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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 15/11/2018 Nr. 39093

EuGH: Generalanwalt plädiert für Bereichsausnahme bei der Vergabe von Rettungsdiensten

Am Mittwoch dieser Woche hat der Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona in dem Verfahren C-465/17 („Falck Rettungsdienste GmbH, Falck A/S gegen Stadt Solingen“) seine Schlussanträge verkünden lassen. Den Volltext des Schlussantrags finden Sie hier.
Die sogenannte „Bereichsausnahme Rettungsdienst“ hat in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erzeugt.

Der Bundesgerichtshof hatte Ende 2008 (Beschluss vom 1.12.2008, AZ X ZB 32/08) geklärt, dass Rettungsdienstleistungen grundsätzlich ausgeschrieben werden müssen (siehe sowie verschiedene Beiträge zum Thema Rettungsdienste im Vergabeblog hier). Danach wurde es in den Folgejahren unruhig. Auf Seiten der Auftraggeber sowie der privaten Anbieterseite und gemeinnütziger Hilfsorganisationen war die Verunsicherung in der Folge groß. Verschiedene deutsche Hilfsorganisationen machten sich anschließend dafür stark, dass auf EU-Ebene die genannte Bereichsausnahme in die neuen Vergaberichtlinien 2014 eingeführt wurde. Im April 2016 hat sie der deutsche Gesetzgeber schließlich über den § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB ins nationale Recht umgesetzt.

Ausgangspunkt des nun vorliegenden Verfahrens beim EuGH war das Nachprüfungsverfahren, welches Falck Rettungsdienste und Falck gegen die Stadt Solingen bei der Vergabekammer Rheinland eingeleitet hatten (VK Rheinland vom 19.08.2016 – VK D-14/2016-L, dazu auch im ).

Die Stadt Solingen beabsichtigte im März 2016 die kommunalen Rettungsdienstleistungen für die Dauer von fünf Jahren neu zu vergeben. Private Anbieter waren nicht zum Verfahren zugelassen. Es wurden vier Hilfsorganisationen zur Angebotsabgabe aufgefordert.

Aus Sicht der Antragsteller hätte die Vergabe in einem EU-weitem öffentlichen Verfahren durchgeführt werden müssen.

In nächster Instanz legte das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 12.06.2017, AZ: VII Verg 34/16) beim EuGH diverse strittige europarechtliche Fragen zur „Bereichsausnahme Rettungsdienst“ zur Auslegung vor:

  1. Handelt es sich bei der Betreuung und Versorgung von Notfallpatienten in einem Rettungswagen durch einen Rettungsassistenten/Rettungssanitäter und bei der Betreuung und Versorgung von Patienten in einem Krankentransportwagen durch einen Rettungssanitäter/Rettungshelfer um „Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr“ im Sinne von Art. 10 lit. h) der Richtlinie 2014/24/EU (1), die unter die CVP-Codes 7525000-7 (Rettungsdienste) und 85143000-3 (Einsatz von Krankenwagen) fallen?
  2. Kann Art. 10 lit. h) der Richtlinie 2014/24/EU so verstanden werden, dass „gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen“ insbesondere solche Hilfsorganisationen sind, die nach nationalem Recht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind?
  3. Sind „gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen“ im Sinne von Art. 10 lit. h) der Richtlinie 2014/24/EU solche, deren Ziel in der Erfüllung von Gemeinwohlaufgaben besteht, die nicht erwerbswirtschaftlich tätig sind und die etwaigen Gewinne reinvestieren, um das Ziel der Organisation zu erreichen?
  4. Ist der Transport eines Patienten in einem Krankenwagen bei Betreuung durch einen Rettungssanitäter/Rettungshelfer (sog. qualifizierter Krankentransport) ein „Einsatz von Krankenwagen zur Patientenbeförderung“ im Sinne von Art. 10 lit. h) der Richtlinie 2014/24/EU, der von der Bereichsausnahme nicht erfasst ist und für den die Richtlinie 2014/24/EU gilt?

Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona schlägt dem EuGH nun vor, dem OLG Düsseldorf wie folgt zu antworten:

Art. 10 Buchst. h der RL 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der RL 2004/18/EG ist in folgender Weise auszulegen:

  • Der Transport von Notfallpatienten in einem Rettungswagen bei Betreuung und Versorgung durch einen Rettungsassistenten/Rettungssanitäter ist als „Einsatz von Krankenwagen“ (CPV-Code 85143000 3) anzusehen, so dass die öffentliche Auftragsvergabe nicht den Verfahren der RL 2014/24 unterliegt, sofern die Leistung von einer gemeinnützigen Organisation oder Vereinigung erbracht wird.
  • Wenn der Transport von Patienten keinen Notfall darstellt und in einem Krankentransportwagen durch einen Rettungssanitäter/Rettungshelfer erfolgt, ist er als „Transport eines Patienten in einem Krankenwagen“ anzusehen, der nicht unter die für den „Einsatz von Krankenwagen“ im Allgemeinen geltende Ausnahme fällt.
  • „Gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen“ sind Organisationen oder Vereinigungen, die nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind und etwaige umständehalber erzielte Gewinne der Erfüllung ihrer sozialen Aufgabe widmen. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung reicht es nicht aus, dass sie im innerstaatlichen Recht als Hilfsorganisation anerkannt sind.

Quelle: Pressemitteilung des EuGH vom 14.11.2018

Ankündigung und „Save the date“

Das DVNW wird 2019 eine neue eintägige Veranstaltungsreihe mit dem Titel „DVNW forum“ zu verschiedenen Themen des Vergaberechts und öffentlichen Auftragswesens auflegen.

Der Auftakt wird am 12. April 2019 in Berlin mit dem Themenfeld „Vergaben im Gesundheits- und Sozialwesen“ gemacht. Eine wichtige Rolle wird dann selbstverständlich auch das in diesem Beitrag behandelte Thema Rettungsdienste spielen.

Weitere Informationen zur Veranstaltung folgen in Kürze hier im Vergabeblog.

 

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