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Rechtsschutz bei unterschwelligen Konzessionsvergaben vor den Verwaltungsgerichten!? (OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.10.2018 – 10 ME 363/18)

EntscheidungFür eine Streitigkeit um die Vergabe einer Konzession für den Bau und Betrieb einer Kindertagesstätte (KITA) im Unterschwellenbereich ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Bei unterschwelligen Ausschreibungen im Vergaberecht ist der Primärrechtsschutz nicht ausgeschlossen, wenn der erfolglose Bieter rechtzeitig von der Vergabe erfährt. Grenze des Primärrechtsschutzes ist allerdings der wirksam erteilte Zuschlag. Insofern kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Auch bei unterschwelligen Konzessionsvergaben im Kindertageseinrichtungsrecht beschränkt sich das Recht des Mitbewerbers auf den Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG.

§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO; § 40 VwGO, §§ 103 ff. GWB, § 31 SGB X, § 53 SGB X, KiTaG; § 7 BHO, Art. 3 Abs. 1 GG

Sachverhalt

Die Streitigkeit betrifft die Vergabe einer Konzession für den Bau und Betrieb einer Kindertagesstätte (KITA) im Unterschwellenbereich.

Die Antragsgegnerin leitete im Dezember 2017 ein Interessenbekundungsverfahren betreffend den Bau und nach Fertigstellung die Übernahme der Trägerschaft einer KITA ein. Zur Umsetzung sollen mit dem ausgewählten Bewerber ein Erbbaurechtsvertrag und eine Finanzierungsvereinbarung abgeschlossen werden. Vergeben werden soll mithin eine Konzession im Sinne von § 105 GWB, bei der entsprechend des die Abgrenzung zur Vergabe öffentlicher Aufträge regelnden Absatzes 2 der Vorschrift das Betriebsrisiko für die Nutzung des Bauwerks und für die Verwertung von Dienstleistungen auf den Konzessionsnehmer übergeht.

Das Verwaltungsgericht Braunschweig hatte den Antrag der Antragsteller, der Antragsgegnerin vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, mit dem Beigeladenen einen Vertrag zu schließen, abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.

Die Entscheidung

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zu Recht abgelehnt.

Für den von dem Verwaltungsgericht zutreffend als Streitigkeit um die Vergabe einer Konzession für den Bau und Betrieb einer Kindertagesstätte im Unterschwellenbereich eingeordneten Eilantrag ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Der vorliegende Rechtsstreit ist öffentlich-rechtlich. Denn die Vergabe der Konzession zum Bau und zur Übernahme der Trägerschaft der KITA wird prägend in den Formen des öffentlichen Rechts erfolgen. Zwar weist die Antragsgegnerin zu Recht darauf hin, dass der Erbbaurechtsvertrag, den sie mit dem Beigeladenen schließen will, privatrechtlicher Natur ist. Das zugrundeliegende Erbbaurechtsgesetz ist kein Sonderrecht des Staates. Der Erbbaurechtsvertrag ist bei der Konzessionsvergabe jedoch nachrangig. Denn im Vordergrund der Konzessionsvergabe steht die Finanzierungsvereinbarung. Diese aber ist öffentlich-rechtlicher Natur. Nach dem von der Antragsgegnerin ebenfalls beispielhaft vorgelegten Vertragsentwurf handelt es sich bei der Finanzierungsvereinbarung um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag und zwar gemäß § 53 Abs. 1 SGB X. Das Sozialgesetzbuch X gilt gemäß seinem § 1 Abs. 1 Satz 1 für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Antragsgegnerin nach dem für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Sozialgesetzbuch VIII einschließlich einer auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichteten Tätigkeit. Die Finanzierungsvereinbarung, die die Antragsgegnerin mit dem Beigeladenen als von ihr ausgewählten Bewerber schließen will, begründet zwischen beiden ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Das Rechtsverhältnis betrifft nämlich das Kindertageseinrichtungsrecht der §§ 24, 74a SGB VIII sowie das dazugehörige niedersächsische Landesrecht.

Schließlich wird die Einordnung des Vertragsgegenstandes des vorgelegten Vertragsentwurfs als öffentlich-rechtlich auch dadurch bestätigt, dass die gewählte Vertragsform ersichtlich eine Alternative zum Erlass eines Verwaltungsakts darstellt. Es wäre der Antragsgegnerin auch möglich, den in § 4 des Vertragsentwurfs geregelten Zuschuss zu den Betriebskosten der KITA als Verwaltungsakt im Sinne von § 31 SGB X zu erlassen und diesem als Nebenbestimmungen nach § 32 Abs. 2 SGB X die dargestellten vertraglichen Verpflichtungen des Trägers beizugeben.

Im Ergebnis haben die Antragsteller den nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO erforderlichen Anordnungsanspruch allerdings nicht glaubhaft gemacht. Es ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass ihnen gegenüber der Antragsgegnerin der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung des Abschlusses des Erbbaurechtsvertrags und der Finanzierungsvereinbarung mit dem Beigeladenen tatsächlich zusteht. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass die Antragsteller durch die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Konzession für den Bau und den Betrieb der KITA an den Beigeladenen zu vergeben, in ihren Rechten verletzt sind. Nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vergabe von Aufträgen, die den maßgeblichen Schwellenwert nicht erreichen, beschränkt sich das Recht des Mitbewerbers auf den Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist zutreffend und sorgt in dreierlei Hinsicht für mehr Klarheit bei der Vergabe von Konzessionen, die weil unterhalb des maßgeblichen Schwellenwerts in Höhe von EUR 5.548.000 (netto) nicht der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) und damit nicht dem Rechtsschutz vor den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen (§§ 155 ff. GWB) unterliegen.

