende Wirtschaftsministerium diese deutlichen Signale und offensichtlichen Fehlstellungen erkennt und in den Gesetzentwurf (*) einfließen lässt, ob notwendige Haushaltsmittel (u.a. Schulungsmaßnahmen, Schaffung von Struktureinheiten zur Prüfung und Beratung) im verabschiedeten Haushalt verfügbar gemacht werden können und ob letztlich die R2G-Regierung ihrer Lenkungsrolle als Gesetzgeber hier gerecht werden kann?
    Wir in Thüringen würden es uns sehr wünschen!

    (*) die vom Thüringer Wirtschaftsministerium Mitte Februar vorgestellten 12 Punkte der Novellierung des Vergabegesetzes lassen all das Vorangestellte leider offen. Vielleicht sieht das Ministerium jetzt endlich mit den „kleinen“ Anmerkungen des TRH neuen Handlungs- und Regelungsbedarf?! Bitte!

    Reply

    • N.N.

      Man kann noch weiter gehen als Sie:
      Anstatt Qualifizierungs- u. Prüfstellen zu schaffen, könnte eine Schwarze Liste mit Unternehmen erstellt werden, die von vornherein nicht in den Genuss öffentlicher Aufträge kommen dürfen.
      Diese Liste müsste selbstverständlich EU-weit sein, da es nicht sein kann, dass man deutsche Unternehmen auf Herz und Nieren prüft und bei ausländischen Subunternehmern gar keine richtige Handhabung bei der Prüfung der Eignung hat. Stichwort: Prüfung der Eignung einer ausländischen ICH-AG, die als Nachunternehmer eingesetzt wird.

      Reply

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