In der Praxis öffentlicher Auftraggeber spielen Zertifikate, Gütezeichen und Normen sowohl im Rahmen der Leistungsbeschreibung als auch bei der Eignungsprüfung und der Zuschlagsentscheidung eine immer wichtigere Rolle.
Gütezeichen und Zertifikate
Gütezeichen dienen als Beleg dafür, dass eine Liefer- oder Dienstleistung bestimmten, in der Leistungsbeschreibung geforderten Merkmalen entspricht, sofern sich dessen Anforderungen auf Kriterien beziehen, die mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen (§ 34 VgV). Ein Gütezeichen muss zudem auf objektiv nachprüfbaren und nichtdiskriminierenden Kriterien beruhen; es muss in einem offenen und transparenten Verfahren entwickelt worden sein. Außerdem muss es für alle Betroffenen zugänglich sein und die Anforderungen des Gütezeichens müssen von einem Dritten festgelegt werden, auf den das Unternehmen keinen maßgeblichen Einfluss ausübt. Beispiele für Gütezeichen sind das „RAL-Gütezeichen“ (Qualität), der „Blaue Engel“ (Umwelt) oder das „GS-Zeichen“ (Sicherheit).
Auch Zertifikate dienen als Beleg dafür, dass eine Liefer- oder Dienstleistung bestimmten, in der Leistungsbeschreibung geforderten Merkmalen entspricht (§ 33 VgV). Im Gegensatz zu einem Gütezeichen, mit denen abstrakt Leistungen bewertet werden, dient die Konformitätsbewertung der Nachweisführung im Einzelfall. Die Konformitätsbewertung ist in erster Linie für Produkte, also die Gegenstände von Liefer- oder auch Bauleistungen, vorgesehen. Die für viele Produkte als Voraussetzung für ihr Inverkehrbringen geforderte CE-Kennzeichnung stellt beispielsweise eine Zertifizierung dar. Zudem erfolgt die Nachweisführung durch akkreditierte Konformitätsbewertungsstellen, um den Zweck der Vertrauensbildung nachhaltig zu erreichen.
Während Zertifikate und Normen in der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) nicht geregelt sind, enthält das Regelwerk eine detaillierte Regelung zu Gütezeichen (§ 24 UVgO).
Qualitätssicherung und Umweltmanagement
Schließlich sehen die vergaberechtlichen Bestimmungen auch Belege zur Einhaltung von Normen der Qualitätssicherung und des Umweltmanagements vor (§ 49 VgV). Soweit danach die Einhaltung von Bescheinigungen unabhängiger Stellen gefordert wird, darf sich der öffentliche Auftraggeber nur auf Qualitätssicherungs- bzw. Umweltmanagementsysteme beziehen, die den einschlägigen europäischen Normen genügen und von akkreditierten Stellen zertifiziert sind. Die Normenreihe DIN EN ISO 9000 ff. schafft einen gemeinsamen Rahmen von nationalen, europäischen und internationalen Standards, der einheitliche Anforderungen an Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren festlegt.
Anforderungen an die Leistungsbeschreibung
Grundsätzlich obliegt es dem öffentlichen Auftraggeber, die Merkmale des Auftragsgegenstandes zu beschreiben. Allerdings muss auch bei der Verwendung von Gütezeichen oder Zertifikaten die geforderte Leistung präzise und erschöpfend beschrieben werden. Daher muss der Auftraggeber die im Gütezeichen bzw. in der Zertifizierung festgelegten Kriterien im Einzelnen benennen. Nur dann ist es Sache der Bieter, nachzuweisen, dass ihr Angebot diesen Kriterien entspricht. Für den Nachweis ist der Bieter nicht an das geforderte Gütezeichen/Zertifikat gebunden. Der öffentliche Auftraggeber hat gleichwertige Nachweismöglichkeiten zu akzeptieren.
Eignungsprüfung und Zuschlagskriterien
Auch im Bereich der Eignungsprüfung werden Zertifikate, Gütezeichen und Normen relevant. Eignungskriterien und Ausschlussgründe betreffen die personellen Umstände des Bieters einschließlich seiner Mitarbeiter, seine Ausstattung mit Maschinen, Geräten, Patenten, Know-how etc. Um die Eignung der anbietenden Unternehmen feststellen zu können, dürfen gewisse Anforderungen aufgestellt bzw. Nachweise gefordert werden. Jedoch gilt auch hier: Gleichwertige Bescheinigungen, welche die in den Normen, Zertifikaten oder Gütezeichen aufgestellten Kriterien erfüllen, sind anzuerkennen.
Schließlich können Zertifikate, Gütezeichen und Normen im Rahmen der Zuschlagsentscheidung Eingang in den Abwägungsprozess finden. So bestimmt § 58 Abs. 2 Satz 2 VgV, dass „neben dem Preis oder den Kosten […] auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Zuschlagskriterien berücksichtigt werden“ können. Ausreichend für die Berücksichtigung als Zuschlagskriterium ist ein Zusammenhang mit dem Herstellungsprozess oder einem anderen Stadium im Lebenszyklus der Leistung.
Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Herr Dr. Ott berät und vertritt bundesweit in erster Linie öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsvorhaben. Auf der Basis weit gefächerter Branchenkenntnis liegt ein zentraler Schwerpunkt in der Gestaltung effizienter und flexibler Vergabeverfahren. Daneben vertritt Herr Dr. Ott die Interessen der öffentlichen Hand in Nachprüfungsverfahren. Er unterrichtet das Vergaberecht an der DHBW und der VWA in Stuttgart, tritt als Referent in Seminaren auf und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichen. Er ist einer der Vorsitzenden der Regionalgruppe Stuttgart des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW).
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