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e-Vergabe: Ab heute oder morgen verpflichtend?

Gemäß § 81 VgV können öffentliche Auftraggeber bis zum 18. Oktober 2018 abweichend von § 53 Absatz 1 VgV die Übermittlung der Angebote, Teilnahmeanträge und Interessensbestätigungen auch auf dem Postweg, anderem geeigneten Weg, Fax oder durch die Kombination dieser Mittel verlangen.

Bis zu diesem Zeitpunkt kann der öffentliche Auftraggeber also auch noch z. B. die papierbasierte Übermittlung von Angeboten vorgeben. Hießt dies aber nun, dass ab diesem Zeitpunkt alleine der Grundsatz des § 53 Abs. 1 VgV gilt, wonach Unternehmen ihre Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs mithilfe elektronischer Mittel gemäß § 10 VgV an den öffentlichen Auftraggeber übermitteln?

Welchen Zeitpunkt meint § 81 VgV?

Dürfen heute noch Vergabeverfahren eingeleitet werden, in denen ohne triftige Gründe (§ 53 Abs. 2 VgV) die Einreichung von Angeboten in Papierform vorgesehen wird? Meint „bis zum“ in § 81 VgV nun einschließlich 18. Oktober 2018?

Gemäß § 82 VgV bestimmen sich in der VgV geregelten Fristen nach der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine (ABl. L 124 vom 8.6.1971, S. 1). Doch auch ein Blick in die Verordnung hilft nicht unmittelbar weiter.

Art. 4 VO (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 sieht vor:

„(2) Rechtsakte des Rates oder der Kommission oder einzelne Bestimmungen dieser Rechtsakte, für deren Inkrafttreten, deren Wirksamwerden oder deren Anwendungsbeginn ein bestimmtes Datum festgesetzt worden ist, treten mit Beginn der ersten Stunde des diesem Datum entsprechenden Tages in Kraft bzw. werden dann wirksam oder angewandt.“

(3) Rechtsakte des Rates oder der Kommission oder einzelne Bestimmungen dieser Rechtsakte, deren Geltungsdauer, Wirksamkeit oder Anwendbarkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt enden, treten mit Ablauf der letzten Stunde des diesem Zeitpunkt entsprechenden Tages ausser Kraft bzw. werden dann unwirksam oder nicht mehr angewandt.“

Überträgt man jedoch diesen Rechtsgedanken, dürfte § 81 VgV wohl ein Fall des Art. 4 Abs. 3 VO (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 darstellen. Die Übergangsregelung tritt nämlich zum 18. Oktober 2018 außer Kraft. Entsprechend Art. 4 Abs. 3 endet die Wirksamkeit der Übergangsbestimmung dann mit ABlauf der letzten Stunde des 18. Oktober 2018.

Andererseits steht in § 81 VgV nicht, dass die Übergangsbestimmung am 18. Oktober 2018 außer Kraft tritt, sodass im Umkehrschluss auch gelesen werden könnte, dass öffentliche Auftraggeber sich ab dem 18. Oktober 2018 nicht mehr auf diese Übergangsbestimmung berufen können.

Für letztere Auffassung votiert jedenfalls der Verordnungsgeber.

Auch wenn er eigentlich Oktober 2018 meint, kann der Begründung zu § 81 der Vergabeverordnung entnommen werden:

„Spätestens ab dem 18. April 2018 (sic!) sind für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen oberhalb der EU-Schwellenwerte elektronische Mittel von allen Beteiligten des Vergabeverfahrens verbindlich vorzugeben und zu verwenden.“

Im Ergebnis sollte der Meinungsstreit jedoch gelassen gesehen werden. Die Rechtserheblichkeit beschränkt sich auf einen Zeitraum, der gerade einmal 24 Stunden umfasst. Öffentliche Auftraggeber, die sicher gehen wollen, sollten mithin heute kein Vergabeverfahren einleiten, in dem nicht in nach § 53 Abs. 2 VgV begründeter Weise von der Verwendung elektronischer Mittel gemäß § 10 VgV abgesehen wird. Alle anderen müssen dies jedenfalls zwingend ab morgen tun.

Zur Abgrenzung: Die Bekanntmachung (§ 40 Abs. 1 VgV) sowie die Bereitstellung der Vergabeunterlagen (§ 41 Abs. 1 VgV) muss bereits seit dem 18.04.2016 elektronisch erfolgen. Eine verpflichtende Vorgabe, wonach nun auch Angebote unter Rückgriff auf elektronische Mittel einzureichen sind, war bisher nur für zentrale Vergabestellen im Sinne von § 120 Abs. 4 Satz 1 GWB erforderlich. Und dies auch erst seit dem 18. April 2017; oder war es der 19. April 2017.

Siehe zu dem Thema auch:

eVergabe: Licht und Schatten des Rechtsrahmens zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (Teil 1),

eVergabe: Licht und Schatten des Rechtsrahmens zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (Teil 2),

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Über Roman P. Willweber, LL.M.

Roman P. Willweber ist Referent für das Vergabewesen beim Bundesamt für Güterverkehr. Zuvor war er als Rechtsanwalt in der Sozietät BHO Legal in Köln und München tätig. Er ist spezialisiert auf das Vergaberecht. Dem DVNW und dem Vergabeblog steht er als fachlicher Ansprechpartner zur Verfügung. Ein besonderer Interessensschwerpunkt liegt im internationalen Vergaberecht und dem GPA.

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