Forschung, Entwicklung und Innovation sind der Schlüssel zu einem langfristigen Wachstum. Ohne technologischen Fortschritt lebt unser Wohlstand nur auf Raten. Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch der Staat ist daher gefordert, in den Fortschritt zu investieren. Die EU hat diesen Ansatz auch im Vergaberecht berücksichtigt, was dazu führte, dass Deutschland im Jahre 2016 ein neues Vergabeverfahren eingeführt hat, das es den öffentlichen Auftraggebern ermöglichen soll, „eine langfristige Innovationspartnerschaft für die Entwicklung und den anschließenden Kauf neuer, innovativer Waren, Dienstleistungen oder Bauleistungen zu begründen.“ (siehe in der Erwägung 49 zur Richtlinie 2014/24).
Einleitung
Die Innovationspartnerschaft wird in Deutschland kaum genutzt, wie ein rascher Blick in TED sofort zeigt. Dies ist bedauerlich, da die Innovationspartnerschaft ein durchaus sinnvolles Verfahren zur Förderung von F&E darstellen kann. Leider ist dieses Verfahren aber auch recht komplex, was ein Grund für dessen stiefmütterlichen Umgang sein dürfte. Ein anderer Grund dürfte sein, dass Einkaufs- und F&E-Abteilung in der Regel voneinander getrennt agierende Einheiten sind; bei der Innovationspartnerschaft müssen diese jedoch zwingend zusammenarbeiten. Nachstehend soll daher die Innovationspartnerschaft noch einmal kurz und prägnant erläutert werden. Dabei wird zunächst der vergaberechtliche Rahmen aufgezeigt, sodann wird der Definition nachgegangen, um sodann ihre Stellung und „Abgrenzung“ zu anderen Vergabearten aufzuzeigen.
Vergaberechtlicher Rahmen
Die Innovationspartnerschaft ist in den Richtlinien 2014/24 („klassische Vergaben“) sowie 2014/25 (Sektoren) geregelt. Entsprechend wurde sie im Jahre 2016 in deutsches Recht im GWB, der VgV, VOB/A-EU und der SektVO umgesetzt. Die Innovationspartnerschaft ist historisch bedingt indessen nicht in der VSVgV für den Bereich Sicherheit und Verteidigung geregelt, obgleich man sie gerade dort erwarten sollte. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass der EU-Gesetzgeber im Fall der Neuauflage der entsprechenden Richtlinie 2009/81 auch für den Bereich Sicherheit und Verteidigung die Innovationspartnerschaft als weitere Verfahrensart zur Verfügung stellt. Auch im Unterschwellenbereich sucht man leider vergebens nach der Innovationspartnerschaft. Denkbar wäre sie jedoch auch dort, wozu es jedoch einer haushaltsrechtlichen Anordnung bedürfte.
Definition der Innovationspartnerschaft
§ 119 Abs. 7 GWB definiert die Innovationspartnerschaft als ein Verfahren zur Entwicklung innovativer Leistungen, die nicht auf dem Markt verfügbar sind, und deren anschließendem Erwerb. Damit sind bereits die beiden wichtigsten Voraussetzungen zu ihrer Anwendbarkeit genannt. Im Detail geregelt ist die Innovationspartnerschaft in § 19 VgV. Nach dessen Absatz 6 wird sie „durch Zuschlag auf Angebote eines oder mehrerer Bieter eingegangen.“ Der Begriff der Innovationspartnerschaft ist somit doppelseitig: Zum einen handelt es sich um eine Verfahrensart des Vergaberechts, die z.B. neben dem offenen Verfahren und dem Verhandlungsverfahren steht. Zum anderen handelt es sich um einen Vertrag zwischen öffentlichem Auftraggeber und einem oder mehreren Unternehmen (Partnern), der in eine Forschungs- und Entwicklungsphase sowie eine Leistungsphase strukturiert ist (Innovationspartnerschaft „im engeren Sinn“).
Verhältnis zur vorkommerziellen Beschaffung
Um dem Sinn und Zweck der Innovationspartnerschaft näher zu kommen, lohnt ein kurzer Blick auf § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB. Danach müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine beauftragte Leistung nicht dem Vergaberecht unterfällt:
Die Europäische Kommission hat auf Grundlage dieser Ausnahme (die bereits in den Vorgängerrichtlinien enthalten war) das Instrument der sog. „vorkommerziellen Beschaffung“ (pre-commercial procurement – PCP) geschaffen. PCP ist trotz des missverständlichen Namens gerade keine Vergabe, PCP ist vergabefrei (siehe dazu zuletzt Brussels, Commission notice of 15.5.2018 “Guidance on Innovation Procurement” C(2018) 3051 final). Der vorkommerziellen Beschaffung schließt sich in aller Regel eine Beschaffung innovativer Leistungen (public procurement of innovation solutions – PPI) an. Bei PPI findet das Vergaberecht Anwendung. PCP und PPI sind daher strikt zu trennen. Darin wird auch ein Nachteil gesehen, da die „Gewinner“ des PCP nicht unbedingt die Leistung im PPI auch produzieren und ausliefern. Anders bei der Innovationspartnerschaft: Dort muss der Auftraggeber grundsätzlich bei dem Unternehmen die innovative Leistung beschaffen, die vorher durch eben dieses Unternehmen entwickelt wurde.
Die Innovationspartnerschaft kann auch dann sinnvoll sein, wenn die Voraussetzungen des PCP, d.h. des § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht erfüllt werden, der Auftraggeber aber gleichwohl eine innovative Leistung beschaffen möchte und mehrere Partner an der innovativen Lösung arbeiten sollten. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Auftraggeber ein Interesse daran hat, dass er vollständig die gewerblichen Schutzrechte erhält, was bei einem PCP nicht möglich ist.
Verhältnis zum Verhandlungsverfahren
Auch das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb ist zulässig, wenn „der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasst“, § 14 Abs. 3 Nr. 2 VgV. Im Unterschied zur Innovationspartnerschaft wird die Lösung aber von einem Unternehmen (dem bezuschlagten Bieter) entwickelt, während die Innvovationspartnerschaft eine Entwicklung durch mehrere Unternehmen („Partner“) zulässt (…). Ein weiterer Unterschied wird darin gesehen, dass das Verhandlungsverfahren zumindest eine grundlegende Vorstellung des öffentlichen Auftraggebers vom Beschaffungsgegenstand voraussetze (Knauff/Meurers, § 19 VgV, Rn. 18 m.w.N.). M.E. ist dies als Unterscheidungskriterium untauglich, da eine solche Vorstellung vom Beschaffungsgegenstand der Innovationspartnerschaft nicht schadet.
Die nachstehende Grafik zeigt vereinfacht die Unterschiede der beiden Verfahrensarten auf.
Verhältnis zum wettbewerblichen Dialog
Auch der wettbewerbliche Dialog eignet sich aufgrund seiner Flexibilität, innovative Leistungen zu beschaffen. Knauff (NZBau 2018, 134, 138) grenzt den wettbewerblichen Dialog zur Innovationspartnerschaft ab. Die Innovationspartnerschaft setze voraus, dass sich die Leistung letztlich als eine unmittelbare Fortentwicklung eines am Markt vorhandenen Angebots darstellen müsse oder der notwendige Entwicklungsschritt sich als so grundlegend erweisen müsse, dass die Leistung trotz ihrer fehlenden Neuartigkeit einer Neuentwicklung letztlich gleichstehe. Meines Erachtens ist bereits der Ansatz einer „Abgrenzung“ falsch, da die Verfahren in keiner Hierarchie zueinander stehen, d.h. sich auch nicht gegenseitig ausschließen müssen. Gerade und auch die Verbesserung bestehender Lösungen fällt in den Anwendungsbereich der Innovationspartnerschaft, der anderenfalls praktisch fast nicht eröffnet wäre. Die Verbesserung muss „deutlich“ sein, aber nicht, wie Knauff meint, einer „Neuentwicklung gleichstehen“. Die Kommission scheint in ihrer Mitteilung vom 15.05.2018 (“Guidance on Innovation Procurement” C(2018) 3051 final) geringe Anforderungen an die Zulässigkeit der Innovationspartnerschaft zu haben, danach genügt, dass die Leistung am Markt nicht verfügbar ist und irgendwie eine Innovation auftritt (Ziffer 4.2.3.4).
Voraussetzungen der Innovationspartnerschaft
Zusammengefasst ist die Innovationspartnerschaft unter folgenden Voraussetzungen zulässig:
1. Das GWB mit VgV bzw. SektVO bzw. VOB/A, 2. Abschnitt muss anwendbar sein
2. Ziel muss die Entwicklung einer innovativen Leistung und deren anschließender Erwerb sein
3. Die zu beschaffende Leistung darf am Markt nicht verfügbar sein
Die beiden wichtigsten Voraussetzungen werden nachstehend erläutert.