  • Erstens stellt das Verwaltungsgericht zutreffend klar, dass es für den Rechtsweg darauf ankommt welchem Rechtsgebiet der Streitgegenstand zuzuordnen ist. Es kann daher sein, dass eine Konzessionsvergabe der ordentlichen Gerichtsbarkeit und damit den Zivilgerichten unterliegt, eine andere wie vorliegend aber der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegt. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz VwGO in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben. Danach ist der vorliegende Rechtsstreit öffentlich-rechtlich. Denn die Vergabe der Konzession zum Bau und zur Übernahme der Trägerschaft der KITA wird prägend in den Formen des öffentlichen Rechts erfolgen. Die Begründung hierzu und insbesondere das Abstellen auf die Finanzierungsvereinbarung und gerade nicht auf den privatrechtlichen Erbbaurechtsvertrag überzeugt. Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.05.2007 Az. B 10.07. Denn dort wurde lediglich entschieden, dass für Streitigkeiten über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen mit einem Auftragswert unterhalb der Schwellenwerte nicht der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten, sondern der ordentliche Rechtsweg gegeben ist. Eine Entscheidung über den Rechtsweg bei Konzessionsvergaben ist dadurch allerdings nicht getroffen worden.
  • Zweitens stellt das Oberverwaltungsgericht zutreffend heraus, dass als Grenze des Primärrechtsschutzes vor den Verwaltungsgerichten der wirksam erteilte Zuschlag anzusehen ist, weil dadurch ein etwaiger Unterlassungsanspruch untergeht. Zuschlag im Sinne des Vergaberechts ist die vom öffentlichen Auftraggeber erklärte Annahme des Angebots eines Bieters zum Abschluss eines Vertrages. Der Zuschlag setzt hiernach denknotwendig das Angebot eines Bieters voraus, wie es regelmäßig in einem Vergabeverfahren nach § 97 GWB erfolgt. Ein solches Vergabeverfahren, zu dem auch keine rechtliche Verpflichtung bestand, hat die Antragsgegnerin aber vorliegend gerade nicht durchgeführt. Denn ein haushaltsrechtlich nach § 7 Abs. 2 Satz 3 BHO bzw. der entsprechenden Norm im Landeshaushaltsrecht geregeltes Interessenbekundungsverfahren ist gerade kein Vergabeverfahren. Es kann ein Vergabeverfahren auch nicht etwa ersetzen. Insofern sind bloße Interessenbekundungen auch keine Angebote die bezuschlagt werden könnten.
  • Drittens stellt das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts heraus, das sich bei unterschwelligen Konzessionsvergaben das Recht des Mitbewerbers auf den Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG beschränkt. Jede staatliche Stelle muss daher bei ihrem Handeln, unabhängig von der Handlungsform und dem betroffenen Lebensbereich, die in dem Gleichheitssatz niedergelegte Gerechtigkeitsvorstellung beachten. Der staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, ist es daher verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen. Jeder Mitbewerber muss insofern eine faire Chance erhalten, nach Maßgabe der für den spezifischen Auftrag wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden. An diesem Maßstab muss sich jede unterschwellige Konzessionsvergabe messen lassen. Vorliegend entsprach das durchgeführte Verfahren diesen Anforderungen. Insbesondere stellte das Gerichts heraus, dass das Verfahren transparent geführt worden ist und die Wertung der Interessenbekundungen nebst der Punktevergaben keine Anhaltspunkte für ein willkürliches Vorgehen aufwies.

Praxistipp

Ob es als Auftraggeber zweckmäßig ist, im Vorfeld einer unterschwelligen Konzessionsvergabe zu klären, ob es sich ggf. um eine öffentlich-rechtliche oder eine zivilrechtliche Streitigkeit handelt, kann dahinstehen und mag von den Umständen des Einzelfalls abhängig sein. Nicht dahinstehen kann, dass auch eine unterschwellige Konzessionsvergabe auf der Grundlage eines durch Art. 3 Abs. 1 GG geforderten transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens erfolgen muss. Die Diskriminierungsfreiheit wird regelmäßig gewahrt, wenn eine willkürliche Ungleichbehandlung (ohne sachlichen Grund) vermieden wird. In der Praxis bietet sich insofern eine Anlehnung an eine Verhandlungsvergabe nach dem Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) (ggf. nach einem entsprechenden Teilnahmewettbewerb) an. Eine Vorabinformation mit entsprechender Wartefrist wie es das OLG Düsseldorf in einem obiter dictum noch im Beschluss vom 13.12.2017 Az. 27 U 25/17 (vgl. Schröder, Vergabeblog.de vom 01/02/2018, Nr. 35321) gefordert hatte, wird dagegen mangels entsprechender Rechtsgrundlage nicht erforderlich sein.

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Über Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG

Der Autor Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG, ist Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Wirtschaftskanzlei LEXTON Rechtsanwälte in Berlin. Er berät seit über 20 Jahren öffentliche Auftraggeber und Bieterunternehmen umfassend bei allen vergabe-, zuwendungs-, haushalts- und preisrechtlichen Fragestellungen. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit veröffentlicht er regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.

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