Voraussetzung: „Ziel muss die Entwicklung einer innovativen Leistung und deren anschließender Erwerb sein“
Zur Orientierung, was eine innovative Leistung bedeutet, ist die Definition in Art. 2 Richtlinie 2014/24 Nr. 22 heranzuziehen; diese lautet: „Innovation“ die Realisierung von neuen oder deutlich verbesserten Waren, Dienstleistungen oder Verfahren, einschließlich — aber nicht beschränkt auf — Produktions-, Bau- oder Konstruktionsverfahren, eine neue Vermarktungsmethode oder ein neues Organisationsverfahren in Bezug auf Geschäftspraxis, Abläufe am Arbeitsplatz oder externe Beziehungen, u. a. mit dem Ziel, zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen beizutragen oder die Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum zu unterstützen.
Voraussetzung: „Die zu beschaffenden Leistungen dürfen am Markt nicht verfügbar sein“
Daraus folgt, dass der öffentliche Auftraggeber eine Markterkundung nach § 28 Abs. 1 VgV durchzuführen hat, also eine Pflicht. Fraglich dabei ist, welchen Aufwand er dabei anstrengen muss. Dies ist gerichtlich noch nicht klar entschieden. Die EU Kommission empfiehlt in ihrem „Public Procurement Guidance for Practitioners“ (Februar 2018) die Verwendung der von der OECD entwickelten Vorgehensweise, welche eine (überschaubare) Vorlage für einen Marktanalysebericht umfasst („Tool: Template for market study report“). Zum genauen Inhalt und der Tiefe der Markterkundung wird leider geschwiegen. Auch liegt dazu noch keine gefestigte Rechtsprechung vor. Weitere Anforderungen an die Markterkundung ergeben sich weiterhin aus dem Beihilferecht.
So heißt es in der Mitteilung der Kommission vom 15.5.2018, dass öffentliche Auftraggeber, um eine Beihilfe zu vermeiden, in der Lage sein müssen, im Vorfeld der Vergabe alle Wirtschaftsteilnehmer identifizieren müsse, die sowohl die Entwicklung als auch die anschließende Lieferung des Endprodukts oder der Dienstleistung erfüllen können. So könnten relevanten Informationen über die Verfügbarkeit solcher Unternehmen oder möglicherweise interessierter Unternehmen durch eine vorangehende Marktkonsultation in Erfahrung gebracht werden, die vor der Veröffentlichung des eigentlichen Vergabeverfahrens zu erfolgen hat.
Besonderheiten bei den Vergabeunterlagen
Was die Vergabeunterlagen beinhaltet, ist in § 29 VgV geregelt. Bei der Innovationspartnerschaft ergeben sich dazu einige Besonderheiten, die vom öffentlichen Auftraggeber zu beachten sind:
1. Bewerbungsbedingungen
Der öffentliche Auftraggeber verhandelt mit allen Bietern. Er darf sich den Zuschlag auf ein Erstangebot nicht vorbehalten.
Der öffentliche Auftraggeber muss die zum Schutz des geistigen Eigentums geltenden Vorkehrungen festlegen, dies sind tatsächliche technische und ggfs. personelle Vorkehrungen.
2. Eignungskriterien
Es sind Eignungskriterien vorzugeben, die die Fähigkeiten der Unternehmen auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung sowie die Ausarbeitung und Umsetzung innovativer Lösungen betreffen (ergänzende Regelung zu § 46 VgV).
3. Zuschlagskriterien
Eine Erteilung des Zuschlags allein auf der Grundlage des niedrigsten Preises oder der niedrigsten Kosten ist ausgeschlossen (ergänzende Regelung zu § 58 VgV).
4. Leistungsbeschreibung / Vertragsbedingungen
Der öffentliche Auftraggeber muss in den Vergabeunterlagen die zum Schutz des geistigen Eigentums geltenden Vorkehrungen festlegen (ergänzende Regelungen zu § 31 VgV). Die Forschungs-, Entwicklungs- und Leistungsphase müssen geregelt werden. Die Phasen sind durch die Festlegung von Zwischenzielen zu untergliedern, bei deren Erreichen die Zahlung der Vergütung in angemessenen Teilbeträgen vereinbart wird. Die Kündigungsmöglichkeiten und -Gründe einzelner Verträge bei mehreren Partnern sind festzulegen. Das Leistungsniveau und die Kostenobergrenzen sind festzulegen.
Häufig wird es bei den Verhandlungen zu erforderlichen Anpassungen der Leistungsbeschreibung kommen; solche sind zulässig und gerade bei der Innovationspartnerschaft typisch, solange nicht der Kern der Leistung betroffen ist. Zwar darf dabei nach § 19 Abs. 5 S. 2 VgV nicht über die in den Vergabeunterlagen festgelegten Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien verhandelt werden, allerdings betrifft dieses Postulat hinsichtlich der Mindestanforderungen zwingend nur das endgültige Angebot (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. März 2018, Az VII-Verg 40/17, VII-Verg 42/17, VII-Verg 52/17 und VII-Verg 54/17).
Beihilferecht bei der Innovationspartnerschaft
Eine besondere Herausforderung bei der Vergabe einer Innovationspartnerschaft ist, dass das Beihilferecht zu beachten ist.
Öffentliche Auftraggeber und Industrieunternehmen haben in der Regel gegenläufige Interessen, wenn es um die Frage der Einräumung von Nutzungs- und Verwertungsrechten (Intellectual Property Rights – IPR) an den Forschungsergebnissen geht.
Eine Innovationspartnerschaft könnte dazu führen, dass einem Unternehmen eine unzulässige Beihilfe nach Art. 107 AEUV gewährt wird. Eine Innovationspartnerschaft ist nach Auffassung der Kommission jedenfalls dann beihilferechtlich unbedenklich, wenn die Vorgaben aus dem Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation beachtet wurden. Leider ist aber die Anwendung des Unionsrahmens selbst nicht ganz trival und im Detail bestehen zwischen staatlichen Einrichtungen und Wirtschaft recht unterschiedliche Interpretationsansätze, wann eine unzulässige Beihilfe vorliegt.
Die Kommission gibt in ihrem Leitfaden vom 15.5.2018 unter Ziffer 4.2.3.4 zumindest ein (leider einziges) Beispiel dafür, wann keine Beihilfe vorliege: Nämlich dann, wenn der öffentliche Auftraggeber Leistungen beschafft, die so einzigartig oder speziell sind, dass er der einzige potentielle Käufer ist und dass es keine weiteren möglichen Unternehmen am Markt außerhalb der Innovationspartnerschaft gibt, die benachteiligt werden könnten. Diese Konstellation dürfte äußerst selten vorkommen und dürfte als Beispiel und Schützenhilfe daher auch nicht viel taugen.
Kritische Zusammenfassung und Praxishinweis
Die Innovationspartnerschaft hat aus meiner Sicht Potential, innovative Lösungen durch Vergabeverfahren zu beschaffen. Es ist das einzige Vergabeverfahren, das eine echte parallele Entwicklung zulässt, und was vergaberechtlich erlaubt ist, kann haushaltsrechtlich nicht verboten sein. Eine erfolgreiche Innovationspartnerschaft setzt jedoch eine eng verzahnte Zusammenarbeit der in Deutschland traditionell – teilweise strikt – getrennten „Abteilungen“ voraus, die da sind: Bedarfsträger (Fachbereich), Einkauf und Vergabestelle. Dazu kommt, dass die Innovationspartnerschaft rechtlich gesehen anspruchsvoll ist und neben der vergaberechtlichen, vor allem auch vertrags- und beihilferechtliche Expertise gefordert ist. Es fehlen nach wie vor Vorlagen für Vertrag und Bewerbungsbedingungen. Die Europäische Kommission wirbt derzeit damit, dass sie sich vergaberechtlich mit neuen Gesetzen zurückhalten wolle und nur noch praktische Anleitungen herausgeben möchte, um den Beschaffern zu helfen. Der jüngste Leitfaden vom 15.5.2018 (“Guidance on Innovation Procurement”) enttäuscht jedenfalls bei dem Kapitel zur Innovationspartnerschaft, da dort nur Altes wiederholt wird, und echte brauchbare Arbeitshilfen ausbleiben.
Roderic Ortner ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht sowie Fachanwalt für IT-Recht. Er ist Partner in der Sozietät BHO Legal in Köln und München. Roderic Ortner ist spezialisiert auf das Vergabe-, IT und Beihilferecht und berät hierin die Auftraggeber- und Bieterseite. Er ist Autor zahlreicher Fachbeiträge zum Vergabe- und IT-Recht und hat bereits eine Vielzahl von Schulungen durchgeführt.
Vielen Dank für den guten Artikel und die Einschätzung. Eine Frage: gibt es irgendetwas vergleichbares wie IP oder PCP im Unterschwellenbereich bzw. ist sowas ihres Wissens nach in Planung